Grüner und gerechter: Die Agrarreform muss zu einem zentralen Baustein einer Agrarwende werden!

17. Januar 2013 | Landwirtschaft, Massentierhaltung, Naturschutz, Lebensräume

Die "Agrarreform" steht im Mittelpunkt des Kritischen Agrarberichts 2013, den das AgrarBündnis — ein Bündnis von 24 Verbänden aus Landwirtschaft, Umweltschutz, Tierschutz, ländlichem Raum und internationaler Entwicklungsarbeit — zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche in Berlin vorstellte.

Nichts weniger als ein Systemwechsel steht an!

Stephan Illi, Vorstand des ältesten Ökolandbauverbandes Demeter, machte deutlich, vor welchen Herausforderungen die Agrarpolitik steht. "Es geht um nichts weniger als um einen Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik. Nur wenn der gelingt, kann die Landwirtschaft ihren gesellschaftlichen Funktionen nachkommen: Nachhaltige Ernährungssouveränität mit hochwertigen regionalen Lebensmitteln sichern, Erhaltung einer lebenswerten Umwelt und Stärkung des ländlichen Raumes. Aber dazu müssen in Europa Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine ökologische, bäuerliche und faire Landwirtschaft unterstützen. Bisher bewirken die Mittel aus Brüssel vorwiegend Wettbewerbsvorteile für eine industrielle Landwirtschaft und ein Umwelt und Tierwohl schädigendes Agrobusiness. Maismonokulturen breiten sich aus, die Meere werden überdüngt und Bienen verhungern. Was wir statt dessen brauchen ist eine deutliche Stärkung der Mittel zur Förderung konkreter gesellschaftlicher Leistungen: Mehr Biodiversität und größere Vielfalt auf Europas Fluren!"

Kommissionsvorschläge müssen verbessert und nicht verwässert werden

Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), kritisierte, dass in Brüssel deutsche EU-Parlamentarier die Reformierung der europäischen Agrarpolitik behinderten: "Nachdem die schwarz-gelbe Bundesregierung seit Jahren Umwelt- und Tierschutzgesetze in Deutschland aufweicht, scheinen die dafür verantwortlichen Parteien auch auf EU-Ebene strengere Umweltregeln für Subventionsempfänger verhindern zu wollen", sagte Weiger. "Auch deutsche EU-Abgeordnete bedienen leider zuvörderst die Interessen der Agrarindustrie anstatt sich für die Interessen der bäuerlichen Betriebe einzusetzen", sagte der BUND-Vorsitzende. Weiger forderte die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes auf, sich für mehr Verbraucher- und Umweltschutz in der Landwirtschaft einzusetzen. "Die Vorschläge der EU-Kommission für mehr Umwelt- und Tierschutz müssen weiter verbessert werden anstatt sie aufzuweichen. Die deutschen EU-Abgeordneten sollten wissen: Wer Politik für die Industrialisierung der Landwirtschaft, gegen den Schutz der Natur und gegen die Interessen der Verbraucher macht, wird den Protest der Menschen auf dem Land und in den Städten zu spüren bekommen. Wer die Agrarindustrie bevorteilt, Bauern unfair behandelt und Tiere quält, wird nicht gewählt. Das gilt auch für jene Länderregierungen in Deutschland, die von Tierschutz reden und Mega-Schlachthöfe fördern", sagte Weiger mit Blick auf die Landtagswahl in Niedersachsen am kommenden Sonntag.

EU-Agrarreform gerecht gestalten

Bernd Voß, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), ging auf Reform-Angebote der EU-Kommission ein: "Die EU-Kommission will nicht länger einigen wenigen großen flächenstarken Profiteuren zu Reichtum verhelfen, sondern die Zahlungen staffeln und dabei berücksichtigen, wie viel Arbeitskosten auf den Betrieben wirklich anfallen. Kanzlerin Merkel und Ministerin Aigner lehnen das kategorisch ab und bedienen damit die Interessen von weniger als zwei Prozent der deutschen Betriebe!"

Zur Milchmarktordnung, die in Brüssel ebenfalls auf der Reform-Agenda steht, sagte Voß: "Wir fordern die Bundesregierung auf, den vorliegenden Kompromiss-Vorschlag im Europäischen Parlament zu unterstützen." Der Vorschlag zielt darauf ab, dass Milchüberschüsse in Zukunft gar nicht erst erzeugt werden. Das widerspricht zwar den Interessen der Molkereikonzerne, weil die Preise für die Bauern steigen könnten. Voß machte jedoch deutlich, dass es marktgerechter sei Überschüsse zu vermeiden, als sie unter hohem Energieaufwand zu trocknen, auf Kosten der Steuerzahler einzulagern und dann weltweit in Länder zu exportieren, wo sie lokale Märkte zerstören.

Tierschutz bleibt Mangelware

Für Esther Müller vom Deutschen Tierschutzbund kommt — trotz positiver Ansätze der Reformvorschläge der EU-Kommission — vor allem der Tierschutz weiterhin zu kurz: "Dass alle Landwirte, auch solche die ihre Tiere in Käfig- oder Anbindehaltung halten oder Betriebe, die keine flächengebundene Tierhaltung betreiben, mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, stößt beim Großteil der Bevölkerung auf Unverständnis. Wir müssen von dieser pauschalen Mittelvergabe wegkommen. Vielmehr müssen wir die Möglichkeiten nutzen, artgerechte Haltungssysteme gezielt zu unterstützen." Müller kritisierte, dass die Bundesregierung und die Bundesländer die vorhandenen Spielräume in den Programmen zur ländlichen Entwicklung (2. Säule) nicht nutzen. Von der EU erwartet sie höhere Kofinanzierungssätze für diese Programme, damit sie in den Mitgliedsstaaten auch wirklich umgesetzt werden. Dringend notwendig sei auch eine Prüfpflicht zum Tierschutz bei öffentlich geförderten Tierhaltungsanlagen.

Von der Agrarreform zur Agrarwende — auch auf der Straße!

Die Agrarreform grüner und gerechter zu gestalten sei eine zentrale Forderung des breiten gesellschaftlichen Bündnisses, betonte AgrarBündnis- Geschäftsführer Frieder Thomas zum Abschluss der Präsentation. Er wies jedoch auch darauf hin, dass es bei der Agrarreform in Brüssel vor allem um die Verteilung der von der EU eingesetzten Finanzmittel gehe. Es gebe jedoch noch viel mehr zu tun: "Über den Umgang mit der grünen Gentechnik, über den Einstieg junger Menschen in die Landwirtschaft, über den Bedeutung der Landwirtschaft für die Erzeugung erneuerbarer Energien oder über die Frage des Eigentums und die Verfügungsgewalt über unsere Nutzflächen — darüber wird derzeit in Brüssel gar nicht oder nur am Rande entschieden." Aber auf all diese Themen gehe der kritische Agrarbericht ein. Nicht zuletzt seien dies auch Themen für die vielen Tausend Menschen, die das AgrarBündnis für den 19. Januar in Berlin zur Demonstration unter dem Motto "Wir haben es satt!" erwartet.

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