Kommentar: Europäische Wasserstoffstrategie: Grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gehört die Zukunft – Industrie droht Allianz zu kapern

08. Juli 2020

Zur europäischen Wasserstoffstrategie (European Hydrogen Strategy), die heute von der EU-Kommission vorgestellt wurde, erklärt Verena Graichen, stellvertretende Vorsitzende des BUND:

Verena Graichen. Foto: Toni Mader / BUND Verena Graichen, stellvertretende Vorsitzende des BUND  (Toni Mader / BUND)

"Die europäische Wasserstoffstrategie macht deutlich, dass die Zukunft dem grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gehört. Ebenfalls ist es begrüßenswert, dass verschiedene nationale Wasserstoffinitiativen unter einem europäischen Dach zusammengefasst werden. Der BUND fordert schon lange eine Europäisierung von Wasserstoffinitiativen.

Die heute veröffentlichte 'European Hydrogen Strategy' bietet die Chance, im europäischen Binnenmarkt Nachhaltigkeitsstandards für die Wasserstoffherstellung zu etablieren. Grundsätzlich gilt aber: Wasserstoff als Energieträger ist kein Allheilmittel. Grüner Wasserstoff sollte nur dort eingesetzt werden, wo keine anderen günstigeren und effizienteren Klimaschutzmaßnahmen existieren.

Aus klimapolitischer und ökonomischer Sicht bleibt unverständlich, warum die EU-Kommission auch übergangsweise blauen Wasserstoff nutzen möchte, der aus Erdgas und mit CO2-Speicherung hergestellt wird. Investitionen in fossilen Wasserstoff sind eine klimapolitische Sackgasse. Die EU muss das anerkennen und nur noch grünen Wasserstoff fördern, der nach den eigenen Zahlen der EU-Kommission schon innerhalb eines Jahrzehnts konkurrenzfähig wird.

Im weiteren politischen Prozess müssen nun die gravierenden architektonischen Mängel der Strategie beseitigt werden. Nur dann wird die Wasserstoffnutzung konsequent an den Klimazielen orientiert und von einem starken Ausbau erneuerbarer Energien begleitet werden.

Die EU muss zudem aufpassen, dass die Aktivitäten der europäischen Wasserstoff-Allianz (Clean Hydrogen Alliance) nicht den Klimaschutz unterlaufen. Die Allianz wird ein mächtiger Player am Wasserstoffmarkt werden, der nicht nur beratend tätig wird, sondern EU-finanzierte Projekte identifiziert und umsetzt. Diese Verschmelzung von Politik und Industrie droht auf Kosten des Klimaschutzes zu gehen. Unternehmen mit fossilen Geschäftsfeldern erhalten einen starken Einfluss auf den Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft und können die Einführung erneuerbarer Energien in ihrem Interesse verzögern oder sogar verhindern. Dazu passt, dass die Zivilgesellschaft kaum vertreten ist und die Erneuerbare-Energien-Verbände gar nicht eingeladen wurden."

Mehr Informationen

  • zum Wasserstoff
  • Hintergrund: Es ist das ausdrückliche Ziel der EU-Wasserstoffstrategie, einen Regulierungsrahmen für die Aktivitäten der "Clean Hydrogen Alliance" bereitzustellen. Diese wurde von der EU-Kommission am 10. März dieses Jahres gegründet, um gemeinsame Wasserstoffprojekte von Politik, Industrie und Verbänden aufzusetzen. Industrieunternehmen und -Verbände, darunter viele Vertreter fossiler Wirtschaftszweige, drohen die Allianz zu vereinnahmen, da sie die Mehrheit im Steuerungsgremium stellen und die Leitung der Arbeitsgruppen übernehmen.
  • BUND-Leitlinien für die nachhaltige und klimaschützende Wasserstoffnutzung (PDF)
  • Kontakt: Oliver Powalla, BUND-Experte für nachhaltige Power-to-X-Technologien, Mobil: 01 63 / 6 85 43 24, oliver.powalla(at)bund.net sowie BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff / Daniel Jahn / Judith Freund / Heye Jensen), Tel.: (030) 2 75 86-425/-531/-497/-464, presse(at)bund.net

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