Es geht ans Geld: Jetzt fordern auch Investor*innen ein Umdenken der Chemie-Industrie

02. Januar 2023 | Umweltgifte

Stoffe aus der PFAS-Gruppe sind praktisch unzerstörbar und stecken in vielen Produkten. Sie sind ein Risiko für Mensch und Natur. Nun machen nicht nur Umweltschützer*innen Druck auf die Hersteller*innen, sondern auch Investor*innen.

Chemiekonzerne tun nicht genug, um weniger gefährliche Substanzen zu produzieren und damit die Risiken für Mensch und Umwelt zu senken. Die Herstellung und Verbreitung von PFAS müsse schnell zurückgefahren werden. Darauf drängen gemeinsam große Investor*innen und die schwedische Umweltorganisation ChemSec. 

Die Ewigkeits-Chemikalie PFAS

PFAS sind wasser-, öl- und schmutzabweisend, sie sind chemisch und thermisch stabil – oder kurz: praktisch und ein gutes Geschäft für Konzerne. Es handelt sich um eine große Gruppe von Chemikalien mit mehreren Tausend Substanzen. Die Stoffe stecken in Textilien und Kosmetika, Pflanzenschutz- und Feuerlöschmitteln und vielen anderen Produkten. In der Umwelt werden PFAS aber kaum abgebaut, schreibt das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite: "Einige PFAS reichern sich in der Umwelt und in Organismen an und wirken zudem gesundheitsschädigend." Menschen und Tiere nehmen sie mit Nahrung und Trinkwasser auf. Die Stoffe verteilten sich im Blutplasma, in der Leber und in den Nieren. Selbst in Polargebieten wurden sie inzwischen in Algen, Seevögeln und Pinguinen nachgewiesen. Und auch unser Niederschlag enthält PFAS.

Herstellern auf die Finger schauen

Die Chemiekonzerne wollen allerdings von solchen gefährlichen Stoffen nicht lassen, zeigt eine Studie der internationalen Umweltorganisation ChemSec mit Sitz in Göteborg. Seit drei Jahren veröffentlicht ChemSec eine Rangliste der weltweit größten Chemiekonzerne auf Basis ihrer Auswirkungen auf die Umwelt und den Umgang mit gefährlichen Chemikalien. Für den ChemScore werden Punkte in verschiedenen Kategorien vergeben, etwa für die Anzahl der gefährlichen Substanzen im Portfolio des Unternehmens. Die Organisation orientiert sich dabei an der Einstufung der EU-Chemikalienagentur ECHA für "besonders besorgniserregende Stoffe". Als solche gelten Substanzen, die zum Beispiel krebserregend sind, das Erbgut verändern und besonders langlebig sind wie die PFAS, sagt ChemSec-Expertin Sonja Haider. Für jeden Konzern werden die Ergebnisse detailliert veröffentlicht.

Am besten schneidet demnach in diesem Jahr die thailändische Firma Indorama mit 30 Punkten ab. Die volle Punktzahl von 48 erreicht keiner der 54 Konzerne. In der Liste finden sich auch deutsche Konzerne wie BASF (Platz 19), Bayer (Platz 39) und Covestro (Platz 10). Nur vier Unternehmen haben laut ChemSec eine Ausstiegsstrategie für gefährliche Stoffe.

"Auch ich habe PFAS im Blut"

Entsprechend harsch fällt das Urteil von ChemSec-Expertin Haider über die Bemühungen der Konzerne aus: Die weltweite Chemieindustrie verschließe die Augen vor der sich ausbreitenden Verschmutzung durch Chemikalien. "Die meisten Unternehmen ergreifen kaum oder gar keine Maßnahmen, um gefährliche Chemikalien aus dem Verkehr zu ziehen, trotz der Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Umwelt und den Unternehmenswert." Haider hat sich testen lassen: "Auch ich habe PFAS im Blut", sagt sie.

Acht Billionen Dollar verwaltetes Vermögen

Auch Investoren zeigen sich besorgt. In den USA häufen sich die Klagen gegen Konzerne im Zusammenhang mit PFAS, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. In einem Brief von 47 Fondsmanager*innen, die zusammen für ein verwaltetes Vermögen von acht Billionen Dollar stehen, werden Chemiekonzerne zu mehr Transparenz aufgefordert. In der EU müssen Unternehmen Chemikalien bereits registrieren lassen und Angaben zum Verbleib in der Umwelt machen. Das müsse global gelten. Außerdem müssen Firmen aktiv Ausstiegsstrategien formulieren.

Der Druck auf die Konzerne aus den Reihen der Investor*innen wächst, nicht nur von solchen, die das Schreiben unterzeichnet haben. Die Gefahren, die mit der Produktion und Verarbeitung von PFAS einhergehen, seien groß, sagt Martina Weber, Nachhaltigkeitsanalystin bei Union Investment: "Die langfristigen Schäden für Mensch und Natur sind immens." Bestimmte PFAS haben ihr zufolge vor allem in den USA Boden und Grundwasser in "großem Ausmaß" verseucht. Die Hauptproduzenten von PFAS schließe Union Investment für seine nachhaltigen Publikumsfonds daher aus.

Mehr Informationen

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb