Nationale Reserven: Müssen wir neben Gas auch andere Rohstoffe horten?

07. November 2022 | Nachhaltigkeit, Ressourcen & Technik, TTIP / CETA

Die Gasspeicher sind mittlerweile prall gefüllt. Doch die offensichtliche Verwundbarkeit der deutschen Wirtschaft im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine hat eine neue Frage aufgeworfen: Müssen wir strategische Reserven auch für andere Rohstoffe anlegen?

Zinn-Mine in einem Waldgebiet auf Bangka-Belitung; Foto: Milieudefensie Zinn-Mine in einem Waldgebiet auf Bangka-Belitung  (Milieudefensie)

Deutschland ist abhängig von Rohstoffimporten. Das ist in den vergangenen Jahren deutlich geworden. Denn die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben zu starken Verwerfungen auf internationalen Energie- und Rohstoffmärkten geführt. Globale Lieferketten wurden unterbrochen und die Wirtschaft in Deutschland bekam das zu spüren. Besonders problematisch dabei: Wir sind abhängig von autoritären Staaten wie Russland und China. 

Nicht ohne Grund sind die Füllstände der deutschen Gasspeicher noch immer in aller Munde. Denn 90 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gases kommt aus dem Ausland – ein Großteil kam bis vor Kurzem aus Russland. Und seitdem der Gashandel mit dem Land stillgelegt ist, sucht die Ampelregierung unter Zeitdruck nach alternativen Lieferanten – häufig sind das ebenfalls autoritäre oder monarchistische Staaten wie Katar.

Doch die aktuelle Krisensituation beim Gas ist nur die Spitze des Eisbergs. Bei metallischen Rohstoffen ist Deutschland sogar zu 99 Prozenten von Importen abhängig. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass jetzt neu diskutiert wird, einen strategischen Vorrat an metallischen Rohstoffen anzulegen. 

Wo kommen metallische Rohstoffe her?

Der Abbau von metallischen Rohstoffen ist mit vielen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Risiken verbunden. In vielen rohstoffreichen Regionen gibt es Konflikte um Trinkwasser, Landnutzung oder Emissionen. So sind beispielsweise 45 Prozent des in Deutschland verbrauchten Eisenerz aus Brasilien. Dort sind 2019 mindestens 270 Menschen durch eine schwermetallhaltige Schlammlawine getötet worden. Das Trinkwasser der Region wurde dabei verseucht. 93 Prozent des Bauxits, welches zu Aluminium weiterverarbeitet wird, kommt aus Guinea. Die Hälfte der weltweiten Weiterverarbeitung (von Bauxit zu Aluminium) findet in China statt. Beim Abbau kommt es immer wieder zu Landraub und Verschmutzung des Trinkwassers.

Arbeitsrechtsverletzungen führen zu Streiks, Proteste von Anwohner*innen werden zum Teil zu blutigen Konflikten mit Sicherheitskräften, Polizei oder Militär. Gleichzeitig sind Metalle aus unserem Leben nicht wegzudenken. Aktuelle Zukunftsprognosen der Internationalen Energieagentur oder der EU Kommission zeigen, dass wir trotz Ausbau der Kreislaufwirtschaft immer mehr Rohstoffe benötigen. 

Der BUND fordert mehr Transparenz

Das zeigt, sich Reserven anzulegen, bringt neben Chancen auch viele Probleme mit sich. Diese werden in der Debatte bislang allerdings ausgeblendet. Dabei wäre es längst Zeit auch die internationale Gerechtigkeit bei Rohstoffversorgung und -verteilung in den Blick zu nehmen. Ebenso müssen Sozial- und Umweltstandards für den Abbau und Import von Rohstoffen festgelegt werden. Wofür die gehorteten Rohstoffe eingesetzt werden dürfen und von wem, ist bislang ebenfalls ungeklärt.

All diese Fragen dürfen nicht von Industrie und Politik in Hinterzimmern besprochen werden. Wir fordern daher eine demokratische Beteiligung von Gewerkschaften, Wissenschaft, Umweltverbänden und dem Parlament. 

Da eine solche Lagerhaltung sowohl für Deutschland als auch für die EU neu wären hat PowerShift zusammen mit dem BUND ein Diskussionspapier veröffentlicht, in dem Potentiale, Risiken, Herausforderungen und Leerstellen ausführlich beleuchtet werden. Das Diskussionspapier gibt einen Überblick über die Industriepositionen in Deutschland, wirft einen Blick auf die Situation im Ausland und beleuchtet die zivilgesellschaftliche Perspektiven auf das Thema.

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