Im Dezember 2022 erhielt Olaf Scholz von den drei Ministerpräsidenten aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt einen Brief. Besorgt blicken sie auf die Diskussion um einen früheren Kohleausstieg und bestehen auf den Kohlekonsens, der vor fast genau drei Jahren mit der Großen Koalition beschlossen wurde.
Dabei war das Schreiben nur ein getarnter, vorweihnachtlicher Wunschzettel an die Bundesregierung.
Es geht um viel
Wenn der Bund ein früheres Aussteigen möchte, dann soll dieser auch die Rechnung zahlen, so sprechen die betroffenen Länder durch die Blume. Dabei macht die mittelfristige wirtschaftliche Entwicklung an den Energiemärkten einen früheren Ausstieg sehr wahrscheinlich.
Der Wandel in den Regionen wird genauso schwierig wie am Rhein. Die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Förderungen ist spürbar, wenn auch oft überlagert von Emotionen. Braunkohle ist in den Tagebaugebieten der ehemaligen DDR eine Identitätsfrage – das gilt es nicht zu vernachlässigen.
Drei Länder – drei Positionen
Das berühmte brandenburgische Kraftwerk Schwarze Pumpe soll Ende 2038 abgeschaltet werden. Das Land zeigte sich aber zuletzt gesprächsbereit: Unter „bestimmten Bedingungen“ hält die Landesregierung einen früheren Ausstieg für möglich. Brandenburg ist dennoch am weitesten entfernt von einem möglichen Absprung 2030. Die Lausitz scheint mit der Braunkohle zu sehr verwoben zu sein. Dabei zeigen sich hier jetzt schon die harten Folgen des Klimawandels: Seit Mai 2021 herrscht ein Flutungsstopp für die Bergbaufolgelandschaft Cottbuser Ostsee, der bis jetzt nicht aufgehoben wurde. Die Niederschlagsmengen reichen einfach nicht aus. Der auf Tourismus ausgelegte Wandel droht schon früh an den eigenen Taten krachend zu scheitern.
Anders in Sachsen: Dort schwebt das Label „letzte Dorf, dass dem Tagebau zum Opfer fällt“ über Mühlrose im Landkreis Görlitz. Die meisten Bewohner*innen sind aufgrund eines Umsiedlungsvertrags schon weggezogen. Eine Genehmigung zum Abbau ist aber noch nicht beantragt. Ein zweites Lützerath möchte die Landesregierung verhindern; die anhaltenden Proteste zeigen woanders Wirkung. Zuletzt erklärte Wolfram Günther, der grüne Umweltminister von Sachsen, selbstbewusst: "Es wird nichts abgebaggert, was nicht gebraucht wird." – und meint die Energiekrise. Aus der schwarz-grün-roten Koalition gibt es einige Stimmen, die es für sinnvoll halten, die Kohleförderung früher einzustellen – meist mit wirtschaftlichen Argumenten unterfüttert. Der Abbau wird sich schon weit vor 2038 nicht mehr lohnen. Besonders verbindlich klingt das nicht.
In dieser Lage das Ausstiegsdatum 2038 infrage zu stellen, „halte ich für verheerend und naiv“. So äußerte sich Anfang des Jahres Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff. Hier sieht man die Bestrebungen aus Berlin sehr kritisch. Und das, obwohl die Fördermengen der zwei aktiven Gruben viel geringer sind, als in den benachbarten Bundesländern. Im Tagebau Profen ruhen ab 2034 die Maschinen; in Amsdorf wird für die Montanwachs-Produktion jährlich rund eine halbe Million Tonnen gefördert (weniger als 0,5% der gesamtdeutschen Braunkohleförderung). Der harte Widerstand ist ein Stück weit auch politische Rhetorik.
Der Druck steigt
Die Proteste rund um Lützerrath sind wohl erst der Auftakt. Der dortige Ausstiegspfad ist nicht mit den Anforderungen des Klimaschutzgesetzes vereinbar. Selbst das Ausstiegsdatum 2030 ist alles andere als in Stein gemeißelt. Die Hintertür für RWE steht weit offen. Das zeigen unter anderem Berichte, wonach es dem Konzern bis 2033 ermöglicht werden kann, weiter Kohle in Garzweiler zu fördern und zu verfeuern.
Während in Nordrhein-Westfalen schnell unter Ausschluss der Öffentlichkeit Tatsachen geschaffen wurden, steht nun ein langer und öffentlich geführter Konflikt zwischen Bund und ostdeutschen Ländern an. Eine Wende ist möglich und ein Strukturwandel kann beschleunigt werden, wenn der Wille da ist. Es ist jetzt vor allem die Aufgabe der Grünen den Kohleausstieg 2030, immerhin ein zentraler Erfolg der Koalitonsverhandlungen, so umzusetzen, dass nicht die Interessen der Konzerne, sondern des Klimaschutzes maßgeblich sind.
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