2017 ist Wahljahr – der BUND fragt Volker Kauder nach den umweltpolitischen Positionen seiner Partei

05. August 2017 | BUND, Bundestagswahl

Anlässlich des Wahljahrs 2017 befragt Severin Zillich, Redakteur des BUNDmagazins, Fraktionsvorsitzende der im Bundestag vertretenen Parteien zu Umwelt- und Energiethemen. Es folgt das Interview mit Volker Kauder, Vorsitzender der CDU-CSU-Bundestagsfraktion.

Volker Kauder, CDU/CSU. Foto: volker-kauder.de Volker Kauder, CDU/CSU  (volker-kauder.de)

Herr Kauder, bei Wikipedia steht, Sie seien "einer der bedeutendsten Befürworter der Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke" gewesen. Weiter heißt es, nach Fukushima hätten Sie dies revidiert. War und ist es für große Parteien wie die CDU/CSU eigentlich schwierig, politische Positionen zu korrigieren? Wirkt der Kurswechsel in der Atompolitik bei den Gliederungen von CDU und CSU auch weiterhin noch nach?

Kauder: Ja, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion war zusammen mit der FDP Fraktion und zahlreichen Bürgern und Bürgerinnen vor Fukushima für die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke. Unser Vorschlag lautete jedoch, dass die Energiekonzerne einen großen Teil ihrer Gewinne für die ca. zwölf Jahre längere Laufzeit abgeben sollten. Diese Gewinne wollten wir für die Förderung der erneuerbaren Energien einsetzen, weil uns klar war, dass hier die Zukunft der Energieversorgung liegt. Diesen Weg und den Atomausstieg haben wir nach Fukushima beschleunigt. Ich möchte hier nur einmal daran erinnern, dass ich einer der ersten deutschen Politiker war, der die Region um Fukushima nach der Katastrophe besucht hat. Die Union steht mit wenigen Ausnahmen, die es in großen Volksparteien immer gibt, hinter dem Kurs der Energiewende. Leider sind unsere Nachbarländer unserem Beispiel bislang nicht gefolgt.

Im Internet kann man außerdem lesen, Sie hätten die Landwirtschaft vor allem im Bereich erneuerbarer Energie gestärkt. Nun ist der Ausbau erneuerbarer Energien – vor allem auch im ländlichen Bereich – nicht unumstritten. Welche Positionen vertreten CDU/CSU aktuell bei den Themen regenerative Energien und Energiewende?

Kauder: Die Union steht zur Energiewende und zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Landwirtschaft ist hier ein wesentlicher Faktor. Das kann dort, aber auch generell, nicht bedeuten, dass die Erneuerbaren weiter um jeden Preis gefördert werden. Es gibt ein energiepolitisches Zieldreieck aus Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Im Interesse des Industriestandorts Deutschland sind auch die Ziele Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit wichtig. In diese Richtung geht auch der Bundesrechnungshof in seinem jüngsten Bericht zur Umsetzung der Energiewende durch das Bundeswirtschaftsministerium. Für die Erneuerbaren bedeutet Bezahlbarkeit vor allem, dass wir uns über eine Obergrenze für die Förderung unterhalten müssen. Derzeit werden 25 Milliarden Euro für Erneuerbaren-Strom pro Jahr ausgegeben – mehr als der Etat des Verkehrsministers. Auch beim Thema Versorgungssicherheit besteht Handlungsbedarf. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir Strom immer dann haben, wenn wir ihn brauchen. Im Moment zehren wir von der Substanz eines großen deutschen Kraftwerksparks, der aber in die Jahre kommt. Wir bräuchten also dringend Kraftwerksneubau und Kraftwerksmodernisierungen. Ich möchte ungern in kritischen Stunden des Jahres auf französische Atomenergie angewiesen sein. Das trägt auch nicht zur Glaubwürdigkeit der Energiewende bei. Investitionen gibt es aber nur mit verlässlichen Rahmenbedingungen. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe der Politik.

Ein Zitat von Ihnen lautet: "Deutschland ist auf einem starken Wachstumskurs, um den uns andere Staaten beneiden". An anderer Stelle schrieben Sie, dass Sie dagegen seien, dass "die Gewinnorientierung das Gemeinwohl ablöst". Für uns klingt das widersprüchlich: Wie will die CDU/CSU die Gemeinwohlinteressen für mehr Klima-, Natur- und Umweltschutz mit einem unbegrenzten Wachstumskurs in Einklang bringen?

Kauder: Für mich ist das überhaupt kein Gegensatz. Beide Ziele können vielmehr miteinander harmonisieren, wenn man die richtige Politik macht. Und das tun wir. In Ihrer Frage klingt eine, entschuldigen Sie, dass ich dies so deutlich sage, veraltete Sichtweise durch. Robustes Wirtschaftswachstum ist doch längst nicht damit verbunden, dass die Schlote wieder verstärkt rauchen, wie in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Davon haben wir uns in Deutschland in der Politik und in der Wirtschaft längst verabschiedet. Jeder, der Verantwortung trägt, weiß, dass eine solche Politik überholt ist und nie die Zustimmung der Bevölkerung treffen würde. Daher wurden die Umweltstandards auch mit Blick auf den Klimaschutz immer weiter verschärft. Wir sehen ohnehin in vielen Wirtschaftsbereichen spannende Entwicklungen. Mit voller Unterstützung der Politik findet doch gerade im Mobilitätssektor eine stille Revolution statt. Die Automobilindustrie konzentriert sich mehr und mehr auf das selbstfahrende Auto mit Elektroantrieb. Sie muss ihren Spitzenplatz in der Welt behaupten – um Arbeitsplätze auch in Zukunft zu erhalten. Das ist aber auch im Sinne der Umwelt. Nur wenn unsere Wirtschaft läuft, werden wir auch die Kraft haben, zum Beispiel weiter genug in die erneuerbaren Energien zu stecken. Eine schwache Wirtschaft könnte die betriebswirtschaftlichen Mehrkosten, die zweifellos entstehen, kaum schultern.

Sie gelten als enger Vertrauter von Angela Merkel. Beim Thema Freihandelsabkommen liegen fast alle Nichtregierungsorganisationen "über Kreuz" mit der Pro-Ceta- und Pro-TTIP-Haltung von Frau Merkel, auch weil sie nicht an ein unbegrenztes Wachstum glauben. Wie wollen CDU und CSU die Zweifler an solchen Freihandelsabkommen von deren Sinnhaftigkeit überzeugen?

Kauder: Schauen Sie nach Amerika und hören Sie, was dort gerade diskutiert wird. Dem neuen Präsidenten Trump schweben doch Abkommen vor, die weit von den Standards entfernt sind, die etwa durch Ceta festgeschrieben wären. Ich wünschte mir, Europa hätte noch mit der Administration von Präsident Obama TIPP abgeschlossen. Für Wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz wäre das ein besserer Zustand als wir ihn heute haben. Das gilt insbesondere für die Standards in den USA. Nach wie vor bin ich von der Idee des Freihandels überzeugt, aber eben eines regulierten Freihandels. Die Union will auch kein unbegrenztes Wachstum um jeden Preis. Wir wollen aber ein vernünftiges Wachstum, weil dies den Wohlstand auf der ganzen Welt, aber natürlich auch in Europa und Deutschland fördert. Wir müssen immer ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Dynamik und notwendiger Regulierung anstreben. Wirtschaftswachstum ist nicht von vornherein negativ, sondern erst einmal positiv, weil das Wachstum Spielräume eröffnet, nachhaltig und umweltbewusst zu wirtschaften. Das sehen viele Nicht-Regierungsorganisationen aus meiner Sicht nicht ganz richtig.

Die CDU/CSU stellt in der Regierung regelmäßig auch Minister für Umwelt und Landwirtschaft, Verkehrs- oder Energiepolitik. Welche Akzente will die CDU/CSU in den kommenden Jahren in diesen Themenbereichen setzen?

Kauder: In allen Bereichen gilt es, eine Politik von Maß und Mitte zu gestalten. Zur Energiepolitik habe ich mich gerade geäußert. In der Landwirtschaft dürfen die Bauern nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die konventionelle Landwirtschaft hat genauso unsere Unterstützung wie die Ökobauern. Die deutschen Bauern wissen insgesamt, dass die Verbraucher immer stärker neben der Qualität auch auf die Herstellung der Produkte achten. Die Art und Weise wird auch zunehmend transparent gemacht. Das ist auch richtig und wichtig. In der Verkehrspolitik gilt es, alle Verkehrsarten zu fördern, da alle ihre Berechtigung haben. Wir sind uns  bewusst, dass auch der Verkehr seinen Beitrag zur Einhaltung der Klimaschutzziele leisten muss.

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