Kernfusion – Ein unrealistischer, teurer, strahlender Traum

09. Januar 2023 | Atomkraft, BUND, Energiewende, Ressourcen & Technik, Suffizienz

Alle Jahre wieder kommt die Sensationsmeldung: Endlich sei ein Durchbruch bei der Kernfusion erzielt worden. Von einem richtigen Durchbruch ist die Forschung jedoch noch weit entfernt. Die vermeintlichen Erfolge sind klein – verschlungenes Geld, Zeit und Ressourcen jedoch riesig.

Sonnenaufgang  (pixel2013 / pixabay.com)

Was ist dran an der Zukunftstechnologie Kernfusion? Sprecher des BUND-Arbeitskreises Energie Dr. Werner Neumann klärt die Mythen der Kernfusion auf und erläutert, warum Fusionsenergie wahrscheinlich immer ein Traum bleiben wird.

Trotz 60 Jahre Forschung konnten aufgrund der riesigen technischen und physikalischen Hürden bisher keine signifikanten Erfolge erzielt werden. Ein wirtschaftlich tragbarer Beitrag zur Energieversorgung ist selbst auf sehr lange Sicht nicht absehbar. Allein das internationale Projekt ITER in Frankreich, zu dem auch Deutschland Gelder beisteuert, hat bereits jetzt mehr als 6 Milliarden Euro verschlungen. Bis 2027 soll noch einmal die gleiche Summe investiert werden.

Was ist Kernfusion?

Kernfusion bedeutet grundsätzlich, dass zwei Atomkerne zu einem neuen Atomkern verschmelzen. Damit diese „Fusion“ passiert, müssen bestimmte Parameter gegeben sei. Ist die Masse des neu entstandenen Kerns geringer als die Ausgangskerne, wird Energie freigesetzt. In der Natur ist dieses Phänomen bei Sternen, wie etwa der Sonne, zu beobachten. Schon seit Jahrzehnten versucht der Mensch sich diesen Prozess auch auf der Erde nutzbar zu machen, um Strom zu erzeugen. Zu unterscheiden sind zwei Verfahren, um die Atomkerne auf hohe Geschwindigkeit (Temperatur) zu bringen: Der Einschluss eines Plasmas durch starke Magnetfelder und die Trägheitsfusion durch Beschuss von Brennstoffkugeln mit Laserstrahlen.

Worum geht es beim aktuellen Hype?

In der National Ignition Facility in den USA wurde bei einem Versuchsbetrieb im Dezember 2022 im dortigen Fusionsreaktor vermeintlich mehr Energie erzeugt, als „reingesteckt“ wurde.  Doch schon an dieser Stelle liegt der Fehler in der Berichterstattung: Denn in der Gesamtbilanz des Experiments zeigt sich, dass allein die Energie eines Laserstrahlimpulses 140 kWh benötigte. Letztlich trafen dann 0,5 kWh auf das Ziel und 0,7 kWh wurden freigesetzt. Im Klartext heißt das: Der Fusionsreaktor ist derzeit ein Energiefresser. Und vom Energieaufwand für die gesamte Anlage war noch gar nicht die Rede. Auch die Entwickler*innen rechnen damit, dass es Jahrzehnte dauern dürfte, bis zu einem profitablen und wirksamen Einsatz der Kernfusion – falls der Mensch diesen Durchbruch überhaupt jemals schafft.

Kernfusion weckt falsche Hoffnungen

Wir haben nicht nur eine Klima- und Energiekrise, sondern auch eine Ressourcen- und Naturschutzkrise. Ein Ruf nach grenzenloser Energie und damit grenzenlosem Energieverbrauch verbietet sich von vornherein. Es wird das Bild vermittelt, man müsse nur ein paar Jahre auf die Fusionsreaktoren warten und alles werde gut. Das verschwendet Zeit im Kampf gegen den Klimawandel, die wir nicht haben. Energieeffizienz und Suffizienz sind in erster Linie angesagt.

Und es werden Milliarden Euro Subventionen und Forschungsgelder in falsche Hoffnungen gepumpt, die dann für bereits jetzt verfügbare kostengünstige Lösungen fehlen, wie den schnellen naturverträglichen Ausbau der Erneuerbare Energien.

Eine Welt mit Kernfusion würde zudem bedeuten, dass wir erneut mehrere Großkraftwerke in der Hand großer Kapitalgesellschaften errichten müssten, die die Profite Weniger anwachsen lassen. Sie wären das genaue Gegenteil einer dezentralen Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien, bei denen Bürger*innen vor Ort in die Stromerzeugung eingebunden sind.

Kein Mensch kann aktuell sagen, was eine Kilowattstunde Fusionsstrom kosten würde. Doch es ist anzunehmen, dass bei den hohen Investitionskosten und den komplizierten technischen und physikalischen Prozessen vor, während und nach der Kernfusion, Fusionsenergie deutlich teurer als erneuerbarer Strom wäre. Hinzu käme ein noch größerer Ausbau der Übertragungsnetze zu Lasten der Umwelt, der mit dezentralen Konzepten deutlich gemindert werden kann.

Wer profitiert von Kernfusion?

Für Kernfusionsreaktoren sind Wasserstoffisotope wie Tritium und Deuterium erforderlich. Deuterium muss mit einem erheblichen Energieaufwand aus natürlichem Wasser und Wasserstoff extrahiert und konzentriert werden. Tritium soll aus Beschuss von Lithium mit Neutronen in den Fusionsreaktoren gewonnen werden. Schon dies mindert die Energiebilanz. Doch noch gravierender ist die aktuell eigentliche Anwendung von Tritium: Kernwaffenproduktion. Fusionsforschung ist sozusagen nur ein Nebenprodukt der Waffenentwicklung. Auch das Unternehmen, das den aktuellen Durchbruch erzielt haben will, möchte militärische Nuklearforschung weiterbetreiben. Hinter der Kernfusion steckt also auch das Ziel, Forschungsgelder in militärische Fusionswaffen-Labore zu spülen.

Ist Kernfusion eine saubere Energiequelle?

Kernfusion ist keine „saubere“ Energiequelle, wie häufig behauptet wird. Denn die Reaktionskammer des Fusionsreaktors wird mit radioaktivem Tritium/Deuterium verseucht und die Außenwand zum Abfangen der Neutronen wird aktiviert. Das Innere ist dann so stark verstrahlt, dass Arbeiter*innen Reparatureingriffe nur mit hoher Strahlenbelastung vornehmen können. Diese Nuklide haben zwar im Mittel eine deutlich geringere Halbwertszeit als der Atommüll aus der Kernspaltung. Dennoch fallen auch bei der Kernfusion große Mengen radioaktiver Müll etwa in Form von verstrahltem Beton und Stahl an, der einige 100 bis 1000 Jahre sicher gelagert werden müsste.

Wir fordern

Es braucht eine realistische Bestandsaufnahme zur Kernfusion, die aktuell heißt: Die Forschung ist Jahrzehnte weit weg von einer wirtschaftlichen, sicheren oder verlässlichen Energiequelle. Anstatt unnötig Gelder in vage Technologiephantasien zu stecken, fordert der BUND den zügigen naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien und deren effiziente Nutzung. Wir brauchen jetzt Lösungen in der Klimakrise und dürfen nicht alles in eine ungewisse Zukunft verschieben. Wir sollten auf den größten uns bekannten, natürlichen und funktionsfähigen Kernfusionsreaktor setzten: die Sonne.

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