Kommentar: Klimapolitik in Europa – was macht die neue Kommission nach der Klimawahl?

04. September 2019 | Klimawandel, Kohle, Energiewende

Ann-Kathrin Schneider, BUND-Expertin für internationale Klimapolitik, kommentiert die Pläne von Ursula von der Leyen zu einem europäischen Klimaschutzgesetz:

Ann-Kathrin Schneider Ann-Kathrin Schneider, BUND-Expertin für internationale Klimapolitik  (Simone Neumann)

"Das ist ja mal ein Ding: Da wird eine ehemalige deutsche Verteidigungsministerin Präsidentin der europäischen Kommission und schlägt als allererstes ein Klimaschutzgesetz und einen "Green New Deal" für Europa vor. Und das Gesetz soll sogar schon in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit kommen – so konkret hat Ursula von der Leyen kein anderes Projekt benannt.

(Erst) am 1. November wird die neue EU-Kommission stehen. Von der Leyen macht somit ordentlich Druck, denn sie gibt ihrem neuen Klimakommissar oder ihrer Klimakommissarin mit der Vorgabe "in den ersten 100 Tagen" nicht mal bis ins nächste Frühjahr Zeit, etwas Verbindliches zum Thema Klima auf den Tisch zu legen.

Doch was meint die Präsidentin eigentlich mit "Green New Deal" und wie soll das europäische Klimagesetz aussehen? Wird es uns den Klimaschutz bringen, den viele bei der Europawahl gewählt haben? Gesetz klingt ohne Frage erstmal gut, denn es heißt, dass etwas rechtlich verbindlich wird. Beim Klimaschutz könnte das zum Beispiel konkret die CO2-Reduktionen betreffen. Aber das, was es momentan an Zielen und Strategien zum Klimaschutz auf europäischer Ebene gibt, ist leider reine Makulatur und sollte in dieser Form nicht in ein Gesetz gegossen werden. Die Ziele für 2030 sind fast zehn Jahre alt, also vor dem Abschluss des Pariser Klimaschutzabkommens formuliert, und enthalten damit viel weniger als einen angemessenen Anteil Europas an der Begrenzung der Klimakrise auf unter 1,5 Grad. Das hat von der Leyen immerhin auch erkannt und sich für eine Erhöhung dieses Ziels ausgesprochen. Sie kündigte ein umfassendes Konzept an, "um das EU-Ziel für 2030 in verantwortlicher Weise Richtung 55 Prozent zu erhöhen". Bisher hatte von der Leyen lediglich versprochen, sie wolle sich auf das Ziel zubewegen, die Treibhausgase um 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Doch auch 55 Prozent sind bei weitem nicht genug!

Von der Leyen hat außerdem gesagt, das Gesetz müsse die Null-Emissionen in Europa bis 2050 festschreiben. 2050 ist jedoch viel zu spät – Europa und alle anderen Industriestaaten müssen schon viel früher, vor 2040, ihre Emissionen ganz zurückfahren, um ihren Beitrag zum Pariser Klimaziel zu leisten.

Daher steckt in dem Vorschlag der neuen Kommissionpräsidentin auch die Gefahr, dass ein zu schwaches Langfristziel festgeschrieben wird und andere Klimaschutzinitiativen stecken bleiben, wenn der Fokus ganz auf dem Prozess zum neuen Klimaschutzgesetz liegt. Denn selbst dieses schwache Ziel festzuschreiben, wird nicht einfach sein, da es viele Mitgliedstaaten gibt, die nicht mal das mittragen wollen. Die Kommission wird diesen Regierungen viel anbieten müssen, um sie zu überzeugen, diese für sie wirklich bittere Pille zu schlucken. Und wenn hier im Gegenzug viel angeboten wird (zum Beispiel Geld), dann bleibt wenig übrig, um die Länder von weiteren Klimaschutzzielen oder Maßnahmen zu überzeugen, oder besser vielleicht: zu überreden.

Und Ursula von der Leyens Ankündigung des Klimaschutzgesetzes birgt ein weiteres Risiko. Da sie selber das Gesetz mit dem Netto-Null-Ziel bis 2050 verbunden hat (d.h. sie will Netto-Null-Treibhausgasemissionen und damit Klimaneutralität bis 2050) verbunden hat, hat sie die Debatte weg von dringlichen Maßnahmen gelenkt hin zu Zieldebatten in weiter Ferne. Kolleg*innen aus Brüssel erzählen, dass tatsächlich alle nur über die Klimaziele bis zur Mitte des Jahrhunderts sprechen, als sei 2050 die einzig relevante Zielmarke und es gäbe nicht auch in naher Zukunft schon dringend sehr viel zu tun.

Tatsächlich brauchen wir nämlich eine Fokussierung der Debatte auf die nächsten drei Jahre statt auf die nächsten 31 Jahre. Jetzt stehen Entscheidungen auf europäischer Ebene an, die für die Auswirkungen der Klimakrise eine entscheidende Bedeutung haben. Das Budget für die EU für die kommenden Jahre wird entschieden, die Landwirtschaftspolitik wird neu justiert, öffentliche Gelder für Infrastruktur, auch für Öl-und Gaspipelines, wird ausgegeben und Handelsabkommen mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima werden debattiert.

Die Europäer*innen haben in der Europawahl ganz klar für mehr Klimaschutz votiert. Jetzt müssen wir darauf schauen, dass die neue europäische Kommission ihre gesamte Politik tatsächlich auf Klimaschutz ausrichtet. Wir dürfen uns nicht mit ein paar Leuchtturmprojekten in weiter Ferne abspeisen lassen, sondern müssen sicherstellen, dass klimaschädigende Politik in allen Bereichen zum Ende kommt. Dafür werden wir als BUND uns gemeinsam mit unseren Kolleg*nnen von Friends of the Earth Europe in den nächsten Monaten einsetzen."

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