Erinnern Sie sich noch an die Warnungen vor Chlorhühnern? Nicht? Dann helfen wir mal auf die Sprünge: 2014 initiierte die Organisation Campact eine Kampagne gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU. Campact warnte davor, dass durch das Freihandelsabkommen hierzulande strenge Verbraucherschutz- und Umweltschutzregelungen ausgehebelt würden. Die Angst vorm chlorgetränkten Hühnchen aus den USA zeigte Wirkung. Als BUND haben wir diesen Protest maßgeblich mitorganisiert: Hunderttausende gingen gegen TTIP und CETA auf die Straßen. Schließlich schaffte es die Umweltbewegung die TTIP-Verhandlungen 2016 zum Erliegen zu bringen – nicht so bei CETA.
Was war nochmal CETA?
CETA, also „Comprehensive and Economic Trade Agreement”, ist das Abkommen zwischen der EU und Kanada. Es ist 2017 vorläufig in Kraft getreten – zumindest in Teilen. Damit es vollständig umgesetzt wird, müssen alle Landesparlamente der EU-Staaten es noch ratifizieren. Und das hat der Bundestag vergangene Woche beinahe beiläufig getan – das mediale Echo hielt sich in Grenzen. Lediglich drei Grünenabgeordnete stimmten mit Linkspartei und AfD gegen die Ratifizierung und damit gegen die eigene Parteilinie. Trotz massiven Warnungen von NGOs wie dem BUND. FDP, SPD und Union stimmten geschlossen dafür. Die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus.
Dabei mobilisierten die Grünen bevor sie in der Regierung waren noch gegen das Abkommen und selbst die SPD hatte einst Skrupel. Warum also diese Kehrtwende?
Es droht eine Paralleljustiz
Der Abbau von Handelsbarrieren nutzt zunächst mal Großkonzernen. Zölle und unliebsame Regulierungen fallen weg. Die Interessen von Verbraucher*innen sind da nachrangig – von der Umwelt ganz zu schweigen.
Doch damit nicht genug. Durch CETA droht das Entstehen einer Paralleljustiz, die viele Klimaschutz- und Verbraucherschutzvorhaben zum Erliegen bringen kann. Denn der sogenannte Investitionsschutz ermöglicht es Konzernen, Regierungen zu verklagen, wenn ihnen vermeintliche Gewinne durch Gesetzesreformen flöten gehen. Geklagt wird allerdings nicht vor demokratisch legitimierten Gerichten, stattdessen wird eine Paralleljustiz für Konzerne erschaffen.
Was heißt das konkret? Wenn die Bundesregierung zum Beispiel ein Klimaschutzgesetz erlässt, welches Erneuerbare fördert und fossile Energien weiter einschränkt, können fossile Konzerne die Regierung wegen ausbleibender Gewinne unter Umständen verklagen und am Ende zahlen die Steuerzahler*innen die Entschädigungssumme.
Das droht jedoch nicht nur auf Bundesebene. Genauso können Konzerne Länder oder Kommunen verklagen. Eine Landesregierung oder Kommunalverwaltung wird sich also künftig genau überlegen müssen, ob sie sich ein neues Klima-, Umwelt, oder Naturschutzgesetz noch leisten kann. Die Grünen behaupten, dass dem Abkommen eine „Interpretationserklärung“ beigefügt werden soll, die derlei Klagen verhindert. Ein Rechtsgutachten des Umweltinstituts widerspricht dem allerdings. Ein solcher Beipackzettel könne keine Klagen verhindern. Zudem wurde das Abkommen ohne diese Erklärung ratifiziert.
Können wir CETA noch stoppen?
Auch wenn der Bundestag CETA nun durchgewinkt hat, kann das Abkommen in Deutschland noch scheitern. Dafür muss der Bundesrat dagegen stimmen. Schreiben Sie also Ihren Abgeordneten, machen Sie Druck in den Ländern.
Wenn das nicht genug ist bleibt trotzdem noch Hoffnung. Denn zehn EU-Länder haben CETA noch nicht ratifiziert. Und auch wenn Deutschland als Europas größte Wirtschaftsmacht mit der Ratifizierung im Bundestag ein Signal für CETA setzt, heißt das nicht, dass alle anderen Regierungen spuren. So hat etwa das Irische Verfassungsgericht bereits Bedenken an CETA geäußert.
Beginnt die Renaissance der Freihandelsabkommen
Dass die Zivilbevölkerung sich auch hierzulande einmischt, ist aber noch aus einem anderen Grund wichtig. Denn CETA schafft einen Präzedenzfall. Aus Regierungskreisen werden schon Stimmen lauter, die wieder Verhandlungen bei TTIP fordern. Ebenso soll der Freihandel mit südamerikanischen und Pazifik-Staaten in derselben Form vorangetrieben werden. Die Abkommen dürfen nicht wieder hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden. Denn sie drohen, Umweltschutz und Verbraucherschutz auszuhebeln oder sehr teuer zu machen.