EU braucht dreizehn Jahre, um gefährliche Chemikalien zu verbieten

28. Juli 2022 | Chemie

Eine neue Untersuchung belegt, dass gefährliche Chemikalien in der EU nur sehr langsam reguliert und aus dem Verkehr gezogen werden. Die Zulassung neuer Stoffe hingegen wird häufig im Eilverfahren durchgewinkt – auch wenn Daten fehlen.

Giftstoffe auf Spielplätzen Giftstoffe können etwa in Gummimatten enthalten sein.  (laterjay / pixabay)

Genau 13 Jahre und acht Monate braucht es durchschnittlich in der EU, bis eine Chemikalie offiziell als gefährlich gilt. Erst dann kann sie verboten oder beschränkt werden. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des European Environmental Bureau (EEB), ein in Brüssel ansässiges Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen, dem auch der BUND angehört.

Untersucht haben wir den Weg von insgesamt 1.109 Chemikalien durch alle Regulierungsinstanzen seit Inkrafttreten der EU-Chemikalienverordnung REACH im Jahr 2007. REACH steht für Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien. Für neu angemeldete Chemikalien muss demnach der wissenschaftlich fundierte Nachweis erbracht werden, dass von ihnen keine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht. 

Gefährliche Chemikalien: Schnell zugelassen, langsam reguliert

Aktuell brauchen EU-Behörden durchschnittlich mehr als fünfeinhalb Jahre, um einen gefährlichen Stoff zu klassifizieren und zu kennzeichnen. Weitere fünf Jahre dauert es, um den Stoff dann zu verbieten oder zu beschränken. Vergleichsweise schnell mit rund sechs Monaten geht es dann, bis solche Chemikalien als besonders besorgniserregend ("Substances of Very High Concern, SVHC") eingestuft werden.

Diese langjährige Prozedur steht in krassem Kontrast zu der schnellen Vergabe von Zulassungen für neue Stoffe. Die Behörden sind in der Regel gezwungen, Chemikalien binnen drei Wochen nach ihrer Registrierung zuzulassen. Wie eine umfangreiche BUND-Recherche 2019 aufdeckte, führt das dazu, dass gefährliche Stoffe in großen Mengen vermarktet und millionenfach bei der Herstellung von Alltagsprodukten eingesetzt werden dürfen. Und das, obwohl die notwendigen Daten für eine angemessene Risikobewertung nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang vorliegen.

Chemie-Industrie: Was profitabel ist, bleibt auf dem Markt

Die vom EEB vorgelegten Ergebnisse sind daher keine Überraschung. Wir fordern seit vielen Jahren schnellere und am Vorsorgeprinzip orientierte Verfahren. Die Politik hat an dieser Stelle weitgehend versagt. Sie ist verantwortlich dafür, dass potentiell und nachweislich gefährliche Chemikalien weiterhin massenhaft vermarktet werden und die Gesundheit von Menschen und die Umwelt gefährden. 

Die Industrie tut häufig alles dafür, die Risiken ihrer Produkte zu verschleiern. Dabei werden Lücken im System ausgenutzt, um profitable Chemikalien am Markt zu halten – obwohl diese schädlich sind. Häufig werden systematisch unsolide Daten vorgelegt und Kontrollmaßnahmen vor Gericht angefochten. In über 90 Prozent der vom EEB geprüften Dossiers fanden sich nicht die erforderlichen Daten zur Bewertung von potentiellen Risiken. Sanktionen müssen die Firmen deshalb nicht fürchten. Nur sehr wenige wurden bisher mit Geldstrafen oder Entzug der Marktlizenz belangt.

EU-Kommission muss rechtlich nachjustieren

Nur 224 Chemikalien sind 15 Jahre nach REACH-Einführung auf der Liste der besonders gefährlichen Stoffe zu finden. Dabei hatte die EU-Kommission schon vor vielen Jahren selbst die Zahl der Stoffe, die auf diese Liste gehören, auf 1.400 beziffert. 

Die Umweltverbände gehen von deutlich mehr als 2.000 Stoffen aus. Und nahezu täglich kommen neue hinzu. Schätzungsweise an die 350.000 chemische Stoffe sind derzeit weltweit im Umlauf. Dazu zählen Industriechemikalien, Pestizide, Arzneimittel und nahezu die gesamte Plastikproduktion. Die EU-Kommission ist jetzt gefordert, dies zu ändern. 

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