Umbau der Tierhaltung voranbringen!

19. Mai 2022 | Massentierhaltung, Landwirtschaft, BUND

In einem Beitrag für "Agra-Europe" skizzieren die Tierhaltungs-Experten des BUND, was nun für eine neue Landwirtschaftspolitik im Bereich Tierhaltung getan werden muss.

Grasende Kühe. Foto: Leon Ephraïm / CC0 1.0 / unsplash.com Grasende Kühe auf der Weide  (Leon Ephraïm / unsplash.com)

Von Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender sowie Tilman Uhlenhaut, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Landwirtschaft und Jochen Dettmer, stellv. Sprecher des BUND-Arbeitskreises Landwirtschaft

Die Notwendigkeit eines Umbaus der Nutztierhaltung ist weitgehend unbestritten. Spätestens seit Vorlage des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik (WBA) beim BMEL "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung" im März 2015 verfügt die Agrarpolitik über eine tiefgreifende Analyse der in der aktuellen Tierhaltung vorhandenen Missstände. Doch passiert ist seitdem wenig.

Daher hat sich der BUND als einer der größten deutschen Umweltverbände im Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung („Borchert-Kommission“) und in der Zukunftskommission Landwirtschaft mit Nachdruck für einen politisch begleiteten Umbau der Nutzierhaltung eingesetzt. 

Der Umbau gelingt nur im Konsens

Dabei war es dem BUND wichtig, alte Gräben zu schließen und in einem breiten gesellschaftlichen Konsens Lösungswege aufzuzeigen, die die Herausforderungen bezüglich Artenverlust, Klimawandel, Tierschutz und Höfesterben berücksichtigen. 

Dabei war und ist es wichtig, die Interessensvertretungen der konventionellen Tierhaltungen mitzunehmen und sowohl Haltungsalternativen als auch ökonomische Perspektiven aufzuzeigen. Wir halten die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung vom Februar 2020 für einen sehr gelungenen Kompromiss und freuen uns darüber, welchen großen Zuspruch er von den Wirtschaftsbeteiligten, aus der Zivilgesellschaft sowie aus der Politik bekommen hat. 

Nun ist die Zeit reif, vom Reden ins Handeln zu kommen. Daher hat sich das Kompetenznetzwerk kürzlich erneut zu Wort gemeldet. Das Gremium hat  in seiner aktuellen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass genügend Handlungsvorschläge bezüglich einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung auf dem Tisch liegen und nun umgesetzt werden müssen. 

Umbau: Finanzierung absichern, Standards anheben

Für den BUND sind zwei Punkte von enormer Bedeutung. Einerseits erwarten wir, dass sich die Bundesregierung auf ein verlässliches Finanzierungssystem für den Umbau einigt. Damit können Investitionen und erhöhte Haltungskosten auf den Höfen unterstützt werden. Allen Ampel-Koalitionären muss klar sein, dass ohne eine solche Einigung, der Umbau nicht gelingen kann. 

Offensichtlich ist der FDP nicht klar, dass ihr permanentes Bremsen bei der Finanzierungsfrage den ganzen Prozess des sozialverträglichen Umbaus der Tierhaltung in Frage stellt und billigend in Kauf nimmt, das der Strukturwandel, insbesondere bei der Schweinehaltung, Existenzen vernichtet. Eine Blockadehaltung bei der Finanzierung wäre gleichbedeutend mit der Aufgabe aller Umbau-Vorhaben. Das wäre angesichts der Dringlichkeit und des politischen Zeitfensters vollkommen inakzeptabel. 

Genauso wichtig ist dem BUND, dass die Bundesregierung bei ihrem Umbau-Konzept deutlich macht, dass der rechtliche Mindeststandard schrittweise angehoben werden muss. Das Kompetenznetzwerk schlägt dafür beispielsweise die Anhebung auf die Einstiegsstufe im Jahr 2030 und auf die zweithöchste Stufe im Jahr 2040 vor. So wird klar: Der Umbau der Tierhaltung wird im angemessen Zeitrahmen alle mitnehmen. 

Tierwohl: Stufen überarbeiten

Bei der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Stufen hat der BUND zwei zentrale Änderungsvorschläge. Aus unserer Sicht ist eine zugängliche Einstiegsstufe notwendig, um Tierhalter*innen ohne große bauliche Veränderungen ein mehr an Tierwohl zu ermöglichen. Das war in den bisher bekannten Vorschlägen des BMEL nicht vorgesehen. 

Das BMEL schlägt zudem vor, dass die höchste Stufe nur für Bio-Betriebe reserviert sein soll. Der BUND ist hingegen in Übereinstimmung mit dem Kompetenznetzwerk der Ansicht, dass eine "Premium"-Tierwohlstufe allen Betrieben offenstehen muss und nicht nur den Ökobetrieben. 

Die Pioniere in diesem Bereich, wie Neuland und die Premiumstufe des Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes dürfen dabei nicht benachteiligt werden. Eine Kompromisslinie wäre die von Prof. Grethe ins Spiel gebrachte fünfte Stufe als exklusive Ökostufe, so wie es der Lebensmitteleinzelhandel ja schon durch die Zusatzökokennzeichnung mit der Stufe 4 praktiziert.

Den Umbau der Tierhaltung nur auf eine exklusive Ökostufe zu reduzieren, würde das Potenzial in der Gesellschaft und der Politik negieren, die ganze Landwirtschaft mitzunehmen. Auch wenn die Prinzipien des ökologischen Landbaus für den BUND Leitbildcharakter haben, darf kein Keil zwischen konventionelle und ökologische Betriebe getrieben werden.

Wir würden es daher begrüßen, wenn das BMEL die Vorschläge des Kompetenznetzwerks ernsthaft prüft und alle an der "Borchert-Kommission" Beteiligten wieder gemeinsam am Umbau hin zu einer besseren Tierhaltung, mehr Tierwohl und auskömmlichen Erlösen arbeiten würden. 

BMEL: Wir brauchen staatlich verbindliche Haltungskennzeichnung

Darum fordern wir die Führungsspitze des BMEL auf, endlich eine staatliche, verbindliche Tierhaltungskennzeichnung in Anlehnung an die Vorschläge des Kompetenznetzwerkes vorzulegen und an die Ampel-Koalitionäre, endlich die Finanzierungsfrage zu klären, in einem Mix von Markbeteiligungen und Abgaben- oder Mehrwertsteuerangleichungen. 

Dabei sollten die Aktivitäten des Lebensmitteleinzelhandels im Bereich ihres Systems der Haltungskennzeichnung und der Finanzierung durch die Initiative Tierwohl, berücksichtigt werden. Die Kennzeichnung muss verständlich und eindeutig sein.

Vor allem darf die Debatte über die notwendige staatliche Tierhaltungskennzeichnung nicht davon ablenken, dass in der Ampelkoalition dringlich über die notwendigen Finanzierungsfragen Entscheidungen getroffen werden müssen. 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der "Agra-Europe", Ausgabe Nr. 20 vom 16. Mai 2022

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