Neue Bundesregierung muss Umbau der Nutztierhaltung einleiten

09. Januar 2018 | Landwirtschaft, Massentierhaltung

Der Weg aus der Intensivtierhaltung hin zu artgerechteren Formen ist klar und muss von der neuen Bundesregierung jetzt forciert werden, erklären die Agrarexpert*innen des BUND, Christian Rehmer und Katrin Wenz. Eine staatlich verbindliche Haltungskennzeichnung für tierische Lebensmittel ist dafür zwingend notwendig, das von Agrarminister Schmidt vorgeschlagene Siegel verdient den Namen "Tierwohl" nicht.

Das "Rotbunte Husumer Schwein". Foto: eska2203_Sil / Rotbuntes Husumer Protestschwein / Deutsches Sattelschwein - Red Angeln Saddleback 04. / CC BY-ND 2.0 / flickr.com So sieht artgerechte Tierhaltung aus  (eska2203_Sil / CC BY-ND 2.0)

Die Sondierungsgespräche für die geplante Jamaika-Koalition mögen letzten Endes gescheitert sein, doch im Bereich der Nutztier­haltung schlugen die Unterhändler*­innen der FDP, der Union und den Grünen bereits den richtigen Weg ein. In ihrem Sondierungspapier vom November vergang­enen Jahres einigten sich die Parteien auf eine gemeinsame Agrarpolitik und bekannten sich zum Umbau der Nutztierhaltung. Sie hatten vor "Trendsetter beim Tierwohl" zu werden.

Anstatt in den laufenden Sondierungs­ge­sprächen wieder bei Null anzufangen, müssen Union und SPD dringend an diesen erfolgversprechenden Verhandlungs­stand anknüpfen und ihn in den Verhandlungsrunden weiterentwickeln. Hier gilt es besonders den Umbau der Nutztierhaltung politisch auf den Weg zu bringen und die Intensiv­tierhaltung mit artgerechten Verfahren wie Weide-, Öko- und Neuland-Tierhaltung zu ersetzen. Die SPD-Verhandlungsgruppe muss in den Sondierungsgesprächen auf die Einführung einer verpflichtenden Kennzeichnung drängen, anstatt sich auf die Schmidtsche Freiwilligkeit einzulassen.

Was es braucht: einen klar geregelten Umbauplan

Wie der Umbau der Nutztierhaltung gelingen kann ist spätestens seit März 2015 bekannt. Damals legte der Expertenbeirat des Landwirtschaftsministeriums mit dem Gutachten "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung" einen umfassenden Umbauplan vor. Seitdem wurden jedoch keine der politischen Vorschläge umgesetzt. Die politische Untätigkeit widerspricht dem Wunsch der Bürger*innen: Vier von fünf fordern eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für alle tierischen Lebensmittel, die die Haltungsbedingungen der Tiere offenlegt. Und bereits über 100.000 beteiligten sich an der laufenden BUND-Kampagne "Raus aus der Massentierhaltung".

Die neue Bundesregierung muss den Umbau der Nutztierhaltung mit einem klar definierten Zeitplan beschließen, der finanziell und mit gesetzlichen Rahmenregelungen unterlegt ist. Tierhalter*innen bekommen so die notwendige Planungssicherheit für den Umbau hin zu gesellschaftlich akzeptierten sowie tier- und umweltgerechten Betrieben.

Eine erste wesentliche Maßnahme stellt die Einführung einer staatlich verbindlichen Tierhaltungs­kennzeichnung dar. Union und SPD dürfen bei diesem wichtigen Thema nicht länger auf Zeit spielen, denn fest steht: fehlende Zukunftsperspektiven für Bäuerinnen und Bauern befeuern nur weiterhin den Strukturwandel in den ländlichen Räumen.

Gesellschaftlicher Konsens für die Nutztierhaltung

Der von den Jamaika-Sondierern formulierte Ansatz einen "gesellschaftlichen Konsens für die Nutztierhaltung herzustellen" beschreibt den richtigen Gedanken, den es jetzt gilt umzusetzen. So müssen die Lücken bei den Haltungsvorschriften einiger Tierarten geschlossen werden: Für Puten gibt es beispielsweise bisher lediglich freiwillige Vereinbarungen, bindende Vorschriften fehlen jedoch. Darüber hinaus sollte die Nutztierstrategie zu einem Tierschutzplan fortgeschrieben, eine staatliche Haltungskennzeichnung erst freiwillig und später verbindlich eingeführt und das Töten von Eintagsküken beendet werden.

Umfragen bestätigen: Die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen bevorzugt nicht nur Lebensmittel aus umwelt- und tiergerechter Herstellung, sie sind auch bereit dafür mehr Geld auszugeben. Doch bisher können sie diese Produkte nicht im Ladenregal erkennen. Daher ist die Einführung einer verbindlichen staatlichen Haltungskennzeichnung für Milch, Fleisch und andere tierische Produkte dringend notwendig.

Das staatliche Tierwohllabel von Agrarminister Schmidt greift zu kurz

Das von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt geplante staatliche Tierwohllabel hilft Verbraucher*innen bei der Kaufentscheidung nur wenig: Die von ihm vorgeschlagenen Standards, insbesondere in der Eingangsstufe, sind kaum höher als die gesetzlichen Vorgaben und verdienen den Namen "Tierwohl" nicht. Und: Es steht den Herstellern frei, das Label des Landwirtschafts­ministers auf ihren Produkten zu verwenden.

Anstatt sich auf die Schmidtsche Freiwilligkeit einzulassen, muss die Verhandlungsgruppe der SPD in den Sondierungsgesprächen auf die Einführung einer verpflichtenden Kennzeichnung drängen. Ein Aufdruck mit Qualitätseinstufungen von 0 bis 3 – wie beim Ei – ist dafür am besten geeignet. Es hat zu einem stärkeren Bewusstsein bei Verbraucher*innen geführt und die Haltung von Legehennen in Deutschland grundsätzlich geändert. Infolge von schwindender Nachfrage listeten Supermärkte Eier aus Käfighaltung aus. Diese erfolgreiche Blaupause muss auch bei Milch, Fleisch und anderen tierischen Produkten angewendet werden.

Der Bedarf nach umwelt- und tiergerecht hergestellten Produkten wächst erkennbar. Der notwendige Umbau der Nutztierhaltung muss daher zwingend durch die Einführung einer verbindlichen staat­lichen Haltungskennzeichnung begleitet werden.

Auch der Bundestag ist gefragt

Ganz gleich wie es bundespolitisch in den kommenden Monaten weitergeht, weder CDU/CSU, FDP noch GRÜNE können hinter dem Jamaika-Kompromiss zurückfallen, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Liest man die Wahlprogramme der SPD und der Linkspartei, so fällt auf, dass mittlerweile alle demokratischen Parteien im Bundestag den Umbau der Nutztierhaltung fordern. Der BUND setzt sich weiter dafür ein, dass diese Versprechen nicht auf die lange Bank geschoben und mit freiwilligen Maßnahmen weichgespült werden, sondern von der neuen Bundesregierung schnellstmöglich und ambitioniert umgesetzt werden.

Bereits vor der Regierungsbildung könnten die Fraktionen des Deutschen Bundestages Gesetzes­änderungen vorschlagen. Beispielsweise um die Haltungsverfahren aller Nutztiere in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu regeln oder eine verbindliche, staatliche Haltungskennzeichnung einzufordern.

Mehr Informationen

Informationen und Rückfragen bei:

Christian Rehmer
Leiter Agrarpolitik
Kaiserin-Augusta-Allee 5,
10553 Berlin  
Tel. (030) 2 75 86-473
christian.rehmer(at)bund.net 

Katrin Wenz
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Agrarpolitik
Kaiserin-Augusta-Allee 5,
10553 Berlin  
Tel. (030) 2 75 86- 549
katrin.wenz(at)bund.net

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