Desaster im Dutzend: Bundesverkehrswegeplan führt in die klimapolitische Sackgasse und in das verkehrspolitische Abseits

25. Mai 2022 | Mobilität, Klimawandel, Nachhaltigkeit

Berlin. Die Klimakrise nimmt weiter Fahrt auf. Nach neusten Erkenntnissen droht bereits im Jahr 2026 das Überschreiten des 1,5-Grad-Ziels. Vor diesem Hintergrund stellt die Verkehrspolitik der Bundesregierung ein Relikt aus alten Zeiten dar und ist nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erneuert in seiner Auswertung "Desaster im Dutzend" seine Kritik an der Verkehrspolitik und insbesondere am Bundesverkehrswegeplan*. Beispielhaft zeigt der BUND an zwölf Autobahnen und autobahnähnlichen Bundesstraßenprojekten, welche Probleme bei der Fernstraßenplanung in Deutschland aktuell bestehen. Kosten werden deutlich zu niedrig angesetzt, europäisches Umweltrecht ausgehebelt sowie faire Öffentlichkeitsbeteiligung und Alternativenprüfung verweigert. In allen zwölf Beispielen sind kostengünstige, umweltschonende und schneller umzusetzende Alternativen zum Bau dieser Fernstraßenprojekte möglich. 

Mit der anstehenden Überprüfung des Bedarfsplans zum Bundesverkehrswegeplan ergibt sich die Chance, gravierende Fehler der Fernstraßenplanungen zu korrigieren. Der BUND fordert in diesem Zusammenhang ein Stopp aller laufenden Planungen und im Bau befindlichen Projekte und eine Überprüfung dieser Projekte unter vollständiger Einbeziehung aller umwelt- und klimarelevanten Aspekte. 

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND erklärt: "Klimaschädlich, naturzerstörend, überteuert und vor allem: unnötig. Der Bau von immer neuen Autobahnen und Bundesstraßen führen uns in die klimapolitische Sackgasse und in das verkehrspolitische Abseits. Sie sind nicht mit den Zielen des Klimaschutzes und den Verpflichtungen Deutschlands zum Erhalt der Biodiversität vereinbar. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 ist schlichtweg ein Relikt vergangener Zeiten und wurde mit Ignoranz gegenüber dem Klimawandel und dem Artensterben entwickelt. Die in ihm enthaltenen Projekte müssen evaluiert, überarbeitet und an den Zielen des Klima- und Naturschutzes ausgerichtet werden. Bundesverkehrsminister Wissing hat die einmalige Chance, die Verfehlungen seiner Vorgänger vergessen zu machen. Dafür braucht es ein umgehendes Moratorium, das den Aus- und Neubau von Fernstraßen stoppt. Wir brauchen eine Mobilitätspolitik für alle in den Grenzen des Planeten, immer neue Straßen sind aber genau das Gegenteil und werden die Verkehrsprobleme nicht lösen."

Werner Reh, BUND-Arbeitskreissprecher Verkehr und langjähriger Verkehrsreferent beim BUND führt zur Überprüfung aus: "Die anstehende Bedarfsplanüberprüfung eröffnet die Chance, Fehler bei der Fernstraßenplanung zu beheben. Sie muss verbindliche Treibhausgasreduktionsziele und Biodiversitätsziele vorgeben. Eine strategische Umweltprüfung muss dafür sorgen, dass diese Umweltziele umfassend bilanziert und in der Praxis eingehalten werden. Treibhausgas erhöhende Projekte müssen entweder klimaschonend umgeplant oder gestrichen werden. Umgesetzt werden müssen prioritär die Projekte, die zu den geringsten Kosten den höchsten Nutzen für den Klimaschutz und Mobilität für alle bringen. Der Löwenanteil der 1360 im Bundesverkehrswegeplan 2030 enthaltenen Projekte muss deshalb aufgegeben werden."

Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND NRW fügt mit Blick auf die Situation im bevölkerungsreichsten Bundesland an: "Erhalt statt Neubau. Nirgends wird die Notwendigkeit, sich auf diese einfache Formel zu konzentrieren, so sichtbar wie in NRW. Die Rahmedetalbrücke auf der A45 und die Rheinbrücke bei Leverkusen sind nur zwei Bespiele für die Fehler der letzten Jahre. Statt jetzt weiter in neue Straßen zu investieren, muss die bestehende Infrastruktur saniert werden. Aber auch dabei darf das Planungsrecht nicht ausgehebelt werden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist auch bei Ersatzneubauten ein wichtiger Bestandteil einer rechtssicheren Planung."  

Heiner Baumgarten, Landesvorsitzender des BUND Niedersachsen erklärt zur A 20: "Die geplante A 20 zerschneidet wertvolle Landschaften wie die Flussniederungen der Elbe und Oste, Moore und Wälder und zerstört natürliche Kohlenstoffsenken. Mit unserer Klage will der BUND dieses ökologisch katastrophale und wirtschaftlich unsinnige Verkehrsprojekt stoppen. Die angebliche verkehrswirtschaftliche Bedeutung der A20 für die Verbindung der Häfen entlang der Küste gibt es nicht: Alle Häfen haben bereits Autobahnanschlüsse. Anstatt Neubau von Autobahnen müssen jetzt der Güterverkehr auf die Schiene verlegt und stillgelegte Bahnstrecken reaktiviert werden."

Susanne Grube, Vertreterin der Bündnis-A-20-Gegner und Vorsitzende der BUND-Kreisgruppe Ammerland fügt zur Klage gegen die A 20 an: "Die A 20 ist Symbol einer verkehrten Verkehrspolitik. Als klima- und umweltschädlichstes Projekt des gesamten Bundesverkehrswegeplans leistet sie einen weiteren Beitrag zur Verschärfung der Klimakrise. Der Verkehr, der auf der A 20 entsteht, sowie Bau und Unterhaltung würden mehr als 90.000 Tonnen CO2 verursachen. Jedes Jahr. Wolle man dies kompensieren, müssten 30.000 Hektar neuer Wald gepflanzt werden. Der Bau dieser Autobahn steht in krassem Widerspruch zu nationalen und internationalen Klimaschutzzielen. Es ist Zeit, diese vollkommen überholte Planung für immer zu begraben."

Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND-Landesverbands Schleswig-Holstein erklärt mit Blick auf den A-20-Abschnitt in Schleswig-Holstein: "Mit der Anbindung der A 20 bei Bad Segeberg an die A 21 muss die laut Umweltbundesamt ökologisch bedenklichste Autobahnplanung in Deutschland ein Ende finden. Der weitere Weg nach Westen kann bei festgestelltem Bedarf über den Ausbau vorhandener Bundesstraßen erfolgen und mit einer Planungssicherheit für einen Ausbau der Fähre Glückstadt – Wischhafen und Brunsbüttel – Cuxhaven komplettiert werden. Um den zukünftig expandierenden industriellen Wirtschaftsraum Westküste verkehrlich zu erschließen, ist der massive Ausbau des Schienennetzes dagegen vordringlich."

Robert Bednarsky, Landesvorsitzender des BUND Thüringen, erklärt mit Blick auf die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Landes Thüringen für die Ortsumgehung B 19 in Meiningen: "Die Planung für die B19 ist ein Paradebeispiel für die überholte und schlampige Verkehrsplanung von Bund und Land. Überzogene Projekte, die in keiner Weise zur Entlastung des Verkehrsgeschehens beitragen, sind unnötig. In Zeiten von Klimakrise und Artensterben braucht es keine überdimensionierten Straßen, die wertvolle Natur zerstören und zusätzlichen Verkehr anreizen."

Mehr Informationen

* Der Verkehrswegeplan erkennt einen den Neu- oder Ausbau von 1.360 Bundesfernstraßenprojekten, also Autobahnen und Bundesstraßen, als "Bedarf" an. Darunter allein 850 Kilometer Autobahnneubau. Der Bundestag hat diesen Bedarf am 23.12.2016 als Gesetz beschlossen.  

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