AKW-Reservebetrieb ist unnötig und birgt hohes Risiko

12. September 2022 | Atomkraft

Atomkraft wird für die Versorgungssicherheit im Winter keine entscheidende Rolle spielen. Trotzdem sollen nun zwei veraltete, ungeprüfte AKW in Reserve bleiben. Ein Fehler, denn es gibt längst Alternativen.

AKW Neckarwestheim; Foto: Thomas Springer AKW Neckarwestheim  (Thomas Springer)

Zunächst die gute Nachricht: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat erklärt, das marode Atomkraftwerk Emsland planmäßig zum Ende des Jahres abzuschalten. Das war ein Ergebnis des wochenlangen Stresstests der Übertragungsnetzbetreiber. Auch sind die Versorgungssicherheit sowie die Stromnetzstabilität in Deutschland  trotz Krise nach wie vor hoch.   

Außerdem zeigt der Stresstest deutlich, dass selbst unter den schlechtesten Bedingungen Atomkraft im kommenden Winter keine wesentliche Rolle für die Sicherung der Energieversorgung in Deutschland und Europa spielt. 

Streckbetrieb bringt keine Kostenersparnisse

Dennoch – und nun kommen leider die schlechten Nachrichten – sollen die zwei süddeutschen AKW (Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg) bis April 2023 in Reserve weiter bereitstehen. Dabei hätte der Betrieb der beiden AKW weder nennenswerte Effekte auf die Versorgungssicherheit, noch würde er die Bürger*innen finanziell spürbar entlasten. Ökonomen haben ausgerechnet, dass die AKW den Strompreis rechnerisch nur um 0,5 Prozentpunkte senken könnten – viel zu wenig, um existenzielle Krisen von Haushalten und Unternehmen abzuwenden. Die hohen Sicherheitsrisiken der AKW überschreiten bei Weitem den kaum nachweisbaren Nutzen für Stromproduktion und Netzstabilität.

Veraltet und ungeprüft: AKWs bleiben Sicherheitsrisiko

Die AKW Neckarwestheim und Isar 2 laufen seit Jahren ohne gültige Sicherheitsnachweise. Deutschland hat den Betreibern umfassende periodische Sicherheitsprüfungen mit Blick auf den nahenden Atomausstieg einfach erspart. Jetzt fehlt seit 13 Jahren der „TÜV“ für die AKW – was beim Auto zur Stilllegung führt, erlauben wir uns bei der Hochrisikotechnologie Atomkraft.  

Dieser Verstoß gegen europäische Sicherheitsvorschriften ist verantwortungslos und darf nicht länger fortgesetzt werden. Eine Hochrisikotechnik darf nicht im Blindflug betrieben werden. Schon jetzt treten in den AKW Neckarwestheim 2 und Emsland wiederholt Risse in den Dampferzeugerrohren auf. Das gesamte Schadensausmaß ist nicht bekannt, dennoch werden die Reaktoren auf Kosten der Sicherheit weiterbetrieben. 

Risiken bleiben auch bei Reservebetrieb bestehen.

Es ist absolut paradox in Deutschland davon zu sprechen, die AKW länger zu betreiben, während nur wenige hundert Kilometer entfernt, in der Ukraine, ein AKW beschossen wird. Im größten AKW Europas, dem AKW Saporischschja, droht der SuperGAU, wenn die Verbindung zum Stromnetz gekappt wird und die Notstromversorgung ausfällt.

Die Entscheidung, die deutschen AKW in die Reserve zu schicken, ist somit kein Beitrag zur Lösung der Energiekrise, sondern rein politisch motiviert. Die Unionsparteien und der kleine Koalitionspartner FDP sollen ruhiggestellt werden.

Diese politische Geisterdebatte lenkt von wirklichen Problemlösungen ab: Bisher wurde in der öffentlichen Diskussion und auch in den Empfehlungen der Bundesnetzagentur um den Streckbetrieb oft eine weitere Lösung vergessen: konsequentes Energiesparen. Denn nicht nur beim fossilen Erdgas, sondern auch beim Strom können wir die Krise meistern, indem wir Energieverbräuche geordnet reduzieren. Und auch hier gilt es zu unterscheiden zwischen notwendigen (z.B. die öffentliche Daseinsvorsorge, Haushalten oder Straßenbeleuchtung) und verschwenderischen Anwendungen (z.B. Beleuchtung von Werbetafeln und Geschäften bei Nacht, Herstellung und Betriebe von Luxusgütern wie Privatjets und Yachten oder zerstörerische und stromintensive Industrieproduktion wie Plastik). 

Deutschland braucht Energieeffizienzgesetz

Wenn wirklich jede Kilowattstunde zählt, müssen die verschwenderischen Anwendungen drastisch reduziert werden und eine Priorisierung in der Energienachfrage erfolgen. Diese muss sicherstellen, dass Grundbedürfnisse der Bürger*innen den Vorrang erhalten vor Profitmaximierung und Ressourcenverschwendung. Entscheidend für eine sichere Energieversorgung ohne russisches Erdgas ist nicht der Weiterbetrieb der Hochrisikotechnologie Atomkraft, sondern der politische Wille, an den richtigen Stellen konsequente Energiesparmaßnahmen durchzusetzen, etwa durch ein ambitioniertes Energieeffizienzgesetz. 

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