Seine sieben Kiemenlöcher und die Nasenöffnung neben jedem Auge haben dem Bauchneunauge (Lampetra planeri) seinen Namen eingebracht. Das bis zu 15 Zentimeter lange, bleistiftdicke Unterwassertier ähnelt einem kleinen Aal, ist aber nicht mal ein Fisch: Mit seinen Saugscheiben anstelle eines Kiefers zählt es zu den Rundmäulern, hervorgegangen aus einer der ursprünglichsten Gruppe der Wirbeltiere.
Seine Gestalt mit den neun angeblichen Augen nimmt das Bachneunauge übrigens nur an, wenn es ausgewachsen ist. Das ist aber nur ein kleiner Bruchteil seiner Lebenszeit. Den größten Teil, bis zu fünf Jahre nämlich, verbringt es in einem wurmähnlichen, augen- und zahnlosen Larvenstadium, Querder genannt. Ein Querder lebt verborgen im Bachsediment; nur sein Maul ragt hinaus, um aus dem strömenden Wasser Schwebteilchen zu filtrieren, von denen er sich ernährt.
Erst wenn sich ein Querder schließlich zu einem erwachsenen Bachneunauge umwandelt, bildet er Augen, Zähne und Geschlechtsorgane aus. Sein Darm hingegen stirbt langsam ab: Erwachsene Bachneunaugen fressen nicht mehr. Ihr einziges Ziel ist die Fortpflanzung. Unter Zuhilfenahme ihrer Saugscheiben schichten sie Steine und Sand zu einem Nest am Bachboden auf, in das sie ihre Eier legen. Kurz nach Eiablage und Besamung sterben sie.
Saubere Sandbänke sind schwer zu finden
Das Bachneunauge ist anspruchsvoll. Es will eine gute bis sehr gute Wasserqualität haben. Und bitteschön sauerstoffreiche und sommerkühle Fließgewässer mit flachen Abschnitten und Sandbänken. Immerhin leben die Querder viele Jahre im Bachsediment, das sauber, sauerstoffreich und daher gut durchströmt sein muss. Genügt der Bach diesen Ansprüchen nicht, sterben die Querder ab, ohne sich jemals vermehren zu können.
Nur naturnahe Bäche bieten diese idealen Bedingungen. Kein Wunder also, dass es die Tierart in Deutschland schwer hat und vom Aussterben bedroht ist. Neben der Verschmutzung von Gewässern allgemein schadet dem Bachneunauge in vielen Fällen das Ausbauen von Bächen: In den meisten Fließgewässern, die gradlinig und reguliert sind, lagert sich kaum Sediment ab, und wenn doch, dann immer an der gleichen Stelle. Insbesondere bei Ausbau und Unterhalt von Gewässern werden für die Querder lebensnotwendige Schlick- und Feinsedimentbänke zudem einfach ausgeräumt – die Larven können sich nirgendwo mehr entwickeln.
Ein Problem ist auch, wenn in Bächen größere Mengen ausgewachsener Forellen ausgesetzt werden, um diese zu angeln. Denn zu den Lieblingsspeisen der Forellen zählen auch Bachneunaugenquerder.
Naturnahe Bäche braucht das Land
Am Grünen Band finden sich noch naturnahe Bäche, die den Ansprüchen der Bachneunaugen genügen, etwa an der Delvenau sowie im Inneren Bayerischen Wald. Beides sind Gebiete im Rahmen des Projektes „Quervernetzung Grünes Band". Hier will der BUND ausgehend vom Grünen Band ökologische Korridore in die umgebende Landschaft schaffen. Der Erhalt und gegebenenfalls die Rückentwicklung von Bächen mit naturnaher Dynamik, Kiesbankbildung und abwechslungsreichen Strömungsverhältnissen gehört dazu.
Im Inneren Bayerischen Wald besitzt der BUND Flächen im Oberlauf des Michelbachsystems, zum Teil bachbegleitend beidseitig des Spillerbachs. Hier sollen in den nächsten Jahren punktuell Ufer abgeflacht werden, damit sich wieder ein naturnahes Sedimentationsgeschehen einstellt. Sand und Schlick können sich dann im Rahmen der natürlichen Dynamik regelmäßig anlagern, werden wieder verdriftet und lagern sich erneut an. So bleibt das Sediment locker und als Lebensraum für Querder intakt. Die bachnahen Flächen werden extensiv bewirtschaftet, um zu verhindern, dass Schadstoffe ins Wasser gelangen.
Das Bachneunauge kann in Deutschland nur überleben, wenn sein Lebensraum gesichert ist. Es braucht naturnahe Bäche mit sauberem Wasser und Sedimenten, in denen sich sowohl die erwachsenen Tiere als auch die Larven wohl fühlen.
Das Projekt "Quervernetzung Grünes Band" wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert.