Einfach mal abschalten

05. März 2015 | Energiewende, Suffizienz, Nachhaltigkeit

Arm, aber suffizient: Moers will mit der "Nachtabschaltung" von Straßenlaternen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Nachtbeleuchtung in der Stadt

Von Jan Korte

Christian Voigt wirkt nicht wie ein ängstlicher Mann. Als Mitinitiator der Bürgerinitiative "Licht an!" braucht es schließlich Mut, um für ein strittiges Anliegen in der Öffentlichkeit zu werben. Doch Angst ist das zentrale Thema, mit dem eine emotionale Debatte um die Moerser Straßenbeleuchtung geführt wird. Die verbraucht viel Strom und ist teuer.

Die Stadt Moers, im Westen Nordrhein-Westfalens, versucht mit dem Konzept "Nachtabschaltung" nun dagegen vorzugehen. Das Ziel: Energie sparen und gleichzeitig Kosten sparen.

Wie aus dem Suffizienz-Bilderbuch

An sich klingt das Einschränken von nicht zwingend notwendiger Straßenbeleuchtung wie eine Idee aus dem Suffizienz-Bilderbuch: Für zwei Stunden, zwischen 1 Uhr und 3 Uhr 30, wird die Nachtabschaltung seit September 2014 in Moers sukzessive eingeführt. Ausnahmen gibt es für die Nächte vor  Samstagen, Sonn- und Feiertagen sowie für Fußgängerüberwege und Gefahrenstellen. Jährlich sollen damit 125.000 Euro sowie 600 Tonnen CO2-Äquivalent eingespart werden. So weit, so sparsam. Allerdings hatte der Rat der Stadt Moers nur vor dem Hintergrund eines "Nothaushaltes" die Stadtverwaltung 2012 damit beauftragt, umfangreiche Einsparpotenziale zu benennen.  Andere Maßnahmen, wie beispielsweise der Einsatz energiesparender Leuchtmittel, das Dimmen von Straßenbeleuchtung, das Abschalten jeder zweiten Laterne oder die Beleuchtung später einzuschalten und früher auszuschalten, sind laut Verwaltung weit weniger geeignet, um absolute Einsparungen zu erreichen.

Widerstand von unten: Licht an in Moers!

Womit die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung bei der Einführung der Maßnahme allerdings nicht gerechnet hatten, war der Widerstand von Christian Voigt und seinen Mitstreitern von "Licht An! in Moers" seit dem Beschluss Anfang 2014. Ebenso wurden bereits mehrere Bürgeranträge in Moers gegen die Nachabschaltung gestellt. Denn die erste Frage, die sich beim Abschalten von nächtlichem Licht in der Stadt automatisch stellt: Ist es noch sicher genug, alleine durch die Straßen zu gehen? Voigt verneint und zählt die Vorbehalte auf, die er glaubt, bei den Bewohnern der 100.000-Einwohner-Stadt auszumachen: Angst, im Dunkeln auf die Straße zu gehen, Angst vor Einbrechern und Autoknackern, Angst um die Kinder.

Sicherheit vs. Sicherheitsempfinden: Was ist wichtiger?

Doch was passiert wirklich, nachts, auf den dunklen Straßen? Die Antwort wird uneindeutig, zieht man Erkenntnisse aus Kriminalforschung und Sozialpsychologie hinzu: Schließlich sind Sicherheit und Sicherheitsempfinden zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Liest man die Ausführungen auf Christian Reinboths Wissenschaftsblog, so hatte ein vergleichbares Abschaltungsprogramm in Rheine laut einer Untersuchung der FH Münster keinerlei erkennbare Auswirkungen auf die Einsatzzahlen der örtlichen Polizei. Auf vermehrte Diebstähle in Moers angesprochen, sagt Sabine Vetter, Pressesprecherin der zuständigen Kreispolizei in Wesel Anfang 2015: "Dass Einbrecher und Diebe nachtaktive Wesen sind, ist tatsächlich ein verbreiteter Glaube, der durch die Kriminalstatistik nicht bestätigt wird.  Die meisten Einbrüche passieren zur Tageszeit". Gleichzeitig ist Licht essentiell, um das subjektive Sicherheitsempfinden von Menschen in der Nacht zu verbessern. Dies zeigt eine Studie von Atkins, Husain & Storey aus den 1990er Jahren mit dem Beispiel eines Londoner Stadtteils, wo die Installation von 3.500 besonders hellen Straßenlampen zu einem starken Anstieg des Sicherheitsempfindens führte.

Die Politik im chronisch finanzklammen Moers hat sich jedoch für die objektiv messbaren Kennzahlen entschieden: Sicherheit unverändert, Geld gespart, ökologisch gehandelt. Und da soll noch mal einer sagen, dass man für suffizienzpolitische Maßnahmen viel Geld benötigt...

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