Pilze im Fokus – unentbehrlich für das Ökosystem und uns Menschen

29. Oktober 2021

BUND-Pilzexpertin Tamara Pilz-Hunter im Gespräch über die Bedeutung von Pilzen für Natur und Mensch.

Anmoderationsvorschlag:

Es hat ziemlich viel geregnet in diesem Jahr und es regnet weiter – also beste Bedingungen für Pilze und Pilzsammler, möchte man meinen. Aber vielen Pilzarten in Deutschland geht es nicht gut, teilweise sind sie sogar vom Aussterben bedroht. Warum das so ist, worauf man als Sammler*in achten sollte und wie wichtig Pilze eigentlich für Natur und Mensch sind, klären wir mit einer Pilzexpertin, bei der der Name Programm ist, Tamara Pilz-Hunter vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

Erste Frage: Frau Pilz-Hunter, ich muss natürlich als erstes fragen: Ist das ihr echter Name oder ein Künstlername als Pilzexpertin?

O-Ton 1 (Tamara Pilz-Hunter): "Pilz-Hunter ist mein echter Name. Ich bin geborene Hunter und hab danach Herrn Pilz geheiratet."

Zweite Frage: Frau Pilz-Hunter, Pilze sind ja eine ganz eigene Gattung von Lebewesen. Was genau sind Pilze?

O-Ton 2 (Tamara Pilz-Hunter): "Also, was wir Pilze nennen, ist eigentlich nur der Fruchtkörper. Das eigentliche Lebewesen, das Pilzgeflecht oder Myzel nennen wir es auch, lebt im Verborgenen in der Erde oder im Holz drinnen. Und im Ökosystem sind die Pilze extrem wichtig. Sie nehmen ganz viele wichtige Funktionen wahr. Sie sind Zersetzer und wesentlich am Stoffkreislauf beteiligt. Sie sind aber auch Symbiosepartner von zirka 90 Prozent aller Landpflanzen. Und so bilden sie den Lebensbereich und Nahrungsbasis für Pflanzen und Tiere."

Dritte Frage: Nun hat es in diesem Jahr ziemlich viel geregnet – also eigentlich beste Voraussetzungen, damit Pilze wachsen können. Was ist denn 2021 für ein Pilzjahr?

O-Ton 3 (Tamara Pilz-Hunter): "Es ist tatsächlich ein sehr gutes Pilzjahr. Nach den letzten drei sehr trockenen Jahren hat der Regen schon Ende August begonnen und eine überraschende Pfifferlingsschwemme zum Beispiel gebracht. Auch der beliebte Edelreizker lässt sich in diesem Jahr in größeren Mengen finden und an Steinpilzen, Maronen, Parasole hat auch nicht gefehlt. Aber wir erwarten ja auch noch den Spätherbstaspekt."

Vierte Frage: Und wie geht es unseren Pilzen allgemein?

O-Ton 4 (Tamara Pilz-Hunter): "Unseren Pilzen geht es gerade nicht gut. Etwa ein Drittel der untersuchten Pilzarten sind entweder extrem selten, gefährdet oder stark gefährdet. Fünf Prozent sind vom Aussterben bedroht oder sind bereits sogar schon ausgestorben. Zum Beispiel der Moor-Hallimasch ist in Deutschland kurz vor dem Aussterben. Im Juli bis Oktober zeigt er sich zwischen den Torfmoosen in Mooren."

Fünfte Frage: Warum geht es unseren Pilzen so schlecht? 

O-Ton 5 (Tamara Pilz-Hunter): "Es ist die intensive landwirtschaftliche Nutzung, die überdüngten Böden und die Belastung des Bodens mit Stickstoff und Phosphat, auch die Ersetzung von Mischwäldern durch Monokulturen, die Zerstörung von naturnahem Lebensraum und Biotopen, die Umwandlung von Magerwiesen zu Intensivgrünland, oder das Trockenlegen von Feuchtwiesen und Mooren. Man muss den Einsatz von Düngemitteln beschränken, man muss weniger Fleisch konsumieren, damit weniger Gülle auf die Wiese kommt. Weil die Stickstoffe, das kommt alles in den Wald rein und zerstört die Biotope. Wir haben Gesetze gegen Pilzsammler aber die sind nicht die Bösen."

Sechste Frage: Wie genau meinen Sie das?

O-Ton 6 (Tamara Pilz-Hunter): "Entgegen der herkömmlichen Meinung tragen die Pilzsammler am wenigsten zur Ausrottung von den Pilzarten bei, jedenfalls, solange sie das Pilzgeflecht nicht zerstören. Und deswegen bietet es sich an, dass wir achtsam handeln im Wald, nicht alles zertrampeln und nur für den eigenen Bedarf sammeln und auch immer zwei bis drei Fruchtkörper zurücklassen. Wir können auch die Erntestelle mit Laub bedecken. Statt wahllos von Gegend zu Gegend zu fahren, empfiehlt es sich, ein paar Habitate auszusuchen und diese regelmäßig zu besuchen. So lernt man am besten über das Vorhandensein von Pilzarten und deren Fruchtzeiten zum Beispiel."

Siebte Frage: Sicherlich sind unter den Pilzsammlern auch noch einige Unerfahrene – und denen ist meistens auch nicht mit einem Pilz-Buch geholfen. Wie kann man sich denn richtig über Pilze informieren, damit man nicht danebengreift?

O-Ton 7 (Tamara Pilz-Hunter): "In der Geschäftsstelle vom BUND-Berlin bietet man eine kostenlose Pilzberatung für die Öffentlichkeit an. Die Beratung wird von BUND-zertifizierten Pilzsachverständigen durchgeführt und man kann sich da dann auch dazu ausbilden lassen oder einfach so Pilzexkursionen und Pilzseminare besuchen. Oder sich dem Arbeitskreis Pilze und Ökologie anschließen."

Achte Frage: Was sind denn nun die besten Orte, um Pilze zu finden?

O-Ton 8 (Tamara Pilz-Hunter): "Die Pilze sind ja immer da. Sie sind in der Erde drin, aber die Frucht bildet sich erst, wenn es feucht und nass wird. Also der Zeitpunkt ist zu beachten, wann man in die Pilze geht. Symbiosepilze zum Beispiel trifft man an nährstoffarmen und trockenen Böden an. Das heißt, es muss schon regnen, aber der Boden sollte trocken sein. Das Wasser versickert schnell, weil dort die Bäume auf die Pilze angewiesen sind. Die Pilze liefern den Bäumen eben Wasser und Nährstoffe und so bilden sie dann eine Symbiose mit den Pilzen. Die beliebtesten Speisepilze, die Röhrlinge, zum Beispiel die Schwammpilze und auch die Edelreizker sind Symbiosepilze."

Abmoderationsvorschlag:

Tamara Pilz-Hunter vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland zum Thema Pilze und deren Wichtigkeit für das Ökosystem und uns Menschen. Vielen Dank für das Gespräch!

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