Lebensmittelverschwendung: Deutschland braucht bessere Gesetze

27. September 2024 | Ressourcen & Technik, Nachhaltigkeit, Suffizienz, Landwirtschaft

Rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich in Deutschland auf dem Müll. Unsere Nachbarländer gehen diese immense Verschwendung bereits mit entsprechenden Gesetzen an. Höchste Zeit, dass auch Deutschland ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung einführt.

Verschiedenes Gemüse, das nicht der Supermarkt Norm entspricht. Bunte Farben, Formen und Stukturen – Obst und Gemüse ist vielfältig. Krumm schmeckt die Karotte aber genauso gut, wie gerade.  (Foto: Yuliia Chyzhevska via Canva)

Deutschland hat sich Im Rahmen der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verpflichtet, bis 2030 die eigene Lebensmittelverschwendung zu halbieren. Um dieses Ziel zu erreichen, genügt es nicht, an Verbraucher*innen zu appellieren. Alleine auf dem Weg vom Feld zum Kassenband im Supermarkt entsteht bereits fast ein Viertel der Lebensmittelabfälle. Um diese Verschwendung zu reduzieren, braucht es wirksame Gesetze. Unsere europäischen Nachbarländer zeigen, wie es gelingen kann.

So macht es Frankreich

Seit 2016 dürfen französische Supermärkte unverkauften Lebensmittel nicht mehr wegwerfen. Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von über 400 Quadratmetern sind verpflichtet, noch genießbare Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden. Diese Regelung greift auch über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus. Damit ist das Land weltweiter Vorreiter im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.

Trotz seines Vorbildcharakters gibt es jedoch auch in Frankreich weiterhin Lebensmittel, die nicht gespendet werden dürfen. Dazu gehören nicht vorverpacktes Fleisch und Käse, gekühlte Produkte, die verdorben oder beschädigt sind und weitere Lebensmittel, deren Verfallsdatum überschritten ist. Diese Lebensmittel werden in Biogasanlagen zur Energieerzeugung verwertet. Was auf den ersten Blick nach nachhaltigem Abfallmanagement aussieht, verschleiert, dass vorab nicht gut geplant wurde: Überproduktion und Defizite in den Produktions- und Lieferketten lassen die nicht mehr verwertbaren Lebensmittel entstehen.  

Weitere Länder ziehen nach

Auch Tschechien und Italien setzten auf ähnliche Gesetze, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Tschechischen Supermärkten drohen bei Verstößen sogar Strafen von bis zu 390.000 Euro. Italien setzt auf Anreize wie Steuererleichterungen statt auf Strafen.

Wo steht Deutschland?

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Lebensmittelverschwendung verbindlich zu reduzieren. Bisher hat die Regierung aber lediglich Empfehlungen veröffentlicht, die auf freiwilliger Basis beruhen. Auch das „Containern“ ist weiter illegal. Es steht also unter Strafe, noch genießbare Lebensmittel aus den Abfalltonnen der Supermärkte zu retten.

Was muss passieren?

In Deutschland fehlt es an verbindlichen gesetzlichen Regelungen, um die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Dabei gibt es längst viele gute Ansätze:

  • Das Konzept des „Mindesthaltbarkeitsdatums“ (MHD) muss überarbeitet werden. Beim MHD geht es bisher weniger um die tatsächliche Haltbarkeit oder Sicherheit des Produkts, sondern um den Erhalt der bestmöglichen Qualität und den Schutz von Herstellern vor Haftungsfragen. Viele Produkte sind jedoch noch lange über das MHD hinaus genießbar. Dennoch kommt es bei Verbraucher*innen häufig zu Missverständnissen, die zu etwa zehn Prozent der Lebensmittelabfälle führen. Viel sinnvoller wäre es, ein Verbrauchsdatum für leicht verderbliche Lebensmittel einzuführen.
  • Lebensmittel, die Supermärkte nicht verkauft haben, sollten als Spende bei Wohltätigkeitsorganisationen statt in der Tonne landen. Frankreich macht vor, wie das gelingt.
  • Das Containern muss entkriminalisiert werden. Das aktuelle Gesetz muss so angepasst werden, dass das Retten von Lebensmitteln aus den Mülleimern der Supermärkte nicht mehr als Diebstahl gilt, sondern straffrei bleibt.
  • Der Lebensmittelhandel muss mehr Toleranz gegenüber Schönheitsfehlern bei Obst und Gemüse entwickeln. Um die optische Qualitätsnorm zu erreichen werden Landwirt*innen gezwungen, massiv Mineraldünger und Pestizide einzusetzen. Wichtig ist natürlich auch, dass Verbraucher*innen auch die krumme Karotte oder den Apfel mit Schorf kaufen.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft macht vom 29. September bis 6. Oktober mit der Aktionswoche „Zu gut für die Tonne!“ auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam. Die vielen Tonnen verschwendeten Lebensmittel sind in Anbetracht der vielen hungernden Menschen weltweit, der Flächenkonkurrenz und der Ernährungsarmut, die es auch in Deutschland gibt, nicht akzeptabel.

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