"Osterpaket" wichtiger Schritt für die Energiewende – mit unverzeihlichen Bremsklötzen. Naturverträgliche Erneuerbare in Bürger*innenhand und Energieeinsparung vernachlässigt

07. Juli 2022 | Energiewende, Flüsse & Gewässer, Klimawandel, Lebensräume, Meere, Naturschutz

Berlin. Das heute im deutschen Bundestag verabschiedete "Osterpaket" mit insgesamt fünf Gesetzespaketen ist aus Sicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein wichtiger Schritt für die Energiewende. Im Detail weist er aber viele Leerstellen auf und vernachlässigt wichtige Stellschrauben.

"Die Ampel hat ihr 'Osterpaket' auf den Weg gebracht, aber bei den Absender*innen herrscht wenig Feierstimmung: Die Gesetzespakete zeigen deutlich, dass die Koalition bei der naturverträglichen Umsetzung der Energiewende und der Dekarbonisierung des Stromsektors nicht an einem Strang zieht", erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender BUND. "Vor allem die FDP ist zu oft der Bremsklotz, wenn es um ambitionierten Klimaschutz und funktionierenden Naturschutz geht." Insbesondere die Dekarbonisierung des Stromsektors fünf Jahre nach hinten zu schieben, ist ein echter Rückschlag im Gegensatz zu dem Entwurf im April. 

Wenn die Bundesregierung die Klimaschutzziele erreichen und eine Antwort auf die vielfältigen Krisen finden will, ist der Ausbau Erneuerbarer der Schlüssel. Hier zu bremsen ist unverantwortlich. Statt die zukünftigen Leitenergie Wind an Land und Solarenergie konsequent naturverträglich auszubauen, bleiben auf Druck der Liberalen und der SPD Biomasse und die kleine Wasserkraft weiterhin förderfähig. Bandt: "Biomasse und Wasserkraft ebenso wie Wind und Sonne als ebenbürtig im überragenden öffentlichen Interesse festzuschreiben ist energiepolitischer Unsinn und eine vermeidbare Schädigung der biologischen Vielfalt."

Beim Thema Energiesparen hat die Ampel aus Sicht des BUND versagt. "Hundert Prozent naturverträglich ist nur die Energie, die nicht gebraucht wird. Mit den schwachen Vorgaben für die Hülle neuer Gebäude stellt die Regierung einen Freifahrtschein für Energieverschwendung aus", kritisiert der BUND-Vorsitzende. Völlig vernachlässigt wurden darüber hinaus die größten Potenziale, um den Gebäudesektor auf den Klimapfad zu bringen. Änderungen an den Vorgaben für bestehende Gebäude wurden gar nicht erst angefasst. Bandt weiter: "In Anbetracht der Klima- und Gaskrise und der explodierenden Heizkosten ist dies sowohl aus ökologischer als auch aus sozialer Sicht inakzeptabel. Hier muss die Bundesregierung nun im Klimaschutzsofortprogramm schnell nachsteuern. Ausnahmen für Nachrüstpflichten müssen noch in diesem Jahr gestrichen, Mindesteffizienzstandards für Bestandsgebäude und Vorgaben für die Optimierung von Heizungsanlagen beschlossen werden."

Zu den weiteren Kritikpunkten des BUND gehört, dass mit dem Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) ein verstärkter Ausbau der Offshore-Windenergie beschlossen wurde und auch an Land die Kriterien für die notwendige Ausweisung naturverträgliche Windenergiegebiete geschwächt werden. "Das Gesetz öffnet das Tor zur Industrialisierung der Meere und die Verschärfung der Konflikte mit Naturschutz. Naturschutz darf insbesondere beim Ausbau auf See nicht auf der Strecke bleiben. Meeresschutzgebiete müssen tabu für die Windparks sein."

Positiv zu sehen ist die verbindliche Sicherung von zwei Prozent der Fläche für die Windkraft und die Aufwertung der Bürger*innenenergie. Über die Anhebung der Vergütung für Teileinspeisung wurde dafür zumindest teilweise der Weg geebnet. "Die Energiewende wird nur in Bürger*innenhand funktionieren", so der BUND-Vorsitzende. "Leider hat die Regierung sich im Klein-Klein verloren und wichtige rechtlichen Rahmenbedingungen für Energy Sharing entgegen dem Koalitionsvertrag erneut nicht umgesetzt." Dabei ist das gemeinsame Produzieren, Verbrauchen und Teilen von erneuerbarem Strom laut eine Potenzialstudie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung für viele Menschen attraktiv. 90 Prozent aller Haushalte könnten sich so an der naturverträglichen Energiewende beteiligen und 35 Prozent des Zubaus bis 2030 übernehmen. Auch sei das Schaffen der Rechtsgrundlage für Artenhilfsprogramme sei ein wichtiger Schritt, bedrohten Arten zu helfen. Dadurch könne die Windkraft einen deutlichen Beitrag zur Erholung von Populationen leisten und ihrem Ruf als Grünen Energie gerechter werden.

Bandt abschließend: "Das 'Osterpaket' hätte für die Energiewende ein Meilenstein sein können. So ist es eine vertane Chance, nicht nur für das Erreichen der Ausbauziele, sondern auch für den Naturschutz an Land und auf See. Denn grade der dezentrale und bürger*innenahe Ausbau sorgt dafür, dass das Potenzial von bereits versiegelten Flächen genutzt wird und der Druck auf die schützenswerten Flächen abnehmen kann und die Energiewende beschleunigt wird."

Mehr Informationen

  • Kontakt: Magnus Wessel, BUND-Experte für Naturschutz, Tel. (030) 2 75 86-543, magnus.wessel(at)bund.net, Caroline Gebauer, Leiterin Energie- und nationale Klimapolitik, Tel. (030) 2 75 86-494, caroline.gebauer(at)bund.net, Nadja Ziebarth, BUND-Expertin für Meeresschutz, Tel. (04 21) 79 00-232, nadja.ziebarth(at)bund.net, Irmela Colaco, BUND-Expertin für Wohnen und Gebäude, Tel. (030) 2 75 86-466 Mobil: 01 77 / 4 25 44 87, irmela.colaco@bund.net sowie BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff / Daniel Jahn / Clara Billen / Lara Dalbudak), Tel. (030) 2 75 86-497 / -531 / -464 / -425, presse(at)bund.net

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