Sind Nanomaterialien sicher? Der BUND ist noch nicht überzeugt

01. Dezember 2016 | Chemie

In einer aktuellen Veröffentlichung verschleiert der Verband der Chemischen Industrie (VCI) geschickt, dass es bei den Risiken der Nutzung von Nanomaterialien für Mensch und Umwelt nach wie vor zahlreiche offene Fragen gibt. Für Verbraucher*innen gibt es noch keinen Grund zur Entwarnung, erklärt der BUND-Referent für technischen Umweltschutz Rolf Buschmann und lehnt einen Freifahrtschein für Nanotechnologien ab.

Nanotechnologie Die Risiken von Nanomaterialien sind weiterhin ungeklärt.  (PeteLinforth / pixabay.com)

Der BUND steht bei der Beurteilung von Nanomaterialien zu dem Grundsatz der REACH Chemikalienverordnung - "No data – no market". Reicht die Datenlage für eine Risikobewertung nicht aus, sollte nach Auffassung des BUND ein weit verbreiteter Einsatz von Nanomaterialien nicht zulässig sein.

Doch das sieht der Verband der Chemischen Industrie (VCI) anders: In den "Schlussfolgerungen und Empfehlungen [des VCI] zur gesundheitlichen Bewertung, Exposition und zu Umwelteffekten von Nanomaterialien" vom 05.Oktober 2016 wird  vom Industrieverband nämlich die folgende Ansicht vertreten : "Die Befürchtung, dass über die Sicherheit von Nanomaterialien zu wenig bekannt ist, ist unbegründet.“ Als Beleg für die These verweist der VCI auf die Ergebnisse von drei Literaturstudien. Es ist auch grob vereinfachend und schlichtweg falsch wenn der VCI behauptet, dass "die geringe Größe von Nanomaterialien […] keinesfalls mit einer per se erhöhten Gefährlichkeit für Mensch und Umwelt einher [geht]". Zwar stellt auch die Bundesregierung im "Aktionsplan Nanotechnologien 2020" dar, dass die Nanoskaligkeit eines Stoffes nicht "per se mit einem Risiko für Mensch und Umwelt verbunden" sei, erläutert aber auch dass "… die Struktur, chemische Zusammensetzung und weitere Faktoren das Risiko beeinflusst und daher das jeweilige Material und dessen Anwendung betrachtet werden muss." Weitere Risikoforschung von Nanomaterialien wird daher auch von der Bundesregierung als notwendig erachtet.

Bei genauerem Hinsehen finden sich weitere Statements in dem Dokument des VCI, die wissenschaftlich nicht tragbar sind und gezielt ein mögliches Risiko von Nanomaterialien verharmlosen. Die Nanotechnologie Arbeitsgruppe des BUND-Arbeitskreises Umweltchemikalien und Toxikologie hat drei Punkte exemplarisch herausgegriffen und kritisch hinterfragt:

Gibt es spezielle Nanoeffekte?

Im Bereich der Toxikokinetik können tatsächlich nano-spezifische Effekte beobachtet werden, die insbesondere für schwer lösliche Nanomaterialien das Gefahrenpotential vergrößern. So werden z.B. luftgetragene Nanomaterialien in relativ hohen Raten in Nasenraum und Lunge abgelagert. Eine Verlagerung der aufgenommenen Partikel in der Lunge wie in der VCI-Stellungnahme dargestellt (Phagozytose) tritt jedoch im Wesentlichen nur bei Agglomeraten und Aggregaten von Nanomaterialien auf. Bei isoliert vorliegenden Nanopartikeln (z. B. nach der Entstehung in technischen Prozessen) ist das Migrationsverhalten im menschlichen Körper jedoch weiterhin weitgehend unbekannt.

Gibt es einen bekannten Wirkungsmechanismus?

Inhalationsexperimente mit schwer löslichen Nanomaterialien lassen die Interpretation zu, dass die Effekte mit der Oberfläche der Nanopartikel in Zusammenhang stehen. Auch hier ist die Datenlage noch nicht ausreichend. So ist z.B. die Frage nicht geklärt, ob Zellen auf die große Oberfläche der NM durch eine induzierte chronische Entzündung reagieren und damit möglicherweise eine Tumorentwicklung begünstigen. Es besteht nach wie vor eine Datenlücke hinsichtlich des Risikos gegenüber einer langfristigen Einwirkung von Nanomaterialien.

Sind die OECD Guidelines für Nanomaterialien anwendbar?

Der Diskussionsstand ist aus Sicht des BUND noch nicht eindeutig. Zwar weisen erste Analysen der Ergebnisse der OECD Aktivitäten auf eine grundsätzliche Anwendbarkeit der Guidelines hin. Insbesondere in Hinblick auf die in den Guidelines beschriebenen Testmethoden besteht aber zum Teil noch erheblicher Anpassungsbedarf. Die Diskussion in der international besetzten Expertengruppe ist demzufolge auch noch nicht abgeschlossen.

Hinsichtlich dieser grundlegenden Fragestellungen ist, nach Auffassung des BUND, die Datenlage zur Beurteilung möglicher Risiken beim Umgang mit Nanomaterialien weiterhin unzureichend. Es ist daher auch begrüßenswert, dass die Notwendigkeit entsprechender Vorhaben zur Beantwortung der dargestellten offenen Fragen der Risikoforschung zu Nanomaterialien auch im Forschungsschwerpunkt 1 der "Forschungsstrategie der Bundesoberbehörden" beschrieben wird.

Das eingangs dargestellte Statement des VCI entpuppt sich daher, bei genauerer Betrachtung der Materie, offensichtlich als grob irreführend. Die Chemieindustrie scheint mit solchen Aussagen wohl eher die ungehinderte Vermarktung von Nanomaterialien und die Beruhigung möglicher kritischer Verbraucher*innen zu verfolgen.

Der BUND setzt sich auch weiterhin für einen verantwortungsvollen Umgang bei der Nutzung von Nanotechnologien ein. Sowohl die Bundesregierung als auch die Hersteller müssen in die Pflicht genommen werden, beispielsweise für mehr Transparenz bei der weiterhin wachsenden Anzahl an verbrauchernahen Produkten zu sorgen. Hierzu gehören insbesondere die Umsetzung und Kontrolle von Kennzeichnungspflichten und die Einführung eines verbindlichen Nanoregisters, wie es bereits in einigen anderen europäischen Länder etabliert ist.

Überfällig ist auch die Anpassung der REACH Verordnung, die dazu beitragen könnte die zum Teil erheblichen Wissenslücken zu schließen. Allerdings scheint die Chance die notwendigen Schritte auf EU Ebene für eine rasche Anpassung anzustoßen verstrichen zu sein. Der BUND Vorschlag zur Regulierung von Nanomaterialien ist daher weiterhin gültig.

Mehr Informationen

Informationen und Rückfragen bei:
Rolf Buschmann
Referent für technischen Umweltschutz
Kaiserin-Augusta-Allee 5,
10553 Berlin  
Tel. (030) 2 75 86-482
rolf.buschmann(at)bund.net

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