BUND-Kommentar zur Bayer-Hauptversammlung 2020

27. April 2020 | Umweltgifte, Landwirtschaft, Chemie, Lebensräume, Wildbienen, Nachhaltigkeit

Aufgrund der Corona-Krise führt Bayer als erster deutscher Konzern eine digitale Hauptversammlung durch. Der BUND kritisiert, dass dadurch die Rechte von Kleinaktionär*innen faktisch ausgehebelt werden – und damit auch die Möglichkeit, Kritik an den Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen der Bayer-Unternehmenspolitik zu üben. 

Protest bei Bayer-Hauptversammlung gegen bienengefährdende Pestizide und Gift im Honig Protestaktion des BUND bei einer vergangenen Bayer-Hauptversammlung  (Mick Vincenz / BUND)

Die Möglichkeit für Unternehmen, eine Online-Hauptversammlung durchzuführen, wurde durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht geschaffen. Dabei wurden jedoch die Rechte von Klein-Aktionär*innen zugunsten von Großinvestor*innen massiv eingeschränkt. 

Fragen von Aktionär*innen können nunmehr "nach freiem Ermessen" vom Vorstand beantwortet werden. Hinzu kommen enorme Fristverkürzungen. Darüber hinaus besteht bei der virtuellen Hauptversammlung nicht mehr die Möglichkeit, sich mit Reden direkt an Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionär*innen zu wenden. Wie mit dem Widerspruchsrecht verfahren wird, bleibt unklar. 

All diese Maßnahmen führen dazu, dass die Rechte und Mitgestaltungsmöglichkeiten von Kleinaktionär*innen faktisch ausgehebelt werden und damit auch der Raum für Kritik an der Unternehmenspolitik in Bezug auf die Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen eingeschränkt wird.

Weltweite Verantwortung von Bayer

Das deutsche Unternehmen Bayer ist nach der Übernahme von Monsanto der weltweit größte Produzent von Chemikalien in der Landwirtschaft. Der Geschäftsbereich "Bayer CropScience" ist für die Produktion und den Vertrieb von Pestiziden und Saatgut zuständig. Dabei wird mehr als die Hälfte des Umsatzes der "Bayer CropScience" durch den Verkauf von Pestiziden erwirtschaftet.

Das Geschäftsmodell von Bayer ist demnach darauf ausgerichtet, die Produktion von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden zu steigern. Dazu betreibt das Unternehmen massive Lobbyaktivitäten mit Büros in Berlin, Brüssel, Washington, Moskau, Brasilia und Peking sowie der Mitgliedschaft in diversen Unternehmensverbänden.

Bayer hat Produktionsanlagen an mehr als 130 Standorten in 34 Ländern. Die Produktion von Pestiziden und deren Vorprodukten findet neben drei Standorten in Deutschland und drei europäischen Standorten in Belgien, Frankreich und der Schweiz auch weltweit statt. So betreibt das Unternehmen vier Produktionsstandorte in den USA, zwei Werke in Brasilien und jeweils einen Standort in Indien und Argentinien. Darüber hinaus exportiert Bayer seine Pestizide weltweit, unter anderem nach Brasilien, Südafrika und Kenia

Doppelte Standards: Produktion und Export hochgefährlicher Bayer-Wirkstoffe

Knapp 37 Prozent der Bayer-Wirkstoffe sind nach der Definition des Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN) als hochgefährlich einzustufen. In Brasilien sind beispielsweise zwölf Bayer-Wirkstoffe auf dem Markt, die keine EU-Genehmigung besitzen. Darunter sind mit Fenamidon, Propineb, Thiodicarb und Thiram vier Wirkstoffe, deren Genehmigung von der EU explizit abgelehnt oder nachträglich widerrufen wurden. Die Hälfte der Bayer-Wirkstoffe ohne Genehmigung in der EU werden vom PAN als hochgefährlich eingestuft. Unter diesen wird neben Propineb und Thiram auch Oxadiazon direkt aus Deutschland exportiert

In Kenia sind knapp die Hälfte der dort verkauften Produkte innerhalb der EU nicht zugelassen oder stark auf die Gewächshausnutzung eingeschränkt, da sie giftig für Bienen sind. In Europa wurden die Lizenzen für viele Wirkstoffe in den vergangenen Jahren wegen ihrer potenziell schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht erneuert.

Im Vergleich dazu werden in Kenia keine Einschränkungen oder Rücknahmen erwogen. Besonders besorgniserregend ist dies bei Wirkstoffen, die wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonikotinoide gehören. In den EU-Mitgliedstaaten darf Imidacloprid nur in Gewächshaus-Kulturen eingesetzt werden, da es Insekten schädigt. In Kenia ist der Wirkstoff Imidacloprid ist dagegen in 39 Produkten zugelassen. Ein Großteil des in Kenia verwendeten Saatguts ist bereits mit Neonikotinoiden beschichtet.

Negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit weltweit

Die Nutzung von Pestiziden hat enorme negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Menschen weltweit. Bayer war zuletzt mit rund 48.600 Klagen in den USA konfrontiert, weil US-Bürger*innen den Bayer-Pestizidwirkstoff Glyphosat für ihre Krebserkrankungen verantwortlich machen. 

Glyphosat ist das meistverkaufte Pflanzengift der Welt und ein sogenanntes "Totalherbizid". Es tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Herbizideinsatz überlebt. Bekannt ist es vor allem unter dem Markennamen "Roundup", ein Produkt von Bayer-Monsanto. Laut Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Glyphosat wahrscheinlich krebserregend beim Menschen – und es trägt maßgeblich zum Artensterben in der Agrarlandschaft bei. 

Bayer ist ein Hauptanbieter von gentechnisch verändertem Saatgut, beispielsweise von Soja. In Brasilien entfallen 96 Prozent der Sojaanbaufläche auf genmanipulierte Pflanzen – einen Großteil machen die Sorten von Bayer aus. Der Anbau von Gentech-Sorten ist dabei direkt mit der Pestizid-Problematik verknüpft, denn überwiegend handelt es sich um Pflanzen, die mit Gentechnik gegen ein oder mehrere Herbizide tolerant gemacht wurden. Die Folge: diese Pflanzen halten die Pestizidbehandlungen aus, alle anderen nicht. 

In der Praxis bedeutet das meistens: Es werden mehr Pestizide angewendet – und das wiederum hat negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und sorgt für Probleme für die menschliche Gesundheit vor Ort sowie für Pestizid-Rückstände in den hier importierten Sojaprodukten.

Auch in Kanada sind Anträge auf Sammelklagen gegen Bayer zu Insektiziden mit den Wirkstoffen Imidacloprid und Clothianidin anhängig – beides Neonikotinoide. Sie gehören zu einer neueren Stoffklasse von Insektiziden, werden inzwischen flächendeckend verwendet und sind außergewöhnlich stark giftig.

Imidacloprid und Clothianidin greifen bei Insekten in das zentrale Nervensystem ein –  und töten nicht nur die sogenannten "Schädlinge", sondern können auch wichtige Insekten wie Honigbienen und Wildbienen töten oder schädigen. Neonikotinoide schwächen das Immunsystem von Bienen, stören ihre Orientierung und beeinträchtigen die Fortpflanzung.

Sie beeinträchtigen aber nicht nur die Bestäuber und andere Insekten, sondern auch die mikrobielle Aktivität des Bodens, was sich wiederum auf die Bodenfruchtbarkeit auswirkt. Bayer-Pestizide wirken sich zudem weltweit auch auf das Wasser aus. In Brasilien wurden in jeder vierten Gemeinde Rückstände von mehreren Pestiziden im Trinkwasser gefunden. Davon werden 16 von der brasilianischen Behörde für Gesundheitsüberwachung als extrem oder hochgiftig eingestuft. Elf davon werden mit der Entwicklung chronischer Krankheiten wie Krebs, fetalen Missbildungen sowie hormonellen und reproduktiven Störungen in Verbindung gebracht.

Anstatt die Produktion gefährlicher Pestizide einzuschränken, hat Bayer u.a. angekündigt, die Produktion des Fungizids Antracol im rheinischen Dormagen deutlich auszuweiten. Es enthält den wahrscheinlich krebserregenden Wirkstoff Propineb und soll in Länder wie Brasilien exportiert werden.

Menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten

Auf dem Papier bekennt sich Bayer in seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht zu verschiedenen internationalen Standards und Initiativen wie den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung, dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt und dem UN Global Compact. Aus dem Bericht wird jedoch nicht deutlich, wie Bayer seine menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten nachkommt, die sich aus den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenreche und dem deutschen "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" sowie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen ergeben.

Diese Sorgfaltspflichten legen eine Verantwortung für potenzielle und tatsächliche negative Auswirkungen auf Menschenrechte und die Umwelt fest, die "von Bayer verursacht werden, zu denen Bayer beiträgt oder die aufgrund einer Geschäftsbeziehung mit der Geschäftstätigkeit, den Produkten oder Dienstleistungen von Bayer unmittelbar verbunden sind, selbst wenn sie nicht zu diesen Auswirkungen beitragen."

Zur Erfüllung seiner menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt müsste Bayer neben einer Risikoanalyse, die diese Auswirkungen erfasst, angemessenen Maßnahmen auf Grundlage dieser Risikoanalyse treffen, um den tatsächlichen und potenziellen negativen Umwelt- und Menschenrechtsauswirkungen zu begegnen und darüber Bericht erstatten.

Es bleibt außerdem unersichtlich, was Bayer unternimmt, um die nach den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen vorgegebenen Aktivitäten für Strategien zur Substitution bzw. Verringerung der Verwendung von giftigen Stoffen im Unternehmen und der Lieferkette umzusetzen. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da Bayers Kerngeschäft darauf ausgelegt ist, die Produktion von Pestiziden auszuweiten.

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