Neue Gentechnik: Leere Versprechungen für Klima und Landwirtschaft

10. März 2022 | Klimawandel, Landwirtschaft

Noch ist Gentechnik im Essen und auf den Äckern in Europa streng geregelt. Doch die Chemie- und Saatgutkonzerne versuchen die bestehenden Regeln für die neue Gentechnik (NGT) nun auszuhebeln. Die Klimakrise nutzen sie dabei als Vorwand. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 kritisieren dies scharf. Die Umweltorganisationen fordern, dass Gentechnik in Europa strikt reguliert bleibt. Die umfassende Risikoprüfung, die lückenlose Rückverfolgbarkeit und die verpflichtende Kennzeichnung von Gentechnik-Pflanzen müssen auch für neue Gentechnik gelten. "Diese tiefgreifenden Änderungen in der DNA der Pflanzen verlangen ein Festhalten an strikter Regulierung durch das EU-Gentechnikrecht. Die von der Biotech-Industrie versprochenen klimafitten Gentechnik-Pflanzen erweisen sich als taktische Versprechen und hypothetische Lösungen für die Klimakrise" so die Organisationen. 

Unter neuer Gentechnik versteht man Verfahren wie die Gen-Schere CRISPR/Cas. Entwickler*innen und Profiteure der neuen Gentechnik verkaufen ihre Technologien gerne als "Alleskönner" und Lösung für die Klimakrise. Demnach sollen CRISPR/Cas & Co. zum Beispiel dabei helfen, weniger Pestizide einzusetzen. Ein Versprechen, das skeptisch macht: Schon vor über 20 Jahren kündigten die Befürworter der klassischen Gentechnik eine Reduzierung von Pestiziden durch ihre Technologien an. Anders als versprochen, ging die verstärkte Nutzung der gentechnisch veränderten Sorten mit einem massiven Anstieg der Glyphosatnutzung einher. 

Heute verspricht die Biotech-Industrie mit ihrer neuen Technologie, robuste, klimatolerante und nachhaltige Pflanzen produzieren zu können. Derzeit gibt es noch keine einzige Gentech-Pflanze, die besonders gut mit Stressfaktoren, wie Trockenheit, Hitze und Frost umgehen kann. Die Behauptungen der Industrie, kurz- oder mittelfristig Pflanzen für die Klimakrise erzeugen zu können, ist also falsch. "So verführerisch die Versprechungen sein mögen: Es gibt keine einfachen Lösungen. Statt mit neuer Gentechnik auf ein 'Weiter so' in der Landwirtschaft zu setzen, muss sich das Agrarsystem grundsätzlich ändern. Statt Gentech-Hochleistungssorten, deren ökologische Risiken unklar sind, brauchen wir den agrarökologischen Umbau für die Landwirtschaft", erklärt Daniela Wannemacher, BUND-Expertin für Agrogentechnik. 

Ein Bericht von GLOBAL 2000 und BUND zeigt, dass biologische Vielfalt der Landwirtschaft, mehr agrarökologische Ansätze und Bio-Landwirtschaft größeren Erfolg im Umgang mit klimatischen Schwankungen versprechen. "Die Landwirtschaft steht mit der Klimakrise vor gewaltigen Herausforderungen. Die Hoffnung auf neue Gentechnik zu setzen, lässt die vielschichtige Komplexität der Klimakrise und Welternährung außer Acht", so Brigitte Reisenberger, GLOBAL 2000 Gentechniksprecherin.

Hintergrund: Herbizidresistente Pflanzen fördern eine industrielle, auf Monokulturen und Gentech-Hochleistungssorten ausgerichtete Landwirtschaft. Schon bei der "alten" Gentechnik hat man gesehen: Der Einbau von Resistenzen gegen Totalherbizide führt zu mehr Pestizidanwendung. Zwischen 1995 und 2014 stieg der Einsatz von Glyphosat in der US-Landwirtschaft um das Neunfache auf circa 113.000 Tonnen pro Jahr an, ein Drittel der Gesamtmenge der dort eingesetzten Herbizide. Weltweit stieg der Glyphosatverbrauch fast um das Fünfzehnfache: Von 51.000 Tonnen im Jahr 1995 auf 747.000 Tonnen im Jahr 2014. Dieser Anstieg korreliert unmittelbar mit dem stark ausgeweiteten Anbau von gentechnisch verändertem Soja in Lateinamerika. Die Natur passt sich an und immer mehr Unkräuter trotzen den Herbiziden und haben Resistenzen gebildet. Deshalb sind zunehmend gentechnisch veränderte Pflanzen mit Resistenzen gegen mehrere Pestizide auf den Feldern. Mittelfristig wird deshalb ein ganzer Gift-Cocktail an Pestiziden notwendig sein. Bei herbizidtoleranten gentechnisch veränderten Sojasorten hat man gesehen, wie die Herbizidmengen über die Jahre stiegen. Hoffnung auf nachhaltige Gentech-Pflanzen werden nun mit der “Genschere” CRISPR/Cas geschürt. Dabei werden im Labor komplexe Veränderungen in der Pflanzen-DNA möglich gemacht. Ein genauerer Blick zeigt: Die "Genscheren" werden vor allem in der Grundlagenforschung eingesetzt, um die Regulationsmechanismen von Genen, die unter Stressbedingungen an der Reaktion der Pflanze beteiligt sind, aufzuklären. Marktorientierte Studien zum Umgang der Pflanzen mit abiotischem Stress (Hitze, Dürre, Frost), gibt es dagegen fast gar keine. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, wie schwierig es ist, die komplexen Stressantworten der Pflanzen zu verändern. Entsprechend gibt es derzeit auch noch keine NGT-Pflanze, die besonders gut mit abiotischen Stressfaktoren umgehen kann. Ob NGT-Pflanzen, die besser mit abiotischen Stress umgehen könnten, jemals die Marktreife erreichen, ist unklar. "Klimafitte" Sorten herzustellen ist extrem komplex. Denn solche Stressbedingungen treten besonders durch die steigenden Extremwetterereignisse in Kombination miteinander auf. Außerdem wären komplexe Regelungsbereiche im Genom betroffen, um mittels Genom-Editierung und Genschere die Stresstoleranzen zu erhöhen. Es ist zudem fraglich, ob diese Pflanzen auch außerhalb von Laborbedingungen wachsen könnten.

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