Ein Dorf hat eine Idee – und erobert damit ganz Deutschland

08. Juni 2016 | Nachhaltigkeit, Suffizienz

Es ist fast zu schön, um wahr zu sein. Ein kleines Dorf in Nordrhein-Westfalen mit dem knuffeligen Namen Hiddenhausen hat eine Idee. Dazu, wie man einer schrumpfenden Bevölkerung, aussterbenden Innenstädten und unnötigen Neubaugebieten auf der Grünen Wiese Einhalt gebieten kann. Herausforderungen, mit denen die große Mehrheit der Kommunen in Deutschland zu kämpfen hat.

Mädchen auf dem Weg zur Schule; Foto: VYCHEGZHANINA / iStock.com  (VYCHEGZHANINA / iStock.com)

Von Almut Gaude

Die Hiddenhausener sind findig: Man bietet jungen Familien eine Förderung beim Kauf von alten, leer stehenden Häusern und für ein entsprechendes Altbaugutachten an. Dann nennt man diese Förderung sehr eingängig "Jung kauft Alt" und peng! hat es Hiddenhausen mit der Umsetzung dieser Idee seit dem Jahr 2007 nicht nur geschafft, die Abwanderung zu stoppen und umzukehren, seine Einwohnerschaft zu verjüngen, den Flächenverbrauch für Neubauprojekte zu stoppen, die Immobilienpreise zu stabilisieren, Infrastruktur wie Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten und ÖPNV im Kreis zu sichern und mehrfache Preise in Sachen nachhaltiger Kommunen, Land der Ideen etc. abzusahnen – nein!

Die Hiddenhausener Idee verbreitet sich inzwischen auch noch wie ein Lauffeuer in ganz Deutschland. Ob Emden in Niedersachen, Alheim in Hessen, Steinhagen in Westfalen, die Hohe Börde in Sachsen-Anhalt oder Villingen-Schwenningen in Baden Württemberg – die Liste der Kommunen, die das Förderprogramm "Jung kauft Alt" eingeführt haben oder dies planen ist endlos lang. Allein 50 Kommunen haben die Hiddenhausener "Jung kauft Alt"-Erdenker bei einer ersten Kurz-Recherche gefunden. "Und ich führe nach wie vor wöchentlich mehrere Telefonate mit Kommunen aus ganz Deutschland, die das Förderprogramm ebenfalls bei sich einführen wollen", so der Amtsleiter für Gemeindeentwicklung in Hiddenhausen, Andreas Homburg.

"Jung kauft Alt" macht es Bewerbern leicht: In seiner Hiddenhausener Urform (von Kommune zu Kommune wird diese auch abgewandelt) sieht die Förderung folgendes vor: Wer überlegt, in Hiddenhausen ein über 25 Jahre altes Haus zu kaufen, der bekommt für ein Gutachten, das den Renovierungsaufwand vorhersehen soll von der Gemeinde einen Grundbetrag von 600 €. Diesen stockt sie bei jedem Kind der Interessierten mit 300 € auf – bis zu einem Höchstförderbetrag von 1.500 €. Wer das Haus dann tatsächlich kauft und einzieht (das sind ca. vier Fünftel derer, die das Haus begutachten lassen), bekommt einen Zuschuss von der Kommune in Höhe von bis zu 9.000 €. Familien mit Kindern erhalten die größte Fördersumme.

In Emden, wo das Programm "Jung kauft Alt" seit 2014 läuft, übertrifft die Nachfrage für die Förderung das Angebot bei weitem. Die diesjährigen Fördermittel sind ausgeschöpft, für die im kommenden Jahr gibt es bereits eine Warteliste von Antragstellern. Auch in Steinhagen/Westfalen, wo die Förderung im Jahr 2011 eingeführt wurde, ist man mit der Nachfrage "gut zufrieden". Jährlich könnten 15 alte Immobilien verkauft werden, zwei Drittel der Antragsteller seien neu zugezogen, so Stefan Hellweg, Mitarbeiter der Gemeinde Steinhagen: "Die Familien stärken als Steuerzahler und mit ihrer Kaufkraft die Gemeinde und ihre Kinder sichern durch den Besuch von Kindertagesstätten und Schulen die örtlichen Strukturen. Man kann von einer Win-win-Situation für beide Seiten sprechen."

Nun ist es ja nicht so, dass es vor "Jung kauft Alt" nicht andere Förderprogramme beispielsweise für die Sanierung von Altbauten gegeben hätte. Warum aber ist dieses nun so erfolgreich? Für Wilhelm Lücking von der Stadtplanung in Emden ist es die Schlichtheit der Idee, die die Menschen überzeugt: "Das Programm ist so attraktiv weil es so unkompliziert ist", sagt er. Bei anderen Förderanträgen scheiterten Interessierte teils schon beim Ausfüllen der komplizierten Antragsformulare. Hier aber gebe die einfache Förderung den entscheidenden kleinen Stups, um tatsächlich in einen Altbau zu investieren. Dem pflichtet Stefan Hellweg bei: "Da das Programm sehr unbürokratisch gehalten ist, ist das sicherlich neben den attraktiven Fördergeldern auch ein wichtiger Grund, warum es so gut angenommen wird."

Bei der unglaublichen Reichweite und den vielen positiven Resultaten der Idee "Jung kauft Alt" stellt sich die Frage, ob nicht der Bund das Engagement der Kommunen unterstützen will. Auf Anfrage im Bundesbauministerium bescheinigt dieses, dass es bereits Beratungsangebote und Sanierungszuschüsse für Altbauten in städtebaulichen Fördergebieten gäbe, wodurch die Eigentümer und Nutzer dieser Gebäude finanziell unterstützt werden. Erwerbszuschüsse an Private seien hingegen verfassungsrechtlich unzulässig. "Der Bund begrüßt es aber, wenn die Idee 'Jung kauft Alt' bundesweit größere Verbreitung findet. Damit können besonders in kleineren Städten und Gemeinden attraktive Ortskerne erhalten werden", so ein Ministeriumssprecher.

Vielleicht braucht es ja auch nicht immer den Bund: Hiddenhausen ist ja das beste Beispiel, wie man vor Ort unkompliziert bahnbrechende Erfolge in Richtung Nachhaltigkeit und lebenswerte Städte erreichen kann. Hut ab und weiter so!

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