Gentechnikgesetz: SPD muss Neufassung durchsetzen und Vorsorgeprinzip schützen

01. Dezember 2016 | Landwirtschaft

"Täuschen und Tricksen" lautet die Devise von Bundesagrarminister Christian Schmidt bei der Novellierung des Gentechnikgesetzes, das er als "eilbedürftig" eingebracht hat. Der Entwurf seines Hauses gaukelt bundesweite Gentech-Anbauverbote vor, die es nie geben wird, und führt in letzter Minute einen Passus zur Deregulierung der sogenannten Neuen Gentechniken ein, der geltendes Recht umdefiniert und das Vorsorgeprinzip aufweicht. Die Verbände erhielten keine Gelegenheit, zu dieser höchst bedenklichen Ergänzung Stellung zu nehmen. Die SPD darf diesen Wählerbetrug nicht mitmachen, fordert die BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer und rät zu einer gründlichen Neufassung des Gesetzes.

Gesetz und Recht. Foto: © Sebastian Duda - Fotolia.com Der BUND fordert die Neufassung verschiedener Paragraphen.  (Sebastian Duda / Fotolia.com)

Ein Gentechnikgesetz, das bundesweite Gentech-Anbauverbote lediglich vorgaukelt, die Nulltoleranz für nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen (GVO) weiter aufweicht und zugleich Schlupflöcher für Konzerne bei neuen Gentechniken schafft, ist nicht im Sinne von Verbraucher*innen und Umwelt.

Dieses Gesetz jetzt im Eilverfahren durch Bundesrat und Bundestag zu schleusen, anstatt eine gründliche Überarbeitung vorzunehmen, darf die SPD-Bundestagsfraktion nicht zulassen. Der BUND fordert eine Neufassung der folgenden Paragraphen.

Neufassung des § 16 f: Bundesweite Anbau-Verbote nach Phase 1 ermöglichen

§ 16 f regelt bundesweite Anbauverbote in der sogenannten Phase 1. Nach EU-Recht haben die Mitgliedstaaten während eines laufenden EU-Zulassungsverfahrens die Möglichkeit, den Anbau einer Gentech-Pflanze für ihr gesamtes Territorium oder für Teile davon zu untersagen. Dafür müssen sie den Konzern, der einen Antrag auf EU-weiten Anbau seiner Gentech-Pflanze gestellt hat, auffordern ihr Hoheitsgebiet vom Anbau auszunehmen und seinen Zulassungsantrag entsprechend zu ändern.

Der BUND hält es für die Umsetzung nationaler Anbauverbote in Phase 1 für vollkommen ausreichend, dass eine Mehrheit der Bundesländer bekundet, keinen Gentech-Anbau auf dem eigenen Hoheitsgebiet zu wollen. Deshalb schlagen wir folgende Änderungen des Gesetzentwurfs vor: Spricht sich eine Mehrheit der Bundesländer für ein Anbauverbot auf heimischem Territorium aus, ist das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) verpflichtet, die Kommission –  und den Konzern – umgehend davon zu unterrichten, dass Deutschland  ein bundesweites Verbot verhängen will. Das Erfordernis, dass sich sechs Bundesministerien im Einvernehmen für nationale Anbauverbote aussprechen müssen, ist ersatzlos zu streichen. Dasselbe gilt für die Verpflichtung der Bundesländer, bereits in der Phase 1 Verbotsgründe liefern zu müssen.

Neufassung der §16 g und  §16 h: Bundesregierung muss Verbote der Phase 2 veranlassen und Verantwortung für Verbotsgründe übernehmen

§ 16 g und § 16 h regeln Verbote der Phase 2. Nach EU-Recht spielen Verbote der Phase 2 dann eine Rolle, wenn ein Konzern ein in Phase 1 ausgesprochenes Anbauverbot nicht akzeptiert oder ein Mitgliedstaat bzw. eine Region nach bereits erteilter EU-Anbauzulassung Verbote aussprechen will.

Ist ein nationales Anbauverbot in der Phase 1 nicht zustande gekommen, weil der Gentech-Konzern seine Zustimmung verweigert hat, sieht der Gesetzentwurf zwei Optionen vor: Die Bundesregierung erlässt eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, oder es werden die Landesregierungen ermächtigt, einen Anbau für ihr Gebiet zu untersagen. Hier erwarten wir eine Änderung des Gesetzentwurfs: Akteur muss ausschließlich die Bundesregierung sein; sie muss das Initiativrecht erhalten, in der Phase 2 nationale Anbauverbote zu veranlassen. Einzelne Bundesländer als Akteure lehnen wir strikt ab. Zum einen würde dies einer Tatenlosigkeit der Bundesregierung Vorschub leisten, zum anderen würde mit Anbauverboten in einzelnen Bundesländern der berüchtigte "Flickenteppich" ausgerollt. Wichtig ist uns zudem, dass Deutschland geschlossen gegenüber einem Gentech-Konzern auftritt und hierfür als Nationalstaat das Klagerisiko auf sich nimmt.

§ 16 h legt fest, dass einzig die Bundesländer Verbotsgründe liefern müssen. Laut Gesetzentwurf beschränkt sich die Rolle des Bundes allein darauf, eine Rechtsverordnung zu erstellen, welche die Verbotsgründe auflistet. Der BUND sieht den Bund in der Pflicht, einen entscheidenden Beitrag dafür zu leisten, dass Deutschlands Äcker frei von gentechnisch veränderten Pflanzen bleiben. Wir schlagen daher eine zentrale Koordinierungsstelle für nationale Gentech-Anbauverbote vor, in Anlehnung an die Monitoringstelle für Biopatente. Diese Koordinierungsstelle  hätte die Aufgabe, die Verbotsgründe der Bundesländer zu bündeln und die Argumente auszuarbeiten, die für bundesweite Verbote sprechen.

Neufassung des § 16 i: Aufhebung von Anbauausschlüssen, -beschränkungen und -verboten nur im Einvernehmen und nach ausführlicher Begründung

Teilt nur eins von 16 Bundesländern mit, dass "zwingende Gründe" für Anbauverbote auf dem eigenen Hoheitsgebiet nicht mehr vorliegen, "soll" das BMEL im Einvernehmen mit fünf Bundesministerien und im "Benehmen" mit den Bundesländern den Gentech-Anbau wieder gestatten. Das ist Umwelt und Verbrauchern nicht zumutbar.

Sollte ein Anbauverbot wieder aufgehoben werden, darf dies nur im Einvernehmen aller Bundesländer und beteiligten Ministerien geschehen – und unbedingte Voraussetzung ist eine ausführliche Begründung, warum die bisherigen Verbotsgründe nicht mehr gelten sollen.

Ersatzloses Streichen des § 26: Keine Aufweichung der Nulltoleranz für nicht zugelassene GVO

Das EU-Recht ist eindeutig: Für nicht zugelassene GVO gilt die Nulltoleranz (Richtlinie 2001/18/EG, Artikel 4, Abs. 5 Satz 2). Eine Behörde muss untersagen, dass ein Produkt, das nicht zugelassene GVO enthält oder aus diesen besteht, weiterhin freigesetzt oder in Verkehr gebracht wird. Schon der bestehende §26 im aktuellen Gentechnikgesetz ist EU-rechtswidrig. Der laut Gesetzentwurf neu einzufügende Absatz 6 ist eine weitere Verschärfung dieses Umstands und  daher ersatzlos zu streichen.

Ersatzloses Streichen des Passus zur Deregulierung Neuer Gentechniken (Begründung, S. 13)

Kurz vor der Verabschiedung im Bundeskabinett am 2. November wurde der Gesetzesentwurf um einen Passus erweitert, der eine Deregulierung der Neuen Gentechniken in Deutschland vorsieht. Er lag den Verbänden nicht zur Stellungnahme vor, und es liegt nahe, dass er ihnen vorsätzlich vorenthalten wurde, weil er geltendes Recht umdefiniert.

Zum einen stellt der Passus dem im EU-Gentechnik- und Umweltrecht verankerten Vorsorgeprinzip ein "Innovationsprinzip" an die Seite. Dieser Begriff ist eine Erfindung der Chemischen Industrie und verfolgt den Zweck, das Vorsorgeprinzip auszuhebeln bzw. zu neutralisieren. Zum anderen legt er den Neuen Gentechniken eine "prozess- und produktbezogene Betrachtung und Bewertung" zugrunde. Das geltende Gentechnikrecht basiert auf einer prozessbezogenen Betrachtung: Wie wurde ein Produkt erzeugt, welcher Prozess liegt ihm zugrunde? Entsprechend sind Produkte als "gentechnisch verändert" kennzeichnungspflichtig, auch wenn sich in ihnen keine fremde DNA mehr nachweisen lässt, etwa Öle aus Gentech-Soja oder Zucker aus Gentech-Zuckerrüben. Dagegen fragt die produktbezogene Betrachtung: Wie sieht das Produkt aus, welche Eigenschaften hat es? Sie dringt seit einigen Jahren immer mehr in die Debatte und dann in die Gesetzgebung ein. Ein aktuelles Beispiel ist die laufende Revision der EU-Ökoverordnung, die garantieren soll, dass das Bio-Endprodukt frei von Pestiziden ist. Der Prozess der Erzeugung tritt in den Hintergrund – und damit auch die Tatsache, dass Biobauern und Biobäuerinnen keine chemisch-synthetischen Pestizide einsetzen, sondern ihre Produkte durch Pestizid-Abdrift etc. aus konventioneller Produktion verunreinigt werden. Dieser Logik folgt auch der Gentechnikgesetz-Entwurf: Bei einigen neuen Gentechniken lässt sich die gentechnische Veränderung nicht zweifelsfrei im Endprodukt nachweisen. Eine produktbezogene Betrachtung würde eine umfassende Regulierung also verhindern und damit den Konzernen in die Hände spielen – auf Kosten des Vorsorgeprinzips, einem Grundpfeiler des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzes.

Informationen und Rückfragen bei:
Heike Moldenhauer
Leiterin Gentechnik
Kaiserin-Augusta-Allee 5,
10553 Berlin 
Tel. (030) 2 75 86-456
heike.moldenhauer(at)bund.net

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