Nordsee-Fangquoten 2022: Kabeljau-Skandal und Solidarität für den Hering

15. November 2021 | Meere, Lebensräume

Seit Ende Oktober 2021 verhandeln die Fischereimister*innen der EU, des Vereinigten Königreiches und Norwegens über die Fangquoten für Fischbestände im Nordostatlantik. Wir begleiten die Verhandlungen und drängen darauf, die Überfischung endlich zu stoppen.

Immer weniger Heringsschwärme tummeln sich in der Ostsee. Wichtiges Futter für große Fischarten: der Hering.  (Axel Kuhlmann)

In den fast zweimonatigen Verhandlungen zu den Fangquoten im Nordostatlantik steht vieles auf dem Spiel. Nicht nur sind die Verhandlungen durch den Brexit noch komplizierter geworden. Anders als in der Ostsee geht es hier nicht lediglich um zehn, sondern um 170 Fangquoten – von Grönland bis zur Algarve. 

Aktuell sieht es für die Fische in der Nordsee nicht gut aus: Im Jahr 2020 waren 48 Prozent der Bestände überfischt. Von den 28 Fischbeständen mit ausreichender Datengrundlage für eine Bewertung haben nur 4 Bestände eine gesunde Bestandsgröße und werden nachhaltig befischt. Ein wahres Armutszeugnis, da die EU verpflichtet ist die Überfischung zu beenden.

Der BUND begleitet die laufenden Verhandlungen und wird mit seiner Fischereiexpertin Valeska Diemel auch bei der finalen Sitzung des Fischereirats in Brüssel am 13./14. Dezember vor Ort sein. Welche Fischbestände hat der BUND dabei besonders im Blick?

Der Skandal um den Nordsee-Kabeljau

Der Kabeljau in der Nordsee wird bereits seit den 60er Jahren viel zu stark befischt. Die andauernde Überfischung führte in den 80er Jahren zu einem Zusammenbruch, von dem der Bestand sich bis heute nicht erholt hat. Obwohl seit langem klar ist, dass der Bestand des Nordsee-Kabeljaus zu klein geworden ist, um sich noch erfolgreich fortpflanzen zu können, wird weiter gefischt. Als wäre das nicht skandalös genug, beschlossen die EU-Fischereimister*innen außerdem fast jedes Jahr Fangquoten, die höher waren als die wissenschaftlichen Empfehlungen.

Die Misswirtschaft des Kabeljaus bekommt eine ganz neue Brisanz, wenn die tatsächlichen Fangmengen aus dem Jahr 2020 betrachtet werden. Die Wissenschaft empfahl für 2020 eine maximale Fangmenge (TAC) von 13.686 Tonnen (grün, siehe Grafik unten), doch die Fischereiminister*innen legten eine höhere Fangquote fest (blau). Damit nicht genug: Durch den Beifang von Kabeljau waren die realen Fänge, die in dem Jahr angelandet wurden (grau), deutlich höher als die Fangquote. Zusätzlich gab es eine große Anzahl von Kabeljauen, die illegal zurück ins Meer geworfen wurden (orange).

Zusammengerechnet lag die reale Fangmenge des Nordsee-Kabeljaus im Jahr 2020 um 45 Prozent über den Empfehlungen der Wissenschaft und immer noch 34 Prozent über der offiziell festgelegten Fangquote.

Gesucht: Solidarität für Heringe und Kleinfischerei in der Ostsee

Im Oktober berichtete der BUND bereits über die Schließung der gezielten Fischerei auf Hering in der westlichen Ostsee. Grund war der andauernde katastrophale Zustand des Bestands. Doch um den Bestand zu retten, muss jetzt in der Nordsee mit einer Solidaritätsmaßnahme nachgezogen werden, denn die Heringe halten sich nicht an die menschengemachten Grenzen: Der Ostsee-Hering wandert jedes Jahr durch das Kattegat und Skagerrak bis in die Nordsee, um dort zu fressen. Während der kurzen Zeit, die die Ostsee-Heringe in der Nordsee verbringen, fängt die Fischereiflotte dort riesige Mengen des gefährdeten Bestands zusammen mit den Nordsee-Heringen.

Damit der Hering in der westlichen Ostsee sich erholen kann, ist es unbedingt notwendig, dass die Fischereiminister*innen diese Wanderung und Durchmischung berücksichtigen, wenn sie die Fangquote für den Nordsee-Hering festlegen.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte genau das bei der Festlegung der Ostsee-Fangquote gefordert. Nur durch eine gezielte zeitlich begrenzte Schließung der gesamten Heringsfischerei in dem Durchmischungsgebiet vor der norwegischen Küste haben der Ostsee-Hering und die Ostseefischerei eine Zukunft.

Der BUND fordert zu den Verhandlungen über die Nordsee-Fangquoten:

  • Alle Fangquoten müssen nach den wissenschaftlichen Empfehlungen des ICES festgelegt werden.
  • Bei besonders gefährdeten Beständen, wie dem Nordsee-Kabeljau, müssen zusätzliche Vorsorge-Puffer in die Fangquoten eingerechnet werden, die Beifänge und illegale Rückwürfe, sowie Auswirkungen der Klimakrise einbeziehen.
  • Der Heringsfang muss zeitlich begrenzt vor der norwegischen Küste geschlossen werden, um den Ostsee-Hering im Durchmischungsgebiet zu schützen. 
  • Alle Fischerei und ihre Fangmethoden müssen einer Umweltprüfung unterzogen werden, die neben Auswirkungen auf Lebensräume und Artengemeinschaften auch Klimafolgen einbezieht.

Überfischung Nordsee-Kabeljau

Überfischung Nordsee-Kabeljau
Überfischung Nordsee-Kabeljau
Überfischung Nordsee-Kabeljau

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