Spurensuche Gartenschläfer

04. April 2019 | Naturschutz, Lebensräume, BUND

Ein Interview mit Johannes Lang, Biologe an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Gartenschläfer-Experte des BUND, über das Verschwinden des Gartenschläfers.

Anmoderationsvorschlag:

Haben Sie schon mal Gartenschläfer gesehen? Diese kleinen Nager mit der Zorro-Maske? Der Gartenschläfer ist eine kleine Schlafmaus, verwandt mit dem Siebenschläfer. Sie ist in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg noch ziemlich häufige Gast in unseren Gärten. Doch die Bestände des Gartenschläfers gehen in Deutschland vielerorts drastisch zurück. Aus vielen Regionen ist er bereits spurlos verschwunden. Was ist da los? Wir haben Johannes Lang von der Universität Gießen gefragt.

Herr Lang, können Sie uns sagen, was mit dem Gartenschläfer los ist?

O-Ton 1 (Johannes Lang, 58 Sek.): Die Rückgänge beim Gartenschläfer beobachten Naturkundler in ganz Europa schon seit vielen Jahren. Da das aber nur ganz wenige Spezialisten waren, die sich bisher mit Gartenschläfern beschäftigt haben, ist das kaum bekannt geworden. Erst kürzlich wurde dann festgestellt, dass es tatsächlich so ist, dass im gesamten Verbreitungsgebiet in Europa Gartenschläfer seit etwa 30 Jahren um die Hälfte zurückgegangen sind. In manchen Ländern sind Gartenschläfer inzwischen sogar ausgestorben, zum Beispiel in Finnland oder in Litauen. So ein dramatischer Rückgang muss uns natürlich zu denken geben. Es gibt kein Nagetier, das in den vergangenen Jahrzehnten so stark zurückgegangen ist. Und keiner weiß genau, wo der Grund dahinter liegt. Und deswegen hat das Bundesamt für Naturschutz den BUND, die Senckenberg Gesellschaft und die Uni Gießen damit beauftragt, über den Gartenschläfer zu forschen und Rückgangsursachen festzustellen. 

Der Name Gartenschläfer lässt vermuten, dass er vor allem in Gärten zu Hause ist. Stimmt das?

O-Ton 2 (Johannes Lang, 31 Sek.): Das stimmt zumindest im Süden und im Westen von Deutschland, dort kommen Gartenschläfer in Gärten, auf Obstwiesen, in Weinbergen vor. Im Rest von Deutschland stimmt es aber nicht so ganz, dort leben Gartenschläfer in den Mittelgebirgen vor allem im Wald. Und diese Vielseitigkeit in der Lebensraumnutzung ist ganz erstaunlich. Ein Tier, das mit so vielen Lebensräumen zurechtkommt und trotzdem ganz offensichtlich in vielen Regionen zurückgeht oder sogar ausstirbt – das gibt uns Forschern Rätsel auf.

Was untersuchen Sie genau?

O-Ton 3 (Johannes Lang, 34 Sek.): Als erstes wollen wir genauer wissen, wo in Deutschland überall Gartenschläfer leben. Dazu haben wir unter www.gartenschlaefer.de eine Meldestelle eingerichtet, bei der Funde und Sichtungen von Gartenschläfern eingetragen werden können. Dort erfährt auch jeder, der daran Interesse hat, wie man das genau macht, wie man Gartenschläfern auf die Spur kommt. Darüber hinaus erforschen wir, die Biologie des Gartenschläfers, zum Beispiel seinen Speiseplan, seine Lebensweise, aber auch Krankheiten und die Genetik dieser Tiere.

Was machen Sie dann mit diesen Forschungsergebnissen?

O-Ton 4 (Johannes Lang, 23 Sek.): Für diese Forschungen haben wir drei Jahre lang Zeit, in denen wir hoffentlich den Rückgangsursachen auf die Spur kommen, und anhand dieser Erkenntnisse dann Schutzmaßnahmen entwickeln, die wir dann drei Jahre lang umsetzen können. Das Ganze soll dann dazu führen, dass es dem Gartenschläfer in Deutschland zukünftig besser geht.

Ein ganz schön großer Aufwand für ein so kleines Tier, oder?

O-Ton 5 (Johannes Lang, 47 Sek.): So kann man das natürlich sehen – allerdings muss uns immer bewusst sein, dass wir mit dem Gartenschläfer ja auch unsere eigene Lebensgrundlage schützen. Die Artenvielfalt ist ein sehr, sehr sensibles System, und Gründe, die zum Rückgang von Arten führen, können auch für andere Arten von Bedeutung sein. Ich vergleiche diese Rolle, die der Gartenschläfer in unserem Projekt hat, ganz gerne mit der von den Kanarienvögeln, die die Bergarbeiter früher in ihren Minen mit dabei hatten. Wenn die nämlich aufgehört haben zu singen, war klar, jetzt ist Gefahr in Verzug und man muss wieder an die frische Luft. Und so kann der Gartenschläfer als Warnsignal für uns dienen, damit wir wissen, wenn in unserem Lebensraum irgendwas nicht stimmt.

Welche Rolle spielt Deutschland dabei?

O-Ton 6 (Johannes Lang, 18 Sek.): Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für die Verbreitung des Gartenschläfers weltweit, weil ein wesentlicher Teil seines Verbreitungsgebiets hier bei uns liegt. Das bedeutet, wenn er hier bei uns verschwindet, dann ist damit auch ein Teil seines weltweiten Verbreitungsgebietes weg.

Was können Gartenbesitzer denn tun, um dieser kleinen Schlafmaus zu helfen?

O-Ton 7 (Johannes Lang, 44 Sek.): Geben Sie der Natur mehr Raum in ihrem Garten. Lassen Sie ein kleines bisschen Wildnis zu. Schaffen Sie, erhalten Sie Rückzugsorte für Gartenschläfer. Das können dichte Hecken sein, ein großer Steinhaufen, vielleicht auch ein Nistkasten oder ein alter Baum mit einer Höhle drin. Und verhindern Sie, dass Gartenschläfer zu Tode kommen. Es kommt immer mal wieder vor, dass Gartenschläfer ertrinken, in nicht abgedeckten Regentonnen. Wenn da ein Deckel drauf ist, passiert schon nichts mehr. Und verzichten Sie auf Nagergift im Garten, denn Gartenschläfer sind auch überall dort unterwegs, wo vielleicht eine Maus oder Ratte hinkommen könnte und würden das auch dann fressen und daran sterben.

Wie ist es möglich, Gartenschläfer bei sich zu beobachten?

O-Ton 8 (Johannes Lang, 40 Sek.): Das ist tatsächlich gar nicht so einfach, denn Gartenschläfer sind nachtaktiv und verschlafen das halbe Jahr im Winterschlaf. Wir haben uns aber ein paar Methoden ausgedacht, wie Sie dem Gartenschläfer bei sich auf die Spur kommen können. Und eine davon sind sogenannte Spurtunnel. Dort hinterlassen Gartenschläfer ihre Pfotenabdrücke und man kann daran ihre Anwesenheit feststellen. Auf der Homepage www.gartenschlaefer.de finden Sie weitere Informationen zum Gartenschläfer und noch weitere Nachweismethoden und wenn Sie dann tatsächlich einen festgestellt haben, freuen wir uns darüber, wenn Sie dort Ihren Fund mitteilen.

Abmoderationsvorschlag:

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lang.

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