Atommüll-Kommission: Einige sinnvolle Vorschläge, aber zentrale, grundsätzliche Mängel

15. September 2016 | Atomkraft

Der BUND hat in der "Atommüll-Kommission" des Deutschen Bundestages zwei Jahre konstruktiv und mit erheblichem Einsatz mitgearbeitet, um das von ihm stark kritisierte Standortauswahlgesetz zu verbessern. In dem Ende Juni 2016 vorgelegten Abschlussbericht der Kommission sieht der BUND einige sinnvolle und wichtige Vorschläge, jedoch auch zentrale und grundsätzliche Mängel. Warum eine Zustimmung für den BUND unmöglich war und ein Sondervotum abgegeben wurde, erklärt der BUND-Atomexperte Thorben Becker.

Erste Sitzung der Atommüll-Kommission; Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde Erste Sitzung der Atommüll-Kommission  (Achim Melde / Deutscher Bundestag)

Verbessertes Such­ver­fahren – mit grund­sätzlichen Schwächen

Der Bericht der Atommüll-Kommission schlägt Verbesserungen am bisherigen Standortauswahlgesetz und damit am Suchverfahren vor. So konnte der BUND durchsetzen, dass das sich das vergleichende Verfahren zur Endlagersuche primär an der Sicherheit ausrichten muss. Auch Verbesserungen beim Rechtsschutz und ein generelles Exportverbot für hochradioaktiven Atommüll sind Ergebnisse erfolgreicher BUND-Interventionen. Aber die Kommission war nicht mehr als ein Anfang auf dem langen Weg zu einem Atommüll-Endlager. Der Plan, zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über das künftige Auswahlverfahren zu kommen, ist missglückt. Weiterhin fehlt der dringend erforderliche gesellschaftliche Konsens über das Standortauswahlverfahren. Aus Sicht des BUND stellt dieses Versäumnis umso höhere Anforderungen an ein zukünftiges Suchverfahren. Neu erarbeitet hat die Kommission einen Vorschlag für die Kriterien, nach denen die Suche ablaufen soll.

Der gesetzliche Auftrag waren Kriterien, die eine Suche in Salz, Ton und Kristallingestein ermöglichen. Die Kommission hat diese Aufgabe eines gleichwertigen Ansatzes für alle zu betrachtenden Gesteinsarten nicht wirklich gelöst, sondern im Wesentlichen Formelkompromisse dazu beschlossen. Der BUND fordert deshalb, die untertägige Erkundung und Konzeptentwicklung für Granit, Ton und unterschiedliche Salzstrukturen verbindlich im StandAG vorzuschreiben.

Gut ist, dass die Kommission sich zum Schluss doch noch auf ein Abwägungskriterium zum schützenden Deckgebirge und auf ein Kriterium „Gute Temperaturverträglichkeit“ verständigen konnte. Dies ist für den BUND aber nicht ausreichend. Die Kriterien müssen eine zweite, unabhängige und eigenständig wirksame, geologische Komponente vorschreiben und auch klare Vorgaben zur Rückholbarkeit des Atommülls enthalten. Beides ist im Vorschlag der Kommission nicht der Fall.

Die Hauptkritikpunkte des BUND am vorgeschlagenen Suchverfahren:

Es bleibt unklar: Für welchen Atommüll soll ein Lager gesucht werden?

Über zwei Jahre lang hat die Kommission an Kriterien und an einem Verfahren für die Suche nach einem Lager für hoch radioaktiven Müll gearbeitet. Am Ende aber schlägt die Kommission vor, auch den Müll aus der Asse, aus der Urananreicherung und für sonstigen „nicht-Konrad-gängigen“ Müll in das Verfahren zu integrieren, ohne dafür Kriterien oder ein weiterentwickeltes Verfahren zu erwähnen.

Kein Rechtsschutz nach jeder Phase des Verfahrens

Das Standortauswahlverfahren wird sich in drei Phasen über einige Jahrzehnte erstrecken. Die Kommission schlägt vor, dass die betroffenen Bürger*innen, Grundeigentümer*innen und die Gebietskörperschaften der betroffenen Regionen nach Phase 2 und ganz am Ende die Möglichkeit haben, das Standortauswahlverfahren auch gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist gut so. Aber die gerichtliche Überprüfung muss auch schon nach Abschluss der ersten Phase mit der Auswahl der Standorte für die obertägige Erkundung möglich sein. Ansonsten wären die neuen Ansätze der Öffentlichkeitsbeteiligung nur schöner Schein. In der für den Vertrauensaufbau wichtigen ersten Phase dürfen die Betroffenen und die Öffentlichkeit nicht ohne Rechte bleiben.

Gorleben belastet weiter das zukünftige Verfahren

Die konkrete Arbeit in der Kommission hat gezeigt, dass es nicht funktioniert, den Standort Gorleben im Verfahren zu lassen, ohne dass dies eine massive Belastung darstellt. Bei der Ausarbeitung der Kriterien stand im Hintergrund immer die Frage, was dies für den einen bekannten Standort bedeuten würde. Ein sauberes Verfahren unter Einbeziehung von Gorleben ist nicht möglich.

Verfassungsrechtliche Absicherung des Atomausstiegs fehlt

Die zentrale Basis für das künftige Suchverfahren ist der Ausstieg aus der Atomenergie. Zur dauerhaften Absicherung fordert der BUND, den Atomausstieg im Grundgesetz zu verankern. Die Kommission hält dies für möglich und zulässig, konnte sich aber nur zu einer Prüfempfehlung an den Deutschen Bundestag durchringen.

Forderungen des BUND

Der BUND fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Bundesregierung auf, schnell mit der dringend erforderlichen Überarbeitung des Standortauswahlgesetzes zu beginnen und dabei möglichst viele Vorschläge der Kommission und vor allem die weiter gehenden Forderungen des BUND zu übernehmen:

Kein potentieller Standort und keine in Betracht kommende Gesteinsformation darf wegen fehlender Daten aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. Dieser Grundsatz muss als eine zentrale Regelung in das novellierte Standortauswahlgesetz übernommen werden.

Unverzüglich muss eine eigenständige Suche nach einem Standort für die weiteren radioaktiven Abfälle (Asse-Müll, Uranabfälle) nach vorher festgelegten Kriterien gestartet werden. Diese Abfälle dürfen nicht in das Suchverfahren für das Lager für den hochradioaktiven Müll integriert werden.

Nach Abschluss jeder Phase des Standortauswahlverfahrens muss eine Rechtsschutzmöglichkeit bestehen. Nur so kann in dem langen Verfahren nach jedem Abschnitt im Streitfall geklärt werden, ob das Verfahren und die Beteiligung der Öffentlichkeit daran wie gesetzlich vorgeschrieben stattgefunden haben.

Die untertägige Erkundung und Konzeptentwicklung für Granit, Ton und unterschiedliche Salzstrukturen ist verbindlich vorzuschreiben.

Als Mindestanforderung muss in den Kriterien eine zweite, unabhängige und eigenständig wirksame, geologische Schutz-Komponente integriert werden.

Der angestrebte gesellschaftliche Konsens mit Gorleben ist nach Auffassung des BUND nicht möglich und das Festhalten an diesem Standort verzögert das Suchverfahren weiter.

Die Bundesregierung muss das von der Kommission geforderte generelle Exportverbot für abgebrannte Brennelemente gesetzlich umsetzen.

Die Bundestagsabgeordneten sollten den von der Kommission formulierten Prüfauftrag annehmen und parallel zur Novellierung des Standortauswahlgesetzes eine Grundgesetzänderung auf den Weg bringen, die den Atomausstieg absichert

Mehr Informationen

Informationen und Rückfragen bei:
Thorben Becker
Leiter Atompolitik
Kaiserin-Augusta-Allee 5,
10553 Berlin  
Tel. (030) 2 75 86-421
thorben.becker(at)bund.net

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