Hamburg macht’s verbindlich: Leitfaden verbietet Kaffeekapseln, Einwegflaschen & Co in der Verwaltung

25. Mai 2016 | Suffizienz, Nachhaltigkeit

"Nachhaltige Öffentliche Beschaffung" klingt zwar langweilig, ist es aber überhaupt nicht: Mit ihrer Einkaufsmacht können Kommunen erheblich zu Klima- und Ressourcenschutz beitragen und Vorbild für Wirtschaft und Verbraucher*innen sein. Hamburg hat einen ziemlich progressiven Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung für verbindlich erklärt. Wir finden: Ein Vorbild für viele andere Städte und Gemeinden.

Containerhafen Hamburg; Foto: © nmann77 - Fotolia.com Containerhafen Hamburg  (nmann77 / fotolia.com)

Von Jan Korte

Über 450 Milliarden Euro! So viel geben Bund, Länder und Kommunen laut Christlicher Initiative Romero jährlich für Güter, Dienstleistungen und Bauaufträge aus. Das ist eine "gewaltige Nachfragemacht", die noch nicht nachhaltig genug eingesetzt würde. Im europäischen Vergleich sei Deutschland Schlusslicht bei der öko-fairen Beschaffung, sagt Romero-Sprecherin Johanna Finck. Und wenn es dann einmal gute Ideen in Kommunen gibt, bleibt es leider oft bei einfachen Empfehlungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung. Denn das größte Problem in der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung ist die fehlende Verbindlichkeit.

Hamburg legt vor: 250 Millionen Euro nachhaltig investiert

Das hat die Freie und Hansestadt Hamburg Anfang 2016 anders gemacht und entsprechend vorgelegt: Ihre jährlichen Einkäufe im Wert von immerhin 250 Millionen Euro sollen künftig noch stärker nach ökologischen Kriterien geschehen. Zwar waren die Stadtstaaten den anderen Bundesländern in Sachen ökologische Beschaffung immer schon ein wenig voraus, der Hamburger Senat hat jetzt allerdings einen 150seitgen starken Kriterienkatalog beschlossen, der strenge ökologische Standards für Einkauf und Vergabe definiert – vom Druckerpapier über Glühbirnen oder Putzmittel und Wandfarben bis zum Dienstwagen. In einem Leitfaden sind Kriterien wie Lebenszykluskosten, die Reparatur- und Recyclingfähigkeit, die Verpackung, die Klimabelastung und der Ressourcenverbrauch aufgeführt. Sie sollen jetzt neben dem Preis die entscheidende Rolle spielen.

Irrsinn des Kapsel-Kaffees ist in Hamburger Ämtern Geschichte

Absolutes Highlight ist aber die Negativliste im vierten Kapitel des Leitfadens. Sie listet Produkte, die die Hamburger Ämter, Behörden und Einrichtungen künftig nicht mehr kaufen und einsetzen dürfen. Dazu gehören z.B. Kaffeemaschinen mit Alukapseln, Mineralwasser in Einwegflaschen, Einweggeschirr oder chlorhaltige Putzmittel. Besonders die Entscheidung zum Kapselkaffee im Stile des Nespresso ist ein schöner Erfolg. Für viele Menschen ist der Kapsel-Kaffee – auch außerhalb der Hafenstadt – der scheinbar bequemste Weg zum Kaffee zu kommen. Die Hersteller – allen voran der Schweizer Nestlé-Konzern – haben geschafft, woran Kaffeehändler seit Jahrhunderten scheiterten, nämlich ein Kilogramm Kaffee zu Preisen jenseits der 60 Euro in den Einzelhandel zu bringen. Ein Irrsinn! Von der enormen Ressourcenverschwendung und dem umwelt- und gesundheitsschädlichen Aluminium einmal ganz abgesehen.

Signal an Wirtschaft und Verbraucher*innen

Die Kapsel-Kaffee-Entscheidung, die auch schon einige Resonanz in den Medien fand, kann aber auch als starkes Symbol verstanden werden. Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan von den Grünen sieht ein "wichtiges Signal an die Wirtschaft und an Privatleute, künftig ebenfalls noch stärker auf die Folgen einer Kaufentscheidung und auf die Geschichte hinter einem Produkt zu achten".

Trotz Joker: Hamburg bleibt offen für Vorschläge

Großer Wermutstropfen im Hamburger Senatsbeschluss ist die relativ einfache Möglichkeit, einen "Joker" zu spielen:  Wer in der Verwaltung einen Ausweg aus der ökokorrekten Beschaffung sucht, muss meistens nur einen "Begründungsbogen" ausfüllen. Und klar ist auch: Mehr geht immer. So wird z.B. der Einsatz von Plastik im Leitfaden nur unzureichend thematisiert. Warum neben Einwegflaschen nicht gänzlich auf Kunststoffflaschen verzichten?

Aber Hamburg gibt sich auch offen für unsere Vorschläge. Im Vorwort des Leitfadens heißt es: "Anregungen, Verbesserungsvorschläge, Ergänzungen im Umweltleitfaden können gern unter der Mailadresse Umweltleitfaden(at)BUE.Hamburg.de an die zuständigen Stellen weitergeben werden." Na dann! Und rausreden ist jetzt sowieso nicht mehr. Denn neben dem neuen Vorbild in Hamburg gab es im April 2016 eine Reform des deutschen Vergaberechts, bei der die umweltfreundliche Beschaffung gestärkt worden ist. Auf in den Kampf!

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