Bauernproteste haben den falschen Adressaten

27. November 2019 | Landwirtschaft, Massentierhaltung, Lebensräume, Naturschutz

Schlepper an Schlepper. Blockierte Innenstädte. Wütende Bauern, gespenstische grüne Kreuze am Wegesrand und eine neue Protestbewegung: Am 26.11. machten Deutschlands Bäuerinnen und Bauern erneut ihrem Unmut ordentlich Luft. Nach den vorangegangenen Protesten im Herbst werden Medien, Öffentlichkeit und selbst die herrschende Agrarpolitik mit dem Ärger der Landwirtschaft konfrontiert.

Traktor-Demo in Berlin am 26.11.2019 Traktor-Demo in Berlin am 26.11.2019  (mjkwpictures)

Ein Beitrag von BUND-Agrarexperte Christian Rehmer

Grundsätzlich ist es mehr als legitim, für die eigenen Interessen auf die Straße zu gehen und gegen politische Entscheidungen zu protestieren, wenn man sie für falsch hält. 

Problematisch ist allerdings, welche Botschaften bei den Bauernprotesten ankommen: gegen Änderungen im Pestizidrecht, die die Insekten besser schützen. Gegen eine Kürzung der Direktzahlungen, die den Bundesländern 75 Millionen Euro für sinnvolle Maßnahmen in der zweiten Säule, also für die Förderung einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung, einbringt. Gegen die von der EU-Kommission dringend angemahnten Verschärfungen im deutschen Düngerecht, da dieses seit über 25 Jahren so mangelhaft ist, dass damit die EU-Gesetze zum Grundwasserschutz nicht eingehalten werden.

Berlin ist der falsche Adressat für die Bauernproteste

Transportiert wird dadurch eine Blockade- und Verweigerungshaltung. Dabei steht auf vielen Plakaten der Wunsch "Redet mit uns". Vielleicht ist die Bundesregierung, die sich agrarpolitisch wirklich nicht mit Ruhm bekleckert, für diesen Redebedarf die falsche Ansprechpartnerin. Vielleicht sollten die Demos besser vor den Zentralen der Landesbauernverbände und des Deutschen Bauernverbandes stattfinden.

Dort wurde maßgeblich dafür gesorgt, dass es in der Agrarpolitik einen enormen Reformstau gibt, der zulasten der bäuerlichen Strukturen geht. Mit dem Beharren auf alten, überholten Strukturen und Produktionsweisen hat der Bauernverband einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass viele Betriebe mit dem Rücken zur Wand stehen.

58 Milliarden Euro für die EU-Agrarpolitik 

Der Umbau der Nutztierhaltung wurde jahrelang blockiert, obwohl spätestens seit Vorlage eines Nutztier-Gutachtens im Frühjahr 2015 allen bekannt war, wie schlecht es in den Ställen aussieht, wie es besser gehen könnte und welche Umbauschritte notwendig wären. Zudem will eine Mehrheit der Menschen verbesserte Haltungsregelungen.

Es gibt weiterhin genug Belege, dass die gängige Landwirtschaft massiv zum Artensterben in der Agrarlandschaft beiträgt – beispielsweise durch die wissenschaftlichen Beiräte des Bundeslandwirtschaftsministeriums oder das Bundesamt für Naturschutz. Darauf wurde mit dem Insekten-Aktionsprogramm unzureichend reagiert.

Ähnlich verhält es sich mit der Reform der EU-Agrarpolitik. Jährlich werden in der Europäischen Union 58 Milliarden Euro für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ausgegeben. Der größte Teil dieses Geldes wird pauschal nach Fläche ausgezahlt. Wer viel Fläche hat, bekommt viel Geld. Mit diesem Geld werden jedoch weder ökonomische noch ökologische Ziele erreicht. Es hält weder das immense Höfesterben auf, noch mindert es das Artensterben oder ist ein Beitrag zum Klimaschutz oder verbessern sich die Haltungsbedingungen für Tiere. Selbst das Argument, es handele sich um eine wichtige Einkommensunterstützung, greift zu kurz, denn es gibt keine Bedürftigkeitsprüfung.

Die eigenen Verbände als Gegner

Statt diejenigen Betriebe zu unterstützen, die mehr für den Erhalt der Arten, den Schutz des Klimas oder auch die bäuerliche Landwirtschaft tun, hält der Deutsche Bauernverband an der Geldverteilung nach dem System "Gießkanne" fest. Dabei wären genau diese Fördermittel dafür geeignet, die gestiegenen gesellschaftlichen Erwartungen an die Agrarbetriebe zu finanzieren. Denn von allein schaffen das die meisten Bauernhöfe nicht.

Der anhaltende Strukturwandel, das Sterben bäuerlicher Betriebe und der Schwund der Artenvielfalt haben oft die gleichen Ursachen: eine Agrarpolitik, die auf maximale Intensivierung und Exportorientierung setzt und vielfach einen ruinösen Wettbewerb zulasten von Mensch, Tier und Natur anheizt. Bäuerliche Landwirtschaft – egal ob ökologisch oder konventionell – und der Schutz von Natur und biologischer Vielfalt dürfen in der politischen Debatte nicht gegeneinander ausgespielt werden. Im Gegenteil: Die für Höfesterben wie Artensterben gleichermaßen verantwortliche Politik muss geändert werden.

Die Agrarwende ist dringend notwendig

Das ist das Herzstück der dringen notwendigen Agrarwende und muss nun die Hauptaufgabe der Agrarpolitik sein. Der Umbau der Nutztierhaltung und des Ackerbaus (sowie des Grünlandes) mit darauf abgestimmten Agrarmilliarden aus Brüssel könnte den jahrelangen Reformstau aufheben und der Landwirtschaft den Weg in eine gedeihliche Zukunft weisen. Hierfür sind alle gefragt: die Grüne-Kreuz-Aufsteller, die Land-Schafft-Verbinder, die Agrarpolitik, die Bauernverbände, die zivilgesellschaftlichen NGOs und schlussendlich die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Dieser Text erschein zuerst am 26.11. als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau. Eine längere Version des Textes finden Sie hier.

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