Unsere Meere wurden in den vergangenen Jahren zunehmend in ein Offshore-Industriegebiet verwandelt. Nur ein sehr geringer Teil von Nord- und Ostsee kann überhaupt noch eine Ruheoase für Meereslebewesen sein: frei von Schifffahrt, Fischerei, Militär oder der Gewinnung von Rohstoffen und Energie. Selbst die deutschen Meeresschutzgebiete bleiben trotz offiziellem Schutzstatus und bestehender Managementpläne weiterhin industriellen Nutzungen wie der Fischerei ausgesetzt. Denn die Regulierung der Fischerei ist EU-Sache.
Wissenschaftler*innen fordern effektiven Schutz
Angeführt von Enric Sala, Forscher und Meeresschützer für National Geographic, fordern über 200 Wissenschaftler*innen endlich ein klares Verbot: „Wenn die EU im Rahmen ihrer Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bis 2030 die Wiederherstellung der Meeresfauna und -flora anstrebt und die Meeresschutzgebiete als Instrument zur Erholung der dezimierten Fischbestände nutzen will, muss sie die Grundschleppnetzfischerei und andere industrielle Nutzungen in ihren Schutzgebieten verbieten“. Das gesamte Statement veröffentlichte der Wissenschaftler auf seiner Webseite.
Schutz nicht gleich Schutz
In ihrer Biodiversitätsstrategie setzt sich die EU das Ziel, bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent der Meere zu schützen. 10 Prozent der Fläche sollen dabei unter strengem Schutz stehen. Schon hier lässt sich erkennen, dass Schutz nicht gleich Schutz bedeutet.
Ein Baustein der Strategie ist ein „Aktionsplan zur Erhaltung der Fischereiressourcen und zum Schutz der Meeresökosysteme“. Die Veröffentlichung dieses Plans war von der EU-Kommission schon für 2021 angekündigt – vergebens. Verschiedene Interessenvertretungen möchten auf die Ausgestaltung Einfluss nehmen und erschweren die Abstimmung in den jeweiligen Abteilungen. Ein großes Manko: Die bestehenden wissenschaftlichen Untersuchungen und Ergebnisse werden bisher weitgehend übergangen. Das heißt die Strategie baut nicht auf wissenschaftliche Empfehlungen, sondern auf Lobbyinteressen. Der effektive Schutz rückt in den Hintergrund. Mit ihrem Brief betonen die Wissenschaftler*innen die enorme Bedeutung von Schutzgebieten ohne jegliche industrielle Nutzung. Für Ernährungssicherheit über Kohlenstoffbindung bis hin zu Arbeitsplätzen und wirtschaftlichen Gewinnen. Jetzt stand der Aktionsplan für September auf der Agenda – und wurde wieder verschoben.
Dranbleiben hilft
Eine gute Nachricht zum Schluss: Nach jahrelangem Kampf zwischen Mitgliedstaaten, Fischerei und Naturschutz, hat die EU-Kommission endlich 87 sehr empfindliche Gebiete in der Tiefsee für Grundschleppnetzfischerei gesperrt. Ein wichtiger Schritt zum Schutz der Artenvielfalt und den Lebensräumen in den Meeren.
Der BUND fundiert seine Arbeit und Forderungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie sind die Grundlage für eine Meereswende und zeigen den Weg aus der Krise. Wir begrüßen das Engagement der Wissenschaftler*innen und setzen uns als BUND weiter für einen ambitionierten Schutz der Meere ein, auf EU-, Bundes- und Landesebene. Mehr zum Thema Meeresschutzgebiete finden Sie hier.