Tausende Tonnen Mikroplastik durch Reifenabrieb: Von der Straße in unsere Lungen

15. September 2021 | Chemie, Umweltgifte

Mikroplastik kann die Zellen von Menschen schädigen. Studien zeigen: Mehr als 100.000 Tonnen davon entstehen jährlich durch den Reifenabrieb von Autos.

Mikroplastik: Ein großer Teil entsteht durch Reifenabrieb Nur eine echte Mobilitätswende und weniger Autos sind eine Lösung.  (ratfink1973 / pixabay)

Die Autos auf der IAA werden immer länger, breiter und schwerer. Da hilft auch das Greenwashing der Industrie nicht: Autos verursachen erhebliche Schäden für Mensch und Umwelt. Doch nicht alle Gefahren sind uns jederzeit bewusst. So ist es auch mit einem bislang unterschätzten Problem: Mikroplastik durch Reifenabrieb.

Der Abrieb von Autoreifen ist mit Abstand die größte Quelle für Plastikeinträge in die Umwelt: Studien gehen von etwa 100.000 bis über 140.000 Tonnen aus, die jedes Jahr in Deutschland abgefahren werden. Die Fachexpert*innen sind sich dabei einig, dass Reifenabrieb die größte derartige Einzelquelle für Kunststoffe in der Umwelt ist. 

Mikroplastik schadet dem Menschen erheblich

Erst seit kurzem ist bekannt: Mikroplastik kann nun doch entgegen vorheriger Annahmen – die Zellmembranen von Menschen und Tieren direkt schädigen. Es ist mittlerweile überall sowohl in der Umwelt als auch in unseren Körpern zu finden und wirkt wie ein Magnet auf Umweltgifte, zieht also Schadstoffe geradezu magisch an. Kinder kommen mittlerweile vorbelastet auf die Welt.

Die sogenannten "Nicht-Abgas-Emissionen" wie Feinstaub, also auch Mikroplastik, werden und müssen deshalb stärker in den Fokus rücken. Sie entstehen durch den Abrieb von Bremsen und Reifen. Diese Verschmutzung kann 1000 Mal schädlicher sein, als die Emissionen aus dem Auspuff  – und das bereits bei guten Bedingungen (optimaler Reifendruck und Straßenbelag). Unter ungünstigeren Umständen könnte der Faktor sogar noch höher liegen.

Der Straßenverkehr ist für schätzungsweise ein Viertel der Feinstaubbelastung in städtischen Gebieten verantwortlich. Auch wenn kleine, leichte E-Fahrzeuge etwa 10 Prozent weniger Feinstaub als Verbrenner emittieren, können große und schwerere Fahrzeuge immerhin bis zu acht Prozent mehr Feinstaub ("PM2,5") emittieren. . Dieser kann tief in die Lunge eindringen. Der Trend zu größeren und schwereren Wägen (SUVs) ist daher mit Sorge zu betrachten und wird zu mehr Mikroplastik in unseren Lungen führen.

Was tun, um die Schäden zu verringern?

Ein Forschungsteam der TU hat herausgefunden, dass der Reifenabrieb insbesondere in Kurven und an Ampeln liegt. Mit Straßenkehrmaschinen und dezentralen Filteranlagen könnte er dort gezielt reduziert werden. Zudem haben Fahrverhalten und Geschwindigkeit Einfluss auf die Abriebmengen: Dies spricht unter anderem für ein Tempolimit. Dennoch bleibt auch bei Umsetzung solcher Maßnahmen immer noch eine Menge Reifenabrieb in der Umwelt.

Mobilitätswende statt Elektro-Illusionen

Der Hunger nach Naturkautschuk für Reifen steigt und die negativen Folgen für die Anbauländer in Südostasien sind dabei schwerwiegend: Landraub, Entwaldung und schlechte Löhne. Die vorhandenen Reifen- und Fahrzeugmengen sind daher nicht zukunftsfähig, auch nicht mit Reifen aus Naturkautschuk, weiteren Reinigungsmaßnahmen am Straßenrand oder mehr Elektrofahrzeugen. Nicht zu vergessen, dass Feinstaubbelastungen auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit sind: Sozial Schwächere leben häufiger an stark befahrenen Straßen und sind somit dem Feinstaub und möglichen Folgekrankheiten stärker ausgesetzt als wohlhabendere Menschen.

Es gibt daher nur eine Lösung: eine echte Mobilitätswende und damit weniger Autos auf unseren Straßen. Öffentlicher Nahverkehr muss endlich Standard werden – auch im ländlichen Raum, intelligent vernetzt, bequem und günstig.

Mehr Informationen:

Kontakt: Janine Korduan, BUND-Referentin Kreislaufwirtschaft, Tel. (030) 2 75 86-433, janine.korduan(at)bund.net 

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