"Die Zukunft ist kleiner, leichter und sparsamer"

17. Mai 2018 | Mobilität, Nachhaltigkeit

Rede von BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg bei der Hauptversammlung der BMW AG am 17.5.2018 in München. Es gilt das gesprochene Wort!

Jens Hilgenberg BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg  (Sebastian Hennigs)

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, meine Damen und Herren,

mein Name ist Jens Hilgenberg und ich spreche für den BUND e.V. und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Die Zeit, in der BMW AG sagen konnte, dass sie mit dem Diesel-Abgasskandal nichts zu tun habe und niemals illegal manipuliert worden sei, ist endgültig vorbei. Seit drei Wochen wissen wir jetzt ganz offiziell: Auch bei BMW-Modellen hat das Kraftfahrtbundesamt unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt. Mit der Folge eines offiziellen Rückrufes für die betroffenen Modelle um die "Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge wiederherzustellen".

Vorschriftsmäßigkeit ist in diesem Zusammenhang von unterschiedlichen Akteuren ein sehr unterschiedlich ausgelegter Begriff. Dem zuständigen Bundesverkehrsministerium reicht es aktuell, dass die Fahrzeuge ihre jeweiligen Schadstoffgrenzwerte auf dem Prüfstand im Labor einhalten. Die Schadstoffmengen, die von den Fahrzeugen real im Verkehr auf der Straße ausgestoßen werden, stehen aktuell nicht im Fokus der Politik. Das führt dazu, dass auch ein Großteil der Diesel-Pkw, die jetzt gerade als Neuwagen aus der BMW-Welt fahren, einen Nachweis über die Wirksamkeit ihrer Abgasnachbehandlung schuldig bleiben. Fahrzeuge, die im Realbetrieb auf der Straße mitunter deutlich erhöhte Stickoxidwerte aufweisen, fahren in München direkt auf den mittleren Ring, an dem gleichzeitig auch die Luftmessstation mit dem deutschlandweit höchsten Grenzwertüberschreitungen liegt.

Fast doppelt so hoch wie gesetzlich erlaubt war 2017 der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid in der Landshuter Allee in München. Und die dort fahrenden BMW-Diesel-Fahrzeuge der Abgasstufen Euro 4, 5 und auch 6 tragen dazu bei. Zwar hat BMW, anders als beispielsweise Volkswagen, bereits eine große Zahl von Modellen, die mit der neuesten Abgasnorm Euro 6d-temp bei den Händlern stehen, aber dennoch müssen sich Vorstand und Aufsichtsrat fragen lassen, wie sie es vertreten können, weiterhin fabrikneue Autos an die Kund*innen zu verkaufen, die eben nicht dieser neuesten Abgasnorm entsprechen.

Das BMW-Diesel-Rücknahmeversprechen mit dem aktuell geworben wird, ist für mich ähnlich wie die angekündigten freiwilligen Softwareupdates für Euro 5 Diesel einzuschätzen. Eigentlich sollen diese Maßnahmen die Kund*innen beruhigen, stattdessen sorgen sie aber vielmehr dafür, die Kund*innen weiter zu verunsichern. Solche Maßnahmen sind aus meiner Sicht nur notwendig, wenn von Seiten des Konzerns Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verbauten Systeme bestehen. Dass wir als BUND die BMW AG, wie andere Hersteller auch, auffordern, alle Fahrzeuge ob Neuwagen oder Bestand technisch so nachzurüsten, dass sie ihre gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte auch beim Betrieb auf der Straße einhalten, versteht sich in diesem Zusammenhang ja fast von selbst. Hier kann von einem Premiumhersteller wie BMW erwartet werden, dass wirksame Lösungen zur Reduzierung der hohen Stickoxid-Emissionen entwickelt werden und Kund*innen nicht mit wenig wirksamen Software-Updates abspeist werden, welche die Kund*innen zudem nicht vor den von BMW mitverursachten Fahrverboten bewahrt.

Die BMW AG hat sich über zwei Jahrzehnte mir anderen deutschen Autoherstellern über Details zur Fahrzeugentwicklung, zu Preisen und Zulieferern abgesprochen.

Die klarsten Indizien auf wettbewerbswidrige Absprachen sehen die Kartellwächter bei der Größe der Adblue-Tanks. Möglichst klein sollten diese sein und trotzdem bequem für die Nutzer*innen. Ein Anspruch, der sich offenbar nicht mit Gesundheits- und Umweltschutz vereinbaren ließ.

Und auch ein weiterer Anspruch läuft Gefahr nicht verwirklicht zu werden. Nämlich der, weltweit alle gesetzlichen Vorgaben zu Verbrauch und CO2-Ausstoß einzuhalten und  Strafzahlungen zu vermeiden. Mit 127,9 Gramm pro Kilometer CO2 im Schnitt aller 2017 verkauften BMWs, ist man in Europa vom Ziel 95 Gramm in 2021 zu erreichen noch ein gutes Stück entfernt.

Statt immer größere, schwerere und leistungsstärkere Modelle wie einen BMW X8 auf den Markt zu bringen, sollte der Vorstand zukünftig vermehrt auf neue Fahrzeugkonzepte setzen, die kleiner, leichter und sparsamer sind. Wichtig ist dabei, dass keine falschen Hoffnungen und Erwartungen geweckt werden.

Es reicht nämlich nicht, Geländewagen oder schwere Limousinen zukünftig einfach mit Strom statt mit Benzin oder Diesel anzutreiben. Und noch schwerer wird die Enttäuschung bei den Fahrzeugen mit Plug-in Hybriden an Bord sein. Unrealistisch niedrige Papierwerte für Verbrauch und CO2-Ausstoß geben den Kund*innen ein trügerisches Bild, das in den meisten Fällen nicht viel mit der Realität zu tun haben wird. Passen Sie auf, dass sie dadurch nicht das Vertrauen der Kundinnen und Kunden zerstören.

Denn am Ende entscheidet die Gesamtbilanz bei Herstellung und Nutzung über die Umweltfreundlichkeit eines Fahrzeugs. Rohstoffe und Energie einsparen ist das Gebot der Stunde  und daran sollten sich Vorstand und Aufsichtsrat orientieren.

Und sie können noch dieses Jahr zeigen, wie ernst Ihnen der Klimaschutz und der Umbau des Konzerns sind. Und zwar indem Sie sich klar und öffentlich für ambitionierte CO2-Grenzwerte in Europa für die Jahre 2025 und 2030 einsetzen. Ihre Ankündigungen in Sachen Ausbau der E-Flotte wären mit deutlich schärferen gesetzlichen Vorgaben kompatibel; vorausgesetzt sie wollen die angekündigten Elektroautos nicht hauptsächlich in Asien und Nordamerika verkaufen. Ich hoffe jedenfalls, dass ich zukünftig nicht immer öfter lesen muss, dass die Produktion dem Markt folgt und BMW moderne Fahrzeuge vermehrt nicht mehr in Europa produziert.

In ihrem Nachhaltigkeitsbericht schreiben Sie, dass sich die BMW AG den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, kurz SDG, verpflichtet sieht.

Dazu und den anderen von mir angesprochenen Aspekten habe ich einige Fragen:

  • Von welchen Herstellern bezieht BMW Katalysatoren oder Katalysatorteile und gehört auch BASF zu den Lieferanten? Wenn ja: Ist Ihnen bekannt, dass BASF die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette gegenüber seinem britisch-südafrikanischen Platin-Lieferanten Lonmin vernachlässigt? Was tut BMW, um die Sorgfaltspflicht innerhalb der Platin-Lieferkette und bei anderen Konfliktmineralien zu gewährleisten?
  • Kam oder kommt bei Fahrzeugen der BMW AG spezielle Software zur Schadstoffregulierung zum Einsatz, die aufgrund von Geschwindigkeit oder Beschleunigungswerten Prüfsituationen erkennt?
  • Gibt es Pläne der BMW AG, die Besitzer von Euro-5-Dieselfahrzeugen des Konzerns bei der Nachrüstung mit wirksamen Abgasnachbehandlungssystemen zu unterstützen? Wenn ja, wie soll diese Unterstützung aussehen und wird zur Finanzierung eine Reduktion der Dividende in Betracht gezogen? Wenn nein, warum nicht?
  • Wie hoch sind die Rückstellungen, die Sie für den Fall von Bußgeldzahlungen, Entschädigungen, Rückkäufen oder Nachrüstungen gebildet haben?
  • Wie ist das prozentuale Verhältnis zwischen den Abgasnorme Euro 6, Euro 6d-temp und Euro 6d bei den in Europa 2017 zugelassenen Dieselfahrzeugen der Marken BMW und Mini?
  • Wie viele außergerichtliche Einigungen hat die BMW AG mit Kund*innen in Europa getroffen, die die BMW AG oder deren Haupthändler bezüglich Fahrzeugrückgabe, -tausch, Nachbesserung oder Entschädigung seit Herbst 2015 verklagt haben und wie hoch war die durchschnittliche Auszahlungssumme bei diesen Vergleichen?

Vielen Dank!

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