BUND-Naturschutzexperte: "Wilderei findet auch hier statt"

13. Juni 2022 | Grünes Band, Lebensräume, Naturschutz, Wälder, Wildkatze

Wilderei ist leider nicht nur ein Problem ferner Länder, meint BUND-Naturschutzpolitikexperte Magnus Wessel. Im Interview erklärt er, wie man sich im Wald richtig verhält, was zu tun ist, wenn man ein totes Tier findet und wo es seltene Arten zu beobachten gibt.

Rothirsch; Foto: vonDüre / fotolia.com Rothirsche waren früher in ganz Deutschland verbreitet und wanderten sehr weit. Diese uralten Wanderwege sind heute zerschnitten.  (vonDüren / Fotolia)

Beim BUND arbeiten zahlreiche Expert*innen rund um die Themen Klima-, Umwelt-, und Naturschutz. Oftmals findet die Arbeit hinter den Kulissen statt. In diesem Interviewformat stellen wir den BUND-Expert*innen die Fragen, die unsere Leser*innen interessieren. In dieser Ausgabe sprechen wir mit dem Leiter Naturschutzpolitik Magnus Wessel über Wilderei und das richtige Verhalten im Wald.

BUND-Redaktion: Hallo Magnus, in Deutschland gibt es noch etwa 11 Mio. Hektar Waldfläche. In welchem Stück Natur findet man dich am Wochenende?

Magnus Wessel: Die Wochenenden mit meiner Familie verbringe ich vor allem in den wunderbaren Wäldern des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin in Brandenburg und im heimischen Sauerland. Treffen kann man mich aber hin und wieder auch in Bayerischen Bergwäldern bei der Verwandtschaft oder in den Schluchten der Eifel nahe meines Studienorts Trier.

Das klingt nach Natur pur! Wir wollen heute aber auch über ein ernstes Thema sprechen, das dort draußen stattfindet: Wilderei. Wie groß ist das Problem in Deutschlands Wäldern?

Wilderei ist leider nicht nur ein Problem ferner Länder. Wir alle wissen um die Wilderei von Elefanten, Tigern und Singvögeln. Aber Wilderei findet auch hier vor unserer Haustür statt: Vergiftungen und illegale Fallen für Greifvögel, wie sie zuletzt bei einer Razzia in Nordrhein-Westfalen sichergestellt wurden, aber auch illegale Abschüsse von Rehen und Hirscharten sind weiterverbreitet als die meisten denken – obwohl sie natürlich unter Strafe stehen. Besonders perfide finde ich das Vergiften von geschützten Tieren wie dem Luchs, wie das zuletzt in Bayern der Fall war.

Du hast eine Menge unterschiedlicher Taten erwähnt. Gilt das formal alles als Wilderei?

Ja, in Deutschland gilt: Arten und Teile von Tieren die dem Jagdrecht unterliegen, dürfen nur von Jäger*innen in ihren Revieren getötet und aus der Natur mitgenommen werden. Das heißt, auch das Geweih im Wald oder der am Straßenrand tot gefundene Rotmilan dürfen nicht einfach mitgenommen werden. 

Zudem gibt es die Fischwilderei, denn in Deutschland ist auch streng geregelt wer wann und wo fischen darf. Wer gegen diese Regeln verstößt und wildert, wird im Extremfall sogar mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Besonders schwerwiegen ist es, wenn jemand aus der Wilderei ein Geschäft macht. 

Erst vor Kurzem hat ein Jäger mehrere tote Rehe in seinem Revier in Bayern gefunden. Woran erkenne ich als Laie, ob ein Tier gewildert wurde?

Wenn man einen toten Luchs, eine tote Wildkatze oder andere Arten, die zwar im Jagdrecht stehen, aber streng geschützt sind, findet und klar erkennbar ist, dass kein Unfall die Ursache war, dann ist Wilderei offensichtlich. In diesem Fall sollte man die zuständige untere Jagdbehörde beim Landkreis oder die Polizei verständigen. Jenseits davon können das nur die "Profis".  Ob ein Tier durch Vergiftung oder natürlich durch Altersschwäche, eine Krankheit oder einen Unfall gestorben ist, ist ohne detaillierte Untersuchung oftmals kaum feststellbar. Auch ob ein Luchs durch Zufall vor einem Auto landete, oder absichtlich überfahren wurde, kann nur eine polizeiliche Ermittlung klären.

Was sollte ich also tun, wenn ich ein totes Tier im Wald finde?

Wie bei allen toten Tieren erstmal Abstand halten und in Ruhe lassen. Wenn der Verdacht auf Wilderei besteht, ist die untere Jagdbehörde beim Landkreis jederzeit ansprechbar. Wer sich nicht sicher ist, ob das gefundene Tier dem Jagdrecht unterliegt, kann sich auch an die untere Naturschutzbehörde wenden, die die Angelegenheit prüft und gegebenenfalls weitergibt.

Kommen wir mal zu einem erfreulicheren Thema: den lebenden Wildtieren. Wie viele Wildtierarten gibt es überhaupt noch in Deutschland?

Wildlebende Tierarten gibt es in Deutschland hunderttausende –  vom Regenwurm bis zum Rothirsch, von der Assel bis zum Steinadler. Als "Wild" im engeren Sinn, gelten alle Arten die im Jagdgesetz stehen. Neben den "Klassikern" Reh, Rothirsch und Wildschwein sind das auch zahlreiche Arten, von denen man es nicht erwarten würde wie Seeadler, Luchs und Wildkatze. Der BUND setzt sich dafür ein, diese Arten aus dem Jagdrecht herauszunehmen, da sie bedroht sind und sowieso nicht gejagt werden dürfen. 

Einigen dieser Tiere begegnet man sicher gerne. Aber gibt es auch Tiere, die man meiden sollte?

Grundsätzlich sollte man kein Tier in die Ecke drängen. Fühlen sich Tiere bedroht oder müssen sie ihre Jungtiere, Nest oder Wohnhöhle verteidigen, kann es natürlich brenzlig werden. Selbst Feldmäuse beißen, wenn wir ihnen zu sehr auf die Pelle rücken. Lebensgefahr besteht aber nur bei sehr wenigen Arten. Aufeinandertreffen mit Wildschweinen etwa führen mehrmals im Jahr zu Verletzten und sogar Toten. Andere Arten, die gern pauschal als Risiko für den Menschen angesehen werden, wie der Wolf oder Luchs, werden nur im Extremfall gefährlich oder wenn sie Krankheiten in sich tragen. Deswegen ist es wichtig, solche Fälle frühzeitig zu erkennen.

Und was ist mit den niedlichen Tieren: Darf ich Rehe, Eichhörnchen und Co. im Wald füttern?

Grundsätzlich brauchen alle Arten einfach genug Lebensraum. Dann kommen sie ganz gut allein durchs Leben, wie sie es ohne den Menschen seit Jahrtausenden tun. Die Fütterung von Arten ist im Jagdrecht gesetzlich geregelt. Tiere zu füttern ist demnach nur in definierten Notzeiten erlaubt – ansonsten nicht. Sorgen wir also lieber gemeinsam dafür, dass die Natur erhalten bleibt und genügend geeignete Lebensräume neu geschaffen werden, anstelle Tiere zu füttern. 

Übrigens: Niemand ist davon abgehalten eine gut gepflegte Vogelfutterstelle im Garten zu haben, um die Tiere zu beobachten. Aber selbst da ist ein artenreicher Naturgarten und etwas verwilderte Parkanlage besser als jede noch so gut gemeinte Schale mit Sonnenblumenkernen.

Kommen wir zur letzten Frage: Hast du einen speziellen Ausflugstipp, um seltene Arten zu beobachten?

Seltene Arten brauchen vor allem Ruhe vor Störungen. Deswegen kann ich empfehlen bei der lokalen BUND Gruppe nachzufragen, ob gezielt Exkursionen angeboten werden, die besonders sensible Regionen schonen. Die größeren Schutzgebiete wie Nationalparks, Biosphärengebiete und das nationale Naturerbe wie das Grüne Band haben oft umfangreiche Angebote.

Lieber Magnus, danke für das informative Gespräch! 

Sie haben Fragen zu Umwelt- und Naturschutzthemen, die wir unseren Fachreferent*innen stellen sollen? Dann schreiben Sie uns gerne an internet(at)bund.net.

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