Flugverkehr: Weniger Flüge – mehr Gerechtigkeit

06. Dezember 2021 | Suffizienz, Mobilität

Mit besseren Bahnverbindungen will die Ampelkoalition die Anzahl von Kurzstreckenflügen verringern. Die Hälfte aller Kurzstreckenflüge in Deutschland ließe sich sofort auf die Schiene verlagern. Doch das Klima zu schützen ist bei weitem nicht der einzige Grund, den Flugverkehr einzudämmen.

Flugzeug über den Wolken. Foto: gustavmelin0 / CC0 1.0 / pixabay.com Obwohl moderne Flugzeuge leiser als ältere Modelle sind, hat der Fluglärm durch den rasanten Anstieg des Flugverkehrs zugenommen.  (gustavmelin0 / pixabay.com)

Wäre da nicht die Pandemie. Eine Woche Strandurlaub, ein kurzer Shoppingtrip in Barcelona oder fremde Kulturen auf weit entfernten Kontinenten erkunden – Fliegen macht es möglich! Die Branche boomt: Sie will schon bald wieder auf das Vor-Corona-Niveau kommen und den Flugverkehr weltweit in den nächsten 15 Jahren verdoppeln. Doch der globale Luftverkehr hat einen hohen Preis, den auch und gerade diejenigen zahlen, die kaum oder nie fliegen. 

Businesstrip nach Frankfurt, Kurzurlaub auf den Kanaren 

Der Luftverkehr zeigt wie unter einem Brennglas, wie tief die soziale Ungerechtigkeit zwischen Reich und Arm reicht. Sowohl global als auch innerhalb der EU und in Deutschland ist ein kleiner Teil der Menschen für einen Großteil der Flüge und die damit zusammenhängenden Emissionen und Umweltzerstörungen verantwortlich. So nahmen im Jahr 2018 nur zwei bis vier Prozent der gesamten Menschheit einen internationalen Flug. 

Fliegen ist weltweit vor allem den Besserverdienenden aus der Oberschicht und oberen Mittelschicht vorbehalten. Dabei wird oft übersehen, dass gerade internationales Fliegen nicht nur eine Sache des Geldbeutels, sondern auch des Passes ist. Während Menschen aus der EU in über 180 Länder ohne Visum reisen dürfen, können Menschen aus zum Beispiel Nepal nur 38 und Menschen aus Afghanistan nur 26 Länder besuchen. 

Deutschland ist ein Vielfliegerland: 25 Verkehrsflughäfen sind hierzulande aktuell im Betrieb. Gemessen an den Flügen, die von unserem Land ausgehen, stehen wir an vierter Stelle weltweit. Inlandsflüge, die entweder verzichtbar oder gut mit der Bahn zu machen wären, gehen zu zwei Dritteln auf das Konto von Geschäftsreisen. Auslandsflüge führen meist an Urlaubsorte – die bei der Wahl näherer Urlaubziele ohne Flugzeug erreichbar wären. Dabei zeigt sich auch in Deutschland eine große soziale Kluft: Nach eigenen Angaben fliegen nur acht Prozent der Deutschen dreimal und mehr im Jahr – viele von ihnen jung, gut ausgebildet und mit hohem Einkommen. 

Die Ärmsten bleiben auf der Strecke

Der Luftverkehr gehört zu den größten Klimakillern unter allen Verkehrsmitteln. Allein der von Deutschland ausgehende Luftverkehr stößt jährlich 30 Millionen Tonnen und der innerdeutsche Luftverkehr rund zwei Millionen Tonnen CO2 aus. Hinzu kommen Effekte, durch die die Emissionen des Luftverkehrs – im Vergleich zu bodennahen Emissionen – rund dreimal stärker klimaverändernd wirken. Dazu zählen der Ausstoß von Stickoxiden, Ruß und Wasserdampf in hohen Luftschichten und die damit entstehende Wolkenbildung. Nach einer Studie des Öko-Instituts wird der wachsende internationale Luftverkehr im Jahr 2050 über ein Fünftel der globalen Erderhitzung verursachen – wenn nicht Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Dies ist besonders ungerecht, da die Folgen der Klimaerhitzung – mit dem Anstieg des Meeresspiegels und den Folgen für die Küsten, mit Wirbelstürmen, Dürren, Überschwemmungen – bekanntermaßen die Ärmsten dieser Welt am härtesten treffen. Diejenigen, die nie fliegen. 

Auch lokal wirkt sich der Luftverkehr negativ auf die Gesundheit von Menschen aus. Wegen Lärm und Luftverschmutzung leiden Menschen in der Nähe von Flughäfen z.B. häufig unter chronischen Krankheiten. Und es sind in der Regel Menschen mit niedrigem Einkommen, die dort leben und für die es schwer möglich ist, wegzuziehen. Zugleich sind die Beschäftigten im Luftverkehr oft großem Stress und hoher Gesundheitsbelastung ausgesetzt – bei teils schlechten Arbeitsbedingungen und oftmals Löhnen. 

Auch deshalb ist das Fliegen oft ein Schnäppchen. Billige Ticketpreise sind zudem nur möglich, weil der deutsche Staat den Flugverkehr mit Zuschüssen, Betriebssubventionen und Steuererleichterungen vielfältig subventioniert. So finanzieren wir alle den Luftverkehr mit. Gleichzeitig fehlt das Geld für Bus und Bahn, obwohl die von fast allen Menschen benutzt werden können oder müssen, auch denen mit geringem Einkommen.

Kurzstreckenflüge auf die Bahn verlagern

Natürlich gibt es vereinzelt gute Gründe um zu fliegen. So sorgt der internationale Luftverkehr auch für interkulturelle Begegnungen und ermöglicht weit migrierten Menschen ihre Familien zu besuchen. Wie also kann der Luftverkehr sozial gerechter gestaltet werden? 

Die neue Bundesregierung ist gefragt, Maßnahmen zu ergreifen, um jenen Luftverkehr deutlich zu mindern, für den es – aus ökologischer und sozialer Sicht – keinen guten Grund gibt:

Ticketpreise müssen die realen Kosten besser abbilden. Dafür sollten alle umweltschädlichen Subventionen gestrichen werden und eine Energiesteuer auf Kerosin, eine Mehrwertsteuer auf internationale Flüge sowie eine höhere Luftverkehrssteuer erhoben werden. Eine Preiserhöhung, die vor allem Vielflieger*innen trifft, jedoch für diese auch einfacher zu finanzieren ist. 

Die unwirtschaftlichen Regionalflughäfen müssen schließen. Sie schaffen falsche Anreize und sind dabei hoch subventioniert mit Steuergeldern, die den Kommunen anschließend für Schulen und Krankhäuser oder die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs fehlen. 

Die neue Bundesregierung muss alle Kurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands abschaffen. Bei Bahnverbindungen bis zu vier Stunden entsteht kein Zeitverlust für die Reisenden. Erforderlich ist zugleich ein massiver Ausbau der Bahn: Das Schienennetz muss schnell und gezielt erneuert, ausgebaut und elektrifiziert werden. Ziel muss es sein, bis 2030 alle Kurzstreckenflüge auf die Schiene zu verlagern – und schon bis spätestens 2025 ein europaweites Nachtzugnetz einzuführen. Die Bahn muss auch für längere Strecken zum attraktivsten Verkehrsmittel werden.

Ein solcher Umbau würde auch Mobilitätsmuster verändern: Statt stressiger Businessflüge für einen kurzen Termin oder reine Konsumreisen in die Metropolen Europas sind (auch seit Corona) mehr digitalisierte Arbeitstreffen, mehr Urlaub und Erholung in der Nähe und echte Präsenz vor Ort gefragt. Davon würden alle Menschen und das Klima profitieren!

Mehr Zahlen und Fakten

  • Innerhalb der EU sind die oberen 10 Prozent derjenigen mit dem größten CO2-Abdruck für fast alle Emissionen des Flugverkehrs verantwortlich. 
  • Die Hälfte der globalen Emissionen des Flugverkehrs stammt aus nur sechs Prozent der gesamten Flüge – der Langstreckenflüge.
  • Wäre der globale Luftverkehr ein Land, stünde er 2019 in der Top Ten der Länder mit den höchsten Emissionen.
  • Deutschland gehört neben UK, USA, China und Frankreich zu den fünf Nationen weltweit, in denen am meisten geflogen wird.
  • Nur ein Prozent der Menschheit ist für über 50 Prozent der Emissionen aus dem Flugverkehr verantwortlich.
  • Nach eigenen Angaben fliegen zwei Drittel der Deutschen gar nicht oder nur sehr selten. Rund 30 Prozent fliegen nur ein- bis zweimal im Jahr.
  • Durch die Ausnahme des Kerosins von der Energiesteuer und der Mehrwertsteuer für internationale Flüge entgehen dem Fiskus in Deutschland jährlich mehr als zwölf Milliarden Euro

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