Der Think Tank "Club of Rome" hat einen neuen Bericht vorgestellt, der am Dienstag in deutscher Fassung erschienen ist. In "Earth for All" geht es um nichts weniger als die wichtigsten Maßnahmen, mit denen eine lebenswerte Zukunft der Menschheit noch möglich wäre.
Es ist noch nicht zu spät – das vermittelt der Bericht, Ergebnis einer zweijährigen Forschungszusammenarbeit vieler Fachleute, sehr eindringlich. Die vorgeschlagenen Lösungen sind gut nachvollziehbar und oft sehr konkret. Es sind große Ziele, die die Expert*innen für unverzichtbar halten – unmöglich zu erreichen aber sind sie nicht, wie die Gruppe an Beispielen für schnellen Wandel verdeutlicht.
Die Autor*innen benennen "fünf außerordentliche Kehrtwenden", die in den kommenden Jahrzehnten vollzogen werden müssten: Beendigung der Armut, Beseitigung der eklatanten Ungleichheit, Ermächtigung (Empowerment) der Frauen, Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems und Übergang zum Einsatz sauberer Energie.
Daten mit modernster Technik gestützt
Doch die Modellrechnungen der Wissenschaftler*innen zeigen auch, wird der derzeitige politische und ökonomische Kurs beibehalten, steuert die Menschheit auf eine weiter wachsende Ungleichheit zu. Soziale Spannungen seien eine Folge. Zudem untergrabe Ungleichheit Vertrauen und erschwere es demokratischen Gesellschaften, langfristige kollektive Entscheidungen zu treffen, die allen zugutekommen und entsprechend von allen akzeptiert werden können. Die globale Durchschnittstemperatur werde in diesem Fall um weit über zwei Grad steigen, weit über die im Pariser Klimaabkommen ausgehandelte und von der Wissenschaft als rote Linie gesetzte Grenze, die keinesfalls überschritten werden darf. Weite Teile des Erdsystems drohten klimatische und ökologische Kipppunkte zu überschreiten – mit unabwendbaren Folgen über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende.
"Wir wissen, dass die reichste Milliarde Menschen 72 Prozent der globalen Ressourcen verbrauchen, während es bei den ärmsten 1,2 Milliarden nur 1 Prozent sind", heißt es im Buch. "Die meisten natürlichen Ressourcen fließen also in den Konsum der reichsten Gesellschaften, die allerdings nur einen Bruchteil der Konsequenzen tragen – eine zutiefst ungerechte Situation." Ein extremes Maß an Ungleichheit sei äußerst destruktiv, "auch für die Reichen", so die Warnung. "Es begünstigt Verhältnisse, die für alle gefährlich sind."
Als ein Mindestziel für die Kehrtwende für mehr Gleichheit wird bei den Einkommen zum Beispiel angegeben, dass die reichsten 10 Prozent eines Landes über weniger als 40 Prozent des Nationaleinkommens verfügen sollten. «Das heißt, dass vier arme Personen gemeinsam das gleiche Jahreseinkommen haben wie eine Person aus der Gruppe der reichsten 10 Prozent.»
Immer weniger Wildtiere – dafür Zuchtgeflügel
Im Kapitel zum nötigen Wandel des Ernährungs- und Agrarsystems heißt es, dass derzeit mehr als 821 Millionen Menschen unterernährt sind – und "erstaunliche zwei Milliarden Menschen" übergewichtig oder adipös. Der Masse nach sind demnach inzwischen 96 Prozent der Säugetiere auf der Erde entweder Menschen (36 Prozent) oder Vieh (60 Prozent) – und lediglich noch 4 Prozent wildlebende Säugetiere. Bei den Vögeln entfallen der Masse nach etwa 70 Prozent auf Zuchtgeflügel.
Zu den Herausforderungen bei der Transformation des globalen Energiesystems ist zu lesen, dass diese mit geringerem Konsum einhergehen müsse – nötig seien etwa auch weniger und kleinere Autos. Eine weitere Herausforderung sei die "sehr reale Gefahr" einer gesellschaftlichen Destabilisierung im Zuge der Umgestaltung des Energiesystems. "Wenn die ärmste Mehrheit von den steigenden Energiekosten am stärksten betroffen ist, werden diese Menschen gegen die Energiepolitik protestieren."
Als einer der Mythen im Bereich der Energiewende wird genannt, dass das Verhalten von Menschen sich nur schwer ändern lasse. Gerade erst habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass es sich vielmehr sehr schnell ändern könne - und mit vielen Vorteilen. So reduziere die Arbeit im Homeoffice nicht nur Emissionen und Staus, sondern trage häufig auch dazu bei, Beruf und Familie besser miteinander in Einklang zu bringen.
Viele zentrale Forderungen des BUND bestätigt
Damit bestätigt der Bericht viele zentrale Forderungen des BUND – sei es bei der Energiewende, der Argrarwende oder der Mobilität. Gleichzeitig macht der Bericht Hoffnung: Engagement kann die Klimakrise ausbremsen und das schlimmste verhindern. (mit dpa)