Die Ostsee zeigt uns, was passiert, wenn jahrzehntelange Überfischung, Klimakrise und die Anreichung von Nährstoffen im Meer aufeinandertreffen. Die Fische werden immer weniger, kleiner und dünner. Die Fangquoten wurden zwar in den letzten Jahren stark gesenkt, doch für viele Fischarten kam das zu spät. Außer Scholle und Riga Hering sind alle kommerziell befischten Populationen bereits zusammengebrochen oder kurz davor. Der immer schlechter werdende ökologische Zustand der Ostsee und das Schrumpfen der Fischpopulationen haben aber nicht dazu geführt, dass sich das Fischereimanagement grundlegend verändert hat.
Dorsch: Beifang schmälert Bestand immens
Die gezielte Fischerei auf Dorsch ist zwar verboten, aber durch eine Beifangquote dürfen die Dorsche weiter mitgefangen werden. So wird auf Kosten der Dorsche die Fischerei auf Plattfische in den gleichen Gebieten weiter ermöglicht. Da es inzwischen nur noch sehr wenige Dorsche gibt, kann die Beifangquote eine Erholung der Population verhindern. Völlig absurd ist, dass mehr als die Hälfte der gefangenen Dorsche direkt wieder über Bord gehen, weil sie zu klein oder zu dünn sind. Auch bei den Schollen sind die Rückwürfe massiv: Je nach Fanggebiet werden 40 bis 80 Prozent der Schollen zurück ins Meer geworfen. Verantwortlich für diese Verschwendung von Meereslebewesen ist die Fischerei mit Grundschleppnetzen: 92 Prozent aller Rückwürfe in der ganzen EU entstehen wegen dieser Fangmethode.
Heringe und Sprotten: Futter für Schweine statt Schweinswale
Es gibt noch eine weitere großangelegte Verschwendung in der Ostsee-Fischerei: Hering und Sprotte werden in der Ostsee fast ausschließlich für die Produktion von Fischmehl gefangen, das als Tierfutter verwendet wird. Denn Fischmehl wird nicht nur aus Fischresten hergestellt, sondern besteht zu 60 bis 70 Prozent aus ganzen Fischen, die von industriellen Trawlern gezielt gefischt werden. Kleine Schwarmfische sind von zentraler Bedeutung im marinen Nahrungsnetz und in der Ostsee überlebenswichtig für Dorsche und Schweinswale. Die Erholung der Dorsche und die Zukunft des bedrohten Ostsee-Schweinswals hängen direkt mit der Verfügbarkeit von Futter zusammen. Doch die von den EU-Fischereiminister*innen beschlossenen Fangquoten rechnen diesen Faktor nicht mit ein.
Fischerei braucht Pause
Ohne Fische wird es weder eine Erholung der Ostsee, noch eine Perspektive für die Fischerei geben. Trotz der dramatischen Situation bleiben zielgerichtete Maßnahmen zum Wiederaufbau der Fischpopulationen und zur Veränderung der Ostseefischerei aus. Es ist Zeit für eine Pause der gesamten Ostseefischerei, um den Populationen Zeit zur Erholung und der Fischerei für eine Reflexion und Neuausrichtung zu geben. Wie lange diese Pause dauern muss? So lange es dauert, bis die Fischpopulationen wieder eine gesunde Größe erreicht haben und das Fischereimanagement sicherstellt, dass das auch so bleibt. Doch in dieser Pause dürfen die Politik und der Fischereisektor nicht die Hände in den Schoß legen. Sie muss vielmehr dafür genutzt werden, um:
- Wiederaufbaupläne zu entwickeln und umzusetzen, damit alle Fischpopulationen der Ostsee wieder auf eine gesunde Größe anwachsen können
- Ein ökosystembasiertes Fischereimanagement aufzubauen, damit auch für Schweinswale und Seevögel genug Futter im Meer bleibt
- Grundschleppnetze aus der gesamten Ostsee zu verbannen und in die Entwicklung und Anwendung umweltschonender selektiver Fischereigeräte und -methoden zu investieren
- Die gezielte Fischerei zur Produktion von Fischmehl und -öl in der Ostsee zu verbieten.
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Unsere Meere sind globale Klimaschützer. Und sie sind wunderschön. Selbst in der Nord- und Ostsee verbergen sich Riffe und Sandbänke, die überraschend bunte und artenreiche Lebensgemeinschaften aufweisen. Doch ihr Zustand ist kritisch. Müll und Schadstoffe; Schifffahrt, Überfischung und Lärm. Die Meere ächzen unter diesen Belastungen. Unsere Arbeit im BUND ist wichtiger denn je.