Nutzung von Elektrogeräten: Ist das noch gut oder kann das weg?

21. Januar 2021 | Ressourcen & Technik, Energiewende, Nachhaltigkeit, Suffizienz

Der ein oder die andere hat sie sicher noch im Schrank: Elektrische Kaffeemühlen können Generationen überdauern. Von vielen anderen Elektrogeräten kann das leider nicht gesagt werden. Kurz nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, manchmal schon früher, bricht ein Plastikteil, zerspringt das Display, ist der Heizstab hinüber. Das kostet Geld, ist ärgerlich und verbraucht mit Blick auf das Klima Rohstoffe und Tonnen Kohlendioxid. Doch das EU-Parlament baut das "Recht auf Reparatur" aus und der BUND fordert in dieser Debatte ein herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur.

Elektroschrott. Foto: © Bramwork - Fotolia.com Kurz nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, manchmal schon früher, bricht ein Plastikteil, zerspringt das Display und als Ergebnis gibt es Tonnen von Rohstoffmüll.  (Bramwork)

Für die Herstellung von Elektrogeräten werden Rohstoffe verbraucht und Treibhausgasemissionen ausgestoßen. Insgesamt ist die Entnahme und Weiterverarbeitung von Ressourcen für etwa die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wird dies berücksichtigt, ist es besonders kritisch, dass die Produkte, wenn sie kaputt oder nicht mehr up to date sind, oftmals auf Müllhalden in den Ländern landen, in denen ihre Rohstoffe zuvor unter menschenunwürdigen Bedingungen der Erde abgerungen wurden, und verschmutzen die Umwelt. Laut dem Global E-Waste-Monitor wurden 2019 nur 17,4 Prozent des weltweiten Elektroschrotts ordnungsgemäß gesammelt und recycelt.

BUND ist Teil der europäischen Kampagne "cool products for a cool planet" und sieht CO2-Einsparpotenzial

Dabei ist das Einsparpotenzial haltbarer Elektrogeräte enorm, wie Studien am Beispiel des NGO-Netzwerkes "coolproducts for a cool planet" zeigen, in dem der BUND auch vertreten ist und sich mit anderen Experten für eine Stärkung der EU-Richtlinien hinsichtlich Ökodesign und Energieverbrauchskennzeichnung einsetzt. Gemäß einer Untersuchung dieses Netzwerkes würde eine Verlängerung der Lebensdauer aller Waschmaschinen, Notebooks, Staubsauger und Smartphones in der EU um nur ein Jahr bis 2030 jährlich rund vier Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) einsparen. Dies entspricht den Emissionen von über zwei Millionen Autos jährlich.

Im Detail ist das Potenzial unterschiedlich. Laut einer Studie des Öko-Instituts spart ein einziger Fernseher, der 13 statt sechs Jahre genutzt wird, rund 660 Kilogramm Treibhausgase im Jahr ein. Bei knapp 40 Millionen Fernsehgeräten in Deutschland ist das eine ganze Menge. Ein einziges Notebook, das zehn statt fünf Jahre zum Einsatz kommt, spart rund 200 Kilogramm Treibhausgase ein. Bei jedem Smartphone, das bei 95 Prozent der 14- bis 49-Jährigen nicht mehr wegzudenken ist, entstehen Einsparungen von rund 100 Kilogramm bei einer siebenjährigen statt zweieinhalbjährigen Nutzung. Umgekehrt müsste es, um die Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit seinen Nichtnutzungsphasen auszugleichen, je nach Modell 25 bis zu 232 Jahre halten.

Hand aufs Herz: Länger als drei Jahre nutzt kaum jemand diese Kommunikationsgeräte. Deren Lebensdauer wird zudem häufig durch die Software verkürzt, die nicht mehr nachgeliefert wird. Besonders Smartphones, Laptops und Tablets werden bereits nach wenigen Monaten als überholt vom Markt genommen. Als neues Statussymbol etabliert, wird den Verbraucher*innen suggeriert: Dein Gerät ist nicht mehr aktuell. Ein neues Gerät wird gekauft, auch wenn das alte nicht kaputt ist.

Gleichzeitig stellte eine Umfrage der EU-Kommission fest: 77 Prozent der Bürger*innen würden ihre Geräte lieber länger nutzen und sie reparieren lassen, als sie zu ersetzen. 79 Prozent der Befragten sind zudem der Meinung, dass die Hersteller gesetzlich verpflichtet werden sollten, die Reparatur digitaler Geräte bzw. den Austausch ihrer Einzelteile zu ermöglichen.

BUND fordert herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur

Im November 2020 hat das EU-Parlament die Kommission aufgefordert, Verbraucher*innen ein "Recht auf Reparatur" einzuräumen: Die Reparatur von Geräten soll – auch finanziell – attraktiver werden und systematisch durchgeführt werden. So soll eine Kultur der Wiederverwendung etabliert werden. Helfen sollen dabei eine längere Garantiedauer, sicher erhältliche Ersatzteile und besserer Zugang zu Informationen über Reparatur und Wartung.

In ihren Ökodesign-Richtlinien hat die EU-Kommission zudem festgelegt, dass ab März 2021 Hersteller verschiedener Produkte, wie Fernseher, Geschirr­spüler, Wasch­maschinen und Kühl­schränke, nur noch Geräte auf den Markt bringen dürfen, wenn sie Ersatzteile und Reparaturanleitungen vorhalten. Zudem müssen Ersatzteile mit alltäglichen Werkzeugen ausgewechselt werden können. Das klingt gut, hat aber auch einen Haken: Bei bestimmten Ersatzteilen müssen Hersteller diese nur an "fachlich kompetente Reparateure" liefern. Damit könnten Verbraucher*innen und Repair-Cafés leer ausgehen, die Reparatur würde schwieriger oder teurer. Der BUND fordert deshalb ein herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur, damit auch freie Werkstätten, Reparaturinitiativen und Privatpersonen reparieren können und dürfen.

Hersteller weltweit in die Pflicht nehmen

Auch einzelne Länder haben sich dem Problem gestellt. In den USA ist das Recht auf Reparatur dank einer breiten Bewegung in vielen Bundesstaaten verankert (https://www.repair.org/stand-up), in Australien und Kanada gibt es entsprechende Gesetzesinitiativen. In Europa gilt Frankreich als Vorreiter. Dort wurde schon 2014 ein Gesetz verabschiedet, das vorsätzliche Obsoleszenz, also das absichtliche Herbeiführen einer kürzeren Lebensdauer bei Elektrogeräten, unter Strafe stellt. Zudem wurden Hersteller und Handel verpflichtet, Kund*innen beim Kauf über die Dauer der Verfügbarkeit von Ersatzteilen zu informieren und diese anschließend auch vorzuhalten. Während letztere Maßnahme positive Wirkung zeigt, ist eine geplante Verkürzung der Lebensdauer von Elektrogeräten schwer nachzuweisen. Vielleicht wird sie nur billigend in Kauf genommen, klar ist: Bis heute gibt es in Frankreich keinen gerichtlich nachgewiesenen Fall. Allerdings akzeptierte der Computerkonzern Apple im Februar 2020 eine Strafe der Pariser Wettbewerbsbehörden von 25 Millionen Euro für "betrügerische Praktiken durch Unterlassung". Demnach soll Apple Kund*innen nicht informiert haben, dass ihre IPhones nach einem Update des Betriebssystems deutlich langsamer laufen würden. Da dieses nicht rückgängig gemacht werden konnte, hätten sich Kund*innen gezwungen gesehen, den Akku zu wechseln oder sich gar ein neues Telefon zu kaufen. Ab 2021 gibt es in Frankreich zudem ein Logo, das die erwartete Lebensdauer eines Gerätes anzeigt. Es wird zunächst fünf Produktkategorien abdecken: Waschmaschinen, Fernseher, Smartphones, Laptops und Rasenmäher. Zudem wird ein Gesetzentwurf diskutiert, mit dem besonders digitaler Müll verringert werden soll.

Schweden ist einen anderen Weg gegangen: Dort wurde 2016 die Mehrwertsteuer auf Reparaturen von Fahrrädern, Kleidung oder Schuhen um die Hälfte gesenkt. Außerdem sind Reparaturdienstleistungen von der Steuer absetzbar. Dieser Schritt gegen Wegwerfmentalität macht Reparaturen erschwinglicher und wertet gleichzeitig das Handwerk auf.

Damit will Schweden auch ein positives Signal für den Arbeitsmarkt senden. Dahinter steht die Sorge, dass Arbeitsplätze verloren gehen, wenn weniger konsumiert und damit produziert wird. Doch dem ist nicht so: Auch Reparaturen sichern Arbeitsplätze. Laut einer Studie, die der Club of Rome veröffentlicht hat, kann die Verdoppelung der Lebensdauer von Konsumgütern in Kombination mit der Verwendung von 50 Prozent recyceltem Inhalt und 25 Prozent erhöhter Materialeffizienz zur Schaffung von mehr als 50.000 Arbeitsplätzen in Finnland und Schweden, mehr als 100.000 in den Niederlanden, mehr als 200.000 in Spanien und mehr als 300.000 in Frankreich führen. Arbeitsplätze im Reparatursektor haben außerdem den Vorteil, dass sie nicht wachstumsabhängig sind.

Ressourcen schonen und neue Dienstleistungsmodelle etablieren

In einer klima- und ressourcenschonenden Wirtschaftsweise liegen weitere Chancen. So bietet ein  japanisches Unternehmen eine Produktlinie von Druckern, die gut wiederverwendbare oder recycelbare Teile verwendet. Bis 2050 sollen so 90 Prozent weniger neue Materialien eingesetzt werden. Liegt der Fokus der Produkte auf Langlebigkeit und Qualität, werden auch für die Wartung Arbeitskräfte gebraucht. Arbeitszeitverkürzung ist eine andere Möglichkeit, geänderte Unternehmenskonzepte eine weitere. Dienstleistungen werden danach zunehmen. Wenn jede Waschmaschine in jedem Haushalt zwischen 17 und 25 Jahren im Einsatz bleiben müsste, um die Treibhausgasemissionen von Produktion, Vertrieb und Entsorgung auszugleichen, warum sollten nicht besser Wäschereien saubere Kleidung im Schrank garantieren? Beispiele für sozial-ökologische Unternehmenskultur sind zudem Leasing-Modelle mit vergünstigten wiederaufbereiteten Geräten, Slow-Food-Genossenschaften, Solidarische Landwirtschaft, Bürgerenergieprojekte oder Reparaturcafés: Ökologische Unternehmen, die für die Gemeinschaft und das Gemeinwohl arbeiten.

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