Der Gesetzentwurf enthält mehrere sehr wichtige Fortschritte:
- Die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern soll verboten werden. Bisher werden tausende Rinder das gesamte Jahr über im Stall angebunden. Das widerspricht dem Tierschutz. Bei der Anbindehaltung gibt es allerdings gewisse Einschränkungen.
- Die Qualzucht soll verboten werden. Dabei geht es vor allem um die gezielte Zucht von Tieren mit „Defekten“. Das sind beispielsweise Katzen ohne Ohren oder Hunde mit extrem kurzer Nase, die sich kaum noch für die Atmung eignet. Auch die Zucht von Milchrindern mit extrem großem Euter könnte darunter gefasst werden. Hier ist jedoch noch unklar, wie es im Gesetzestext genau ausgelegt wird.
- Weitere Einschränkungen und/oder Verbote soll es beim „Kupieren“ geben. Damit ist das Abschneiden von Schwänzen bei Kälbern, Ferkeln und Lämmern gemeint.
Tierschutzgesetz-Entwurf enthält zu viele Ausnahmen
Leider enthält der vorgelegte Gesetzentwurf auch weiterhin zu viele Ausnahmen. So wird zwar das Abschneiden von Schwänzen bei Lämmern komplett verboten. Doch bei Ferkeln soll es auch weiterhin nur minimal eingeschränkt werden, indem für eine entsprechende Genehmigung zusätzliche Anforderungen definiert werden. Diese sind jedoch so niedrig gehalten, dass sie relativ problemlos von allen Betrieben erfüllt werden können. Sie betreffen im Wesentlichen höhere Platzvorgaben. An der konkreten Haltungsumgebung der Tiere ändert sich wenig bis nichts. So wird die „Ausnahme“ hier weiterhin zur Regel. Dabei ist das Abschneiden der Ringelschwänze bei Ferkeln eigentlich bereits seit Jahrzehnten europaweit verboten. Deutschland hält sich allerdings, wie auch viele andere Staaten, bisher nicht an dieses Verbot.
Milchkühe werden weiter nicht ausreichend geschützt
Auch bei der Anbindehaltung gibt es Ausnahmen, die zur Regel werden. So gibt der Entwurf zwar vor, dass Tiere nicht mehr ganzjährig angebunden gehalten werden. Doch bei Betrieben mit unter 50 Tieren dürften diese weiterhin den gesamten Winter angebunden werden. Einzige Bedingung: Sie müssen zweimal in der Woche für kurze Zeit auf einen sogenannten „Laufhof“ kommen. Wie der zweimalige Auslauf pro Woche sichergestellt und kontrolliert werden soll, ist völlig unklar. Für die Tiere verringert sich das Leid mit dieser Regelung höchstens marginal. Der durchschnittliche Betrieb mit saisonaler Anbindehaltung hat aktuell 23 Rinder – für den durchschnittlichen Betrieb würde sich also schlicht nichts ändern.
Eine weitere „Ausnahme“ geht möglicherweise auf das Engagement des Bundesfinanzministers Christian Lindner zurück. Er hatte im Herbst 2023 in einer Fachzeitschrift für Jäger versprochen, dass das Abschneiden der Schwänze bei Jagdhunden weiter erlaubt sein wird. Und tatsächlich ist exakt für diesen Fall eine entsprechende Ausnahme im Gesetz formuliert.
BUND-Forderungen
- Die Anbindehaltung muss grundsätzlich verboten werden. Ausnahmeregelungen darf es spätestens nach 10 Jahren Übergangsfrist nicht mehr geben.
- Die Qualzucht muss so definiert werden, dass das Gesetz auch wirklich praktische Folgen hat. Veterinärämter müssen in die Lage versetzt werden, Qualzuchten wirksam zu unterbinden, auch bei sogenannten Nutztieren in der Landwirtschaft.
- Das Kupieren muss bei allen Tierarten grundsätzlich verboten werden. Ausnahmegenehmigungen dürfen nur noch sehr begrenzt mit vollständiger Schmerzausschaltung bei den Tieren stattfinden – und gar nicht mehr aus rein wirtschaftlichen Gründen. Wenn die derzeitigen Haltungssysteme eine Haltung unkupierter Tiere nicht ermöglichen, so ist es endlich an der Zeit, die Haltungssysteme an die Tiere, statt weiterhin die Tiere an die Haltungssysteme anzupassen.
Tierschutz im Grundgesetz verankert
Bereits 2002 wurde der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Die Verschärfung des Tierschutzgesetzes soll diesem staatlichen Auftrag nach mehr Tierschutz Rechnung tragen. Ein erster Entwurf war bereits im Mai 2023 durchgesickert. Offiziell veröffentlicht wurde er, nach immer neuen Änderungen und Anpassungen, erst jetzt. Landwirtschaftliche Berufsverbände wie auch Umwelt- und Verbraucherschutzverbände und nicht zuletzt Tierschutzorganisationen sind zur Stellungnahme aufgerufen. Auch der BUND wird sich beteiligen.