Neues Leben, alter Charme: Hiddenhausen kämpft erfolgreich gegen den Leerstand

24. August 2015 | Nachhaltigkeit, Suffizienz

Wir schreiben das Jahr 2015. Ganz Deutschland vergreist, verwaist, verödet. Ganz Deutschland? Nein! Eine Kleinstadt im Herzen Ostwestfalens wehrt sich. Das beschauliche Hiddenhausen macht mit einem scheinbar einfachen, aber wirksamen Förderinstrument zur Gestaltung des demographischen Wandels und zur Eindämmung des Flächenverbrauchs von sich reden. Bei "Jung kauft Alt" ziehen junge Familien in leerstehende Häuser im Ortskern.

Meylip-Uhrenturm vorm Rathaus in Hiddenhausen-Lippinghausen; Foto: FredHellmann / CC0 / pixabay.de Meylip-Uhrenturm vorm Rathaus in Hiddenhausen-Lippinghausen

Von Jan Korte

Die Entwicklung zu Anfang der Nullerjahre in Hiddenhausen scheint typisch für viele Kommunen im ländlichen Raum. Die Alten werden älter, die Jungen ziehen weg, die Häuser bleiben leer. Die Folgen sind wenig überraschend: Fallende Immobilienpreise, verrottende Infrastruktur, zu kleine Schulklassen, fehlende Steuereinnahmen – und am schlimmsten: fehlendes Leben in der Innenstadt. Kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder, denn der demographische Wandel ist hierzulande fast überall voll im Gange und wird nur wenig gestaltet.

Einheitssiedlungen am Stadtrand sind ein schlechter Ausweg

Wie also reagieren? Natürlich: Mit schicken Neubaugebieten, draußen, auf der grünen Wiese. Das ist zumindest der Weg, der typischerweise eingeschlagen wird, wenn Kommunen versuchen, junge Familien anzulocken. Doch ist diese Anreizstrategie wirklich von Erfolg gekrönt? Schon allein der Umstand, dass wir in Deutschland täglich eine Fläche von umgerechnet 113 Fußballfeldern unwiederbringlich versiegeln, macht klar: Nachhaltig ist das nicht. Doch auch potentielle Neubürgerinnen und Neubürger wollen nicht unbedingt teuer bauen und in den immer gleichen Fertighäusern leben. Auch am (innerstädtischen) Leerstand und an Kleinstadtzentren ohne Leben ändert sich so nichts. Darüber war man sich vor zehn Jahren auch im 20.000-Einwohner-Städtchen Hiddenhausen nahe Herford im Klaren.

Neue Wege: Jung kauft Alt

Mit dem Programm "Jung kauft Alt" entschieden sich Politik und Verwaltung für neue Wege. Neue Wege der Suffizienz, um mit dem zu leben, was da ist. Denn wer überlegt, in Hiddenhausen ein über 25 Jahre altes Haus zu kaufen, den lockt ein Gutachten, das den Renovierungsaufwand vorhersehen soll. Hierfür gibt die Gemeinde einen Grundbetrag von 600 €. Diesen stockt sie bei jedem Kind der Interessierten mit 300 € auf – bis zu einem Höchstförderbetrag von 1.500 €. Aber es wird noch besser: Wer das Haus dann tatsächlich kauft und einzieht (das sind ca. vier Fünftel derer, die das Haus begutachten lassen), bekommt einen Zuschuss von der Kommune in Höhe von bis zu 9.000 €. Familien mit Kindern erhalten die größte Fördersumme, doch auch alle anderen profitieren. Das Programm ist so beliebt, dass die vorgesehenen Haushaltsmittel mehrfach aufgestockt wurden. Zurzeit investiert die Gemeinde pro Jahr 270.000 €. Seit Beginn des Programms im Juli 2007 konnten insgesamt 323 alte Häuser den Besitzer wechseln – ein bahnbrechender Erfolg. Somit nennen 612 Erwachsene und 387 Kinder fortan Hiddenhausen ihr neues Zuhause.

Neugeborene im Altbau, Zuzug von überall her

Das heißt: Hiddenhausen hat den Trend zur Abwanderung umgekehrt. Es ziehen jetzt mehr Menschen her als weg. Seit 2010 gibt es keinen einzigen Hektar an neuausgewiesenem Bauland mehr, der Flächenverbrauch ist gestoppt. Neue Kitas mussten für die vielen Neugeborenen und Kleinkinder in den Altbauten eingerichtet werden. Und das junge Leben ist in alte Quartiere zurückgekehrt. Eine beachtliche Wendung, denn dieses Mehr an Lebensqualität, diesen großen Gewinn für die Menschen in Hiddenhausen, den hätte niemand vor zehn Jahren so voraussehen können.

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