"Gesunde Ernährung, sichere Produkte" nur mit weniger Fleischkonsum und Fleischproduktion möglich

20. Mai 2020 | Massentierhaltung, Landwirtschaft

Am heutigen Mittwoch ist der Entwurf des Berichts der Bundesregierung zur Ernährungspolitik, Lebensmittel- und Produktsicherheit „Gesunde Ernährung, sichere Produkte“ Thema im Kabinett. Anlässlich der Kabinettssitzung fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) den Umbau der Tierhaltung anzugehen, dezentrale Schlachthöfe und Vermarktung aufzubauen, Importe von Futtermitteln zu reduzieren und den Einsatz sogenannter Reserveantibiotika zu verbieten sowie den Einsatz von Antibiotika zu minimieren. 

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender, erklärt: "Das Agrarsystem hat einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen, aber auch auf den Zustand der Umwelt und des Klimas. Durch erhöhten Antibiotikaeinsatz entstehen multiresistente Keime und ganze Landstriche fallen unserem Hunger nach Fleisch zum Opfer."

Bereits im Februar hat das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung Empfehlungen vorgelegt, wie der Umbau der Tierhaltung schrittweise gelingen und finanziert werden kann. Von Seiten der Zivilgesellschaft bekam das Strategiepapier breite Zustimmung. Das Kompetenznetzwerk schlägt eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte vor. Fleischerzeugnisse würden so pro Kilogramm wenige Cent teurer. Diese Abgabe kann eine Lenkungswirkung entfalten und so Klima, Umwelt und die menschliche Gesundheit schützen. Voraussetzung dafür ist jedoch eine sozialpolitische Flankierung, sodass einkommensschwache Haushalte nicht zusätzlich belastet würden.

Aufgrund der weltweiten massiven ökologischen und sozialen Probleme fordert der BUND jetzt schnelles und entschiedenes Handeln. Auch bei Konsumentinnen und Konsumenten findet ein Umdenken statt, erklärt Bandt: "Zwar ist der Fleischkonsum in Deutschland noch immer sehr hoch, doch ist der Jahresverzehr 2019 erstmals seit fast 20 Jahren unter die Marke 60 Kilogramm pro Kopf gefallen." Billigfleisch wird massenhaft produziert. Bei Obst und Gemüse hingegen besteht ein großer Importbedarf. Hier liegt der Selbstversorgungsgrad bei lediglich 35,7 Prozent und das, obwohl Gemüse für eine gesunde Ernährung zentral ist und die Produktion weniger Fläche verbraucht.

Die Fleischproduktion hingegen ist hoch und der Selbstversorgungsgrad Deutschlands liegt weiterhin bei 114,4 Prozent. Die Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen sind skandalös. Selbst die Corona-Pandemie hält die Fleischindustrie nicht davon ab, die Menschen unwürdig zu behandeln.

Olaf Bandt: "Der notwendige Umbau der Tierhaltung muss jetzt beginnen. Die gesundheitlichen und ökologischen Kosten der massiven Fleischproduktion sind zu hoch. Diese Fleischproduktion ist nur mit dem hohen Einsatz von importierten Futtermitteln, Niedriglöhnen und Antibiotika möglich." 

Ein Ende dieser Praxis fordert auch Katrin Wenz, BUND-Agrarexpertin: "Wir brauchen einen Systemwechsel mit regionalen Wertschöpfungsketten, mit mehr Tierwohl statt der Exportorientierung, mit fairen Preisen für Bäuerinnen und Bauern und mit gerechten und menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen bei der Verarbeitung von Lebensmitteln."

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  • 2018 wurden knapp 34 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot aus Nord- und Südamerika in die Europäische Union verschifft – rechnerisch 68 Kilogramm für jeden EU-Bürger und jede EU-Bürgerin. Dafür werden weltweit etwa 120 Millionen Hektar Ackerfläche genutzt. Deutschland belegt etwa ein Viertel der für die eigene Ernährung benötigten Fläche im Ausland, insbesondere in Brasilien. Dort wurden aufgrund der Landnutzungsänderungen alleine von Januar bis März diesen Jahres 796,08 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt und das, obwohl der Erhalt intakter Ökosysteme und ihrer Biodiversität für das Leben der Menschen existentiell ist. Gesundheitsgefahren liegen aber auch im hohen Einsatz von Antibiotika. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnen schon seit Jahren vor der Gefahr, dass Bakterien gegen Antibiotika Resistenzen bilden und die Medikamente damit wirkungslos werden. Die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika stellt eine globale Bedrohung in der Human- und Veterinärmedizin dar. Wird ein Mensch durch resistente Keime krank, kann es sogar zu Todesfällen kommen. In Europa sterben jedes Jahr mehr als 33.000 Menschen an Infektionen mit solchen Keimen. Die Menge der in der Tiermedizin abgegebenen Antibiotika in Deutschland lag 2018 bei 722 Tonnen. Die Bundesregierung ist jetzt gefordert die Gesundheitsrisiken durch den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu minimieren und die Fleischproduktion in Deutschland an die Fläche zu binden, um Sojaimporte zu beschränken.
  • Pressekontakt: Katrin Wenz, BUND-Agrarexpertin, mobil: 0176 / 4 768 41 62,  katrin.wenz(at)bund.net sowie BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff / Daniel Jahn / Judith Freund / Heye Jensen), Tel.: (030) 2 75 86-425/-531/-497/-464, presse(at)bund.net

 

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