Bundesnaturschutzgesetz beschlossen: Angriff auf den Meeresschutz abgewehrt, aber Naturschutz an Land zu schwach

23. Juni 2017 | Meere, Naturschutz, Lebensräume

Beurteilt man die Lage des Naturschutzes in Deutschland auf Basis der aktuellen Zahlen des Bundesamtes für den Naturschutz wird deutlich: das neue Bundesnaturschutzgesetz muss trotz Teilerfolgen im Meeresschutz deutlich verbessert werden.

Seehund auf Helgoland; Foto: Milan Salje Trotz errungener Teilerfolge, muss der Meeresschutz gesamt deutlich verbessert werden.  (Milan Salje)

Was weiter fehlt, sind Qualitätsmaßstäbe für den Biotopverbund und eine effektive Stärkung des Ar­ten­schutzes, betont der BUND-Na­tur­schutz­ex­perte Magnus Wessel.

Biotopverbund stärken? Gestrichen

Die Stärkung des Biotopverbunds ist durch den Druck der Agrarlobby vom Tisch. Doch damit das Projekt "Grüne Infrastruktur" tatsächlich realisiert wird und auch Bestand hat, bedarf es dringend weiterer verbindlicher Vorkehrungen. Folgt man den bisherigen Bestimmungen, sind weder zusätzliche Maßnahmen zur Schließung der sich immer stärker ausweitenden Lücken zwischen den Biotopen vorgesehen noch zur dauerhaften Sicherung der Lebensräume.

Tatsächlich müssen Bundesländer, die der landesweiten Vernetzung der Schutzgebiete nicht nach­kommen, weiterhin keine Konsequenzen fürchten. Notwendig ist letztlich ein vom Bundestag verabschiedeter und mit dem Bun­des­verkehrswegeplan vergleichbarer "Bundesnetzplan Biotopverbund". Nur so kann die Umsetzung des länderübergreifenden Biotopverbunds gewährleistet werden.

Biotopschutz ausweiten und Artenvielfalt schützen

Die Aufnahme von nicht genutzten Höhlen und naturnahen Stollen in die Liste der geschützten Biotope ist nach Ansicht des BUND ein erster wesentlicher Fortschritt. Damit besonders artenreiche und bedrohte Lebensräume umfassend erhalten bleiben, gilt es die Anzahl der bundesweit gesetzlich geschützten Biotope zu erhöhen. Neben bedrohtem Grünland, Streuobstwiesen und Hecken müssen vor allem zukünftige Wildnisgebiete, artenreiche Steilhänge und Bachschluchten auf die Liste geschützter Biotope. Ohne den gesetzlichen Schutz von Lebensräumen lässt sich der dramatische Verlust der Artenvielfalt und der historischen Kulturlandschaften nicht stoppen. Besonders Artengruppen wie Schmetterlinge, Amphibien und Wildbienen, deren Lebensräume durch die industrielle Landwirtschaft besonders gefährdet werden, könnten von diesen zusätzlichen Schutzräumen profitieren.

Artenschutz stärken

Wesentliche Verschlechterungen des Artenschutzes konnten auf letzte Sekunde verhindert werden, erstmals ist jetzt im Bundesnaturschutzgesetz klar verankert, dass die Wirksamkeit von Maßnahmen bei der Vermeidung von Schäden konkret nachgewiesen sein muss und fachlich anerkannten Stan­dards entsprechen muss. Das Töten einzelner geschützter Tiere ist jedoch nach dem gegen­wärtigen Entwurf immer noch dann verboten, wenn ihr allgemeines Risiko zu sterben dadurch "signifikant" erhöht ist. Was sich genau hinter diesem Begriff verbirgt, definiert nicht der Gesetzgeber, sondern bleibt den Natur­schutz- und Pla­nungsbehörden überlassen – ein wissenschaftlich hochkomplexes Vorhaben, bei dem Missverständnisse und Rechtsstreite vorprogrammiert sind. Fest steht, damit wären Arten weniger geschützt als heute. Der Gesetzgeber läuft Gefahr, seinen Verpflichtungen aus der FFH- und Vogelschutzrichtlinie nicht nachkommen zu können und Europarecht zu verletzen.

Genauso unzureichend ausformuliert bleibt das Vorgehen bei Ordnungs­wid­rig­keiten. Der BUND fordert: Wer nachweislich gegen die Maßnahmen zur Vermeidung von Tiertötungen verstößt oder Maßnahmen umsetzt, die nicht helfen, muss belangt werden. Ein sinnvoller Umgang mit den in der Praxis entstehenden Umsetzungsproblemen des Artenschutzes, die auch vom BUND nicht abgestritten werden, muss grundsätzlich einen anderen Weg gehen: Es braucht bessere Regeln und Unterstützung für die praktische Umsetzung von Artenschutz durch Naturschutz- und Ge­nehmi­gungsbe­hörden, ohne seine rechtlichen Grundlagen zu gefährden.

Meeresschutz gerettet

"Das Parlament hat verstanden, dass die Änderung des BNatSchG einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen hätte, der den Meeresschutz und vielleicht den Naturschutz in Deutschland insgesamt dauerhaft geschwächt hätte. Angesichts des dramatisch schlechten Zustands der Biodiversität in Nord- und Ostsee  brauchen Meereslebewesen wie Schweinswale,  Seevögel und ihre Lebensräume endlich einen besseren Schutz", sagt BUND Meeresschutzexpertin Nadja Ziebarth in einer gemein­samen Stellungnahme der Verbände.

Seit der Veröffentlichung Ende 2016 kritisierten die Verbände die Gesetzesnovelle, sprachen mit Bundestagsabgeordneten und schrieben einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Paragraph 57 des BNatSchG sollte den Bundesministerien – statt wie bisher eine Beteiligung – eine sogenanntes Einvernehmen zusichern. Damit hätte ein einziges Ministerium Verordnungen und Maßnahmen zum Schutz der Meere blockieren können. Schon heute setzen sich zu oft Wirtschaftsinte­ressen gegen Interessen des Meeresschutzes durch. "Mit der heutigen Entscheidung hat der Naturschutz zwar einen wichtigen Etappensieg erzielt. Doch es muss nun weiter gehen, es stehen aktuell entscheidende Verhandlungen zu den Schutzgebietsverordnungen und zur Regulierung der Fischerei an. Deutschland muss endlich den Hebel umlegen und die Weichen für einen effektiven Meeresschutz in Nord- und Ostsee stellen", so Nadja Ziebarth.

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