Giftige Stoffe und Abfälle: Wissenschaftler*innen fordern globalen Chemikalienrat

17. März 2021 | Umweltgifte, Chemie, Ressourcen & Technik, Nachhaltigkeit, Suffizienz

Forscher*innen fordern ein globales Gremium für Chemikalien- und Abfallmanagement. So könnten Gesundheitsrisiken durch giftige Chemikalien minimiert werden. Jetzt ist die Politik gefragt.

Reisbauer sprüht Pestizid  (wuzefe / pixabay.com)

Eine internationale Gruppe von Wissenschaftler*innen fordert ein globales Gremium für Chemikalien- und Abfallmanagement. Das geht aus einem Artikel in dem Fachmagazin "Science" hervor.

"Wir brauchen ein internationales Aufsichtsgremium, um uns mit grenzüberschreitenden Umweltproblemen mit Chemikalien wie Schwermetallen und langlebigen organischen Schadstoffen und mit Abfällen zu befassen", erklärt Zhanyun Wang.

Der Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich ist Hauptautor der Forderung. Der geplante Rat soll politische Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen unabhängig über die Gefahren von giftigen Chemikalien und Abfällen informieren. Außerdem wollen die Wissenschaftler*innen Empfehlungen darüber abgeben, wie Gefahren zukünftig vermieden werden können.

Menschenleben retten und verlängern

Der Rat wäre ein notwendiges Novum. Allein 2017 starben nach Schätzungen 1,3 Millionen Menschen vorzeitig, weil sie mit giftigen Chemikalien in Kontakt kamen. Dazu zählen giftige Substanzen, die Regenjacken wasserabweisend machen, aber auch Krebs verursachen. Hinzu kommen beispielsweise Metalle und andere Giftstoffe aus elektronischen Altgeräten und Autobatterien. Diese belasten insbesondere Menschen in ärmeren Ländern.

Das menschliche Leid ist jedoch nur eine Konsequenz. Dazu kommen die schwerwiegenden Folgen für unsere Umwelt. Pestizide vergiften häufig Tiere und Pflanzenarten und verursachen den Verlust biologischer Vielfalt.

Die Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass sich das Problem in Zukunft verschärft. Immer mehr Chemikalien werden verwendet und dementsprechend steigt auch die Menge giftigen Abfalls. Einige Unternehmen profitieren hingegen von dieser Entwicklung: Der weltweite Umsatz mit Chemikalien, der 2017 knapp sechs Billionen US-Dollar betrug, wird sich nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis 2030 nahezu verdoppeln.

Ähnliches gilt für das Abfallaufkommen: Die Menge an Plastikmüll, die 2025 ins Meer gelangen wird, wird dann voraussichtlich zehnmal höher sein als 2010. Unabhängige Wissenschaft ist notwendig.

Politiker*innen auf unabhängige Forschung und Beratung angewiesen

Dass diese Belastungen ein global zunehmendes Problem darstellen, ist klar. Doch politischen Entscheidungsträger*innen fehlt eine einfache Möglichkeit, sich regelmäßig über neue Erkenntnisse zu informieren. So können sie Probleme weder erkennen, noch lösen.

Die Folgen sind weltweit zu beobachten. "Umweltprobleme sind für industrialisierte Länder als auch für Entwicklungsländer kritisch, wobei Letztere oft zu Mülldeponien für Abfälle anderer Länder geworden sind", warnt der Umweltingenieur Zhang.

Ein globales zwischenstaatliches Gremium aus Wissenschaftler*innen würde helfen, Belastungen für Gesundheit und Umwelt durch Chemikalien und Abfälle zu vermeiden. Vorbilder für so einen internationalen Rat gibt es bereits: Den Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und den Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Service).

Das IPCC wurde 1988 gegründet und hat die weltweite Klimapolitik mit seiner Expertise und seinen Berichten zum Klimawandel vorangetrieben. Das IPBES wurde 2012 gegründet und liefert Erkenntnisse für eine faktenbasierte Diskussion über den Schutz unserer biologischen Vielfalt. Ähnlich könnte ein "Weltchemikalien- und -abfallrat" aussehen.

Natur- und Sozialwissenschaftler*innen, Jurist*innen und Ökonom*innen würde mit ihrem Fachwissen den Blick auf die globalen Probleme mit Chemikalien und Abfällen schärfen. "Solch ein Rat würde Entscheidungsträger*innen unabhängig über den Stand der Wissenschaft informieren", erklärt Mitautor Rolf Altenburger vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.

Umgekehrt können auch Wissenschaftler*innen über politische Fragen und Entscheidungen informiert werden. Diese könnten dann rechtzeitig einschreiten, falls Politiker*innen auf Grundlage falscher Annahmen agieren. Nur so können Gesundheitsgefahren und Schäden an unserer Umwelt langfristig vermieden werden. 

Was muss jetzt passieren?

Um einen solchen Rat einzurichten, braucht es ein politisches Mandat. Das könnte die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) vergeben.

Der BUND unterstützt die Forderungen der Wissenschaftler*innen. Außerdem muss ein solcher Rat für den BUND immer auch den gesamten Lebensweg der Stoffe im Blick haben. Der beginnt bei der Gewinnung der Rohstoffe. Wird etwa Erz abgebaut, um Metalle zu gewinnen, wird Energie benötigt, Landschaften werden zerstört und damit die biologische Vielfalt gefährdet.

Besonderes Augenmerk gilt auch den Produkten, in denen die Chemikalien letztlich landen. Der BUND fordert daher, dass Verbraucherprodukte keine gesundheitsgefährdenden Chemikalien enthalten dürfen. 

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