Nordsee-Fangquoten 2023: Schleichender Fortschritt für viele Fischpopulationen zu spät

05. Dezember 2022 | Meere

Seit Wochen verhandeln die Fischereiminister*innen der EU, Großbritanniens und Norwegens über die Fangquoten für Fischpopulationen im Nordostatlantik. Der BUND begleitet den Prozess, der über die Zukunft von Kabeljau, Hering und Aal entscheidet.

Kabeljau; Foto: slowmotiongli / iStock.com Der Nordsee-Kabeljau wird seit Jahren überfischt.  (slowmotiongli / iStock.com)

Die Verhandlungen zu den Fangquoten im Nordostatlantik sind lang und kompliziert. Mehr als zwei Monate verhandelt die Europäische Union mit dem Vereinigten Königreich und Norwegen über mehr als 150 Fangquoten. Es geht darum, wer wieviel und in welchem Zeitraum in der Nordsee fischen darf. Das ist ein Balanceakt zwischen dem Zustand der Fischpopulationen und den nationalstaatlichen Interessen – niemand möchte zu kurz kommen und als „Verlierer“ nach Hause gehen.

Doch die eigentlichen Verlierer stehen jedes Jahr schon vor den Verhandlungen fest: die Fische. Auch wenn es um die Populationen in der Nordsee nicht so schlimm steht wie um die in der Ostsee, geht die Überfischung hier ebenfalls weiter. Überfischung bedeutet, dass in einem Gewässer dauerhaft mehr Fische entnommen werden, als durch Fortpflanzung hinzukommen. Es führt also dazu, dass die Population langfristig ausstirbt. Ein Drittel aller Fischpopulationen im Nordostatlantik, sind aktuell überfischt. Bei den Populationen, die sich EU und UK teilen, sind es sogar zwei Drittel. Das ist zwar eine Verbesserung im Vergleich zu den Vorjahren, doch noch immer sind zu viele Populationen gefährdet. Um eine Art steht es dabei ganz besonders schlecht: den Kabeljau.

Goodbye Kabeljau

Egal ob Ostsee oder Nordsee, dem Kabeljau (auch Dorsch) geht es schlecht. In der Nordsee wird er schon seit den 60er Jahren überfischt. Bis heute hat sich die Population nicht von einem massiven Zusammenbruch in der 80ern erholt. Die Fangquoten wurden daraufhin zwar stark reduziert, lagen aber in vielen Jahren trotzdem weit oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES). Dieses Jahr zeigt die Kabeljau-Population in der Nordsee zum ersten Mal seit langem ein kleines Anzeichen für Wachstum. Und sofort fordern viele Länder wieder eine starke Erhöhung der Fangquote. Eine solche Forderung steht im Widerspruch dazu, dass der Nordsee Kabeljau immer noch in einem katastrophalen Zustand ist. Es muss stattdessen alles dafür getan werden, um die Population wiederherzustellen. Dazu muss nicht nur die Fangquote für den Kabeljau selbst klein bleiben, sondern auch für viele anderen Fischarten, bei denen Kabeljau als Beifang im Netz landet.

Eine Chance für den Aal?

Für den vom Aussterben bedrohten Europäischen Aal könnten die Verhandlungen eine große Chance sein. Um den Aal besser zu schützen, hat die EU Kommission den Vorschlag gemacht, die aktuelle dreimonatige Schonzeit auf sechs Monate zu verlängern. Dies würde ein halbjähriges Fangverbot für die kommerzielle Fischerei sowie die Angelfischerei in den europäischen Meeres- und Küstengebieten bedeuten.

Das wäre eine deutliche Verbesserung zur bisherigen Verordnung und könnte die Fänge von Glas- und Blankaalen in einigen wichtigen Gebieten erheblich verringern. Auch wenn es ein Schritt in die richtige Richtung ist, liegt der Kommissionsvorschlag allerdings noch weit hinter der wissenschaftlichen Empfehlung eines kompletten Fangstopps für alle Lebensstadien des Aals und in allen Lebensräumen.

Der BUND fordert zu den Verhandlungen über die Nordsee-Fangquoten und darüber hinaus:

  • Die Fangquoten dürfen die wissenschaftlichen Empfehlungen des ICES auf keinen Fall überschreiten.
  • In die Fangquoten müssen Vorsorge-Puffer eingerechnet werden, die Beifänge und illegale Rückwürfe, sowie die Auswirkungen der Klimakrise berücksichtigen.
  • Die Fischerei auf den Europäischen Aal muss eingestellt werden, in allen Gewässern und für alle Lebensstadien (inkl. Glasaale).
  • Alle Fischereiaktivitäten müssen einer Umweltprüfung unterzogen werden, die neben Auswirkungen auf Lebensräume und Artengemeinschaften auch Klimafolgen einbezieht.

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