Die Klimakrise verschärft sich rasant und stellt schon jetzt weltweit Menschen vor existenzielle Probleme, auch im Hinblick auf Landwirtschaft und Ernährung. Ein kontrovers diskutierter Ansatz ist die Neue Gentechnik (NGT). Unternehmen aus der Agrochemie-Industrie versprechen, mit NGT auf komplexe Probleme reagieren zu können. Dabei wollen sie Lösungen nicht nur für die Klimakrise, sondern auch für die Pestizidreduktion, Biodiversität und Welternährung anbieten.
Neues El Dorado für Greenwashing befürchtet
Schnelle Entwicklung klimafitter Pflanzen? Verzicht auf Pestizide, weil Pflanzen resistent sind? Höhere Erträge für die wachsende Weltbevölkerung? Sogar mehr Biodiversität durch im Labor erzeugte Pflanzen? – Das sind die Versprechungen der Neuen Gentechnik. Aber wie viele bestehen den Realitätscheck?
Gemeinsam mit Friends of the Earth Europe haben wir uns die Verheißungen genauer angeschaut und in einer Publikation veröffentlicht.
Beispiel Klimakrise
Eigenschaften wie Toleranz gegen Trockenheit, Hitze oder Nässe beruhen auf vielen Genen, deren Zusammenwirken sehr komplex ist. Sie beeinflussen zumeist mehr als eine Eigenschaft, was die Entwicklung erschwert. Aktuell befinden sich keine mit NGT erzeugten stresstoleranten Pflanzen auf dem Markt oder sind marktreif. Bisher hält die Technologie den Praxistest nicht stand. In Gegenteil: Stattdessen werden Lifestyle-Produkte entwickelt – wie ein Salat, der nicht braun wird, oder Tomaten mit erhöhtem GABA-Gehalt (Gamma-Aminobuttersäure), die als Superfood gegen Bluthochdruck vermarktet werden.
Aufgrund des komplexen Wechselspiels von Genen und Umwelt ist nicht zu erwarten, dass klimafitte NGT-Sorten – wenn überhaupt – schnell verfügbar sind. Dagegen zeigt die klassische Züchtung durchaus Erfolge, beispielsweise bei Gerste, Mais und Bohnen.
Hintergrund
Die Agrarlobby dräng derzeit auf eine schnelle Abschwächung der EU-Gentechnikregeln. Die EU-Kommission hat im Sommer 2023 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der eine massive Abschwächung vorsieht. Sie nimmt die Versprechungen der Agrarindustrie als gegeben hin und schlägt vor, NGT-Pflanzen weitreichend aus Kennzeichnung und Risikobewertung auszuschließen. Ohne Kennzeichnung ist es für Verbraucher*innen jedoch nicht möglich, selbst Entscheidungen zu treffen – ohne Risikobewertung und Rückverfolgbarkeit sind Risiken für unsere Ökosysteme nicht überprüfbar.