In weiter Ferne: die "grüne" Chemie

23. Juni 2020 | Chemie, Nachhaltigkeit

Chemiekonzerne sind nicht nachhaltig. Dies belegt eine Rangliste, für die die schwedische Umweltschutzorganisation Chemsec die weltweit 35 umsatzstärksten Chemieunternehmen unter die Lupe genommen hat. Auch deutsche Firmen haben großen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit.

Reagenzgläser Wie nachhaltig ist die Chemieindustrie?  (crsssteve / pixabay.com)

Die Ausgangslage ist erschreckend: Rund zwei Drittel aller Chemikalien, die in der EU hergestellt und verwendet werden, sind gefährlich für den Menschen oder die Umwelt. Doch welche Firmen sind es, die diese Chemikalien in großen Mengen herstellen? Und welche jene, die in die Entwicklung von umweltverträglicheren oder weniger gefährlichen "grünen" Alternativen investieren? 

Um dies herauszufinden, hat die Umweltorganisation Chemsec aus Göteborg den "Chemscore" erarbeitet: eine Nachhaltigkeits-Rangliste der 35 weltgrößten Chemieunternehmen. Sie soll Investoren zeigen, wie grün die einzelnen Konzerne in der Chemieindustrie sind.

Chemsec wollte beispielsweise wissen, wie viele gefährliche Chemikalien ein Unternehmen verkauft. Oder wie viel es in die Entwicklung und Vermarktung sicherer Produkte investiert. Ebenso abgefragt wurde, wie offen die Unternehmen über Inhaltsstoffe in ihren Produkten informieren. Wichtig für die Punktevergabe war zudem, ob und wie oft sich Unternehmen vor Gericht wegen sozialer Ausbeutung oder Umweltskandalen verteidigen mussten.

Trügerische Spitzenplätze für EU-Firmen

Das Ergebnis der Rangliste: Die niederländische Firma DSM ist mit 29 von 48 Punkten am nachhaltigsten aufgestellt. Sie stellt zwar auch gefährliche Chemikalien her, überprüft das eigene Chemikalienportfolio aber auf seine Gefährlichkeit. Zudem entwickelt und verkauft DSM viele sichere Alternativen und muss sich mit keinem Skandal auseinandersetzen.

Insgesamt liegen europäische Firmen in der Bewertung des "Chemscore" vorne oder im Mittelfeld. Das hat auch damit zu tun, dass die EU mit der Chemikalienverordnung REACH seit 2007 das fortschrittlichste Chemikaliengesetz weltweit besitzt. Aber auch REACH ist noch stark verbesserungswürdig: Es fehlen etwa jegliche Vorgaben zur Regulierung der Aktivitäten von EU-Unternehmen außerhalb der EU. 

So gewährt denn auch keine der untersuchten europäischen Firmen einen vollständigen Einblick darin, welche Stoffe sie in anderen Regionen der Welt herstellen. Also dort, wo sie nicht, wie in der EU und den USA, dazu verpflichtet sind, derlei Informationen offenzulegen. 

SAICM will die Chemieindustrie nachhaltiger machen

Um dieser Art von doppelten Standards einen Riegel vorzuschieben, setzt sich der BUND für ein starkes internationales Chemikalienmanagement (SAICM) unter dem Mandat der Vereinten Nationen ein. Das Ziel: Niemand soll mehr lasche Umweltgesetze in ärmeren Regionen der Welt ausnutzen können! SAICM will Umweltsünder nach dem Verursacherprinzip in die Verantwortung nehmen und zur Einhaltung menschenwürdiger Standards entlang ihrer gesamten Lieferketten verpflichten. 

Gerade bei deutschen Chemieriesen gibt es hier noch großen Nachholbedarf. Die beste deutsche Firma im Chemsec-Ranking, die Bayer-Tochter Covestro, hat dort nur 18 Punkte erhalten. Dicht dahinter folgen die BASF und Bayer mit jeweils 14 sowie Evonik mit 13 Punkten. Keines dieser Unternehmen ist dazu bereit, bei der Entwicklung neuer Produkte darauf zu verzichten, sehr gefährliche Chemikalien einzusetzen. SAICM kann das ändern.

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