BUND zur Gerichtsentscheidung A20

07. Juli 2022

Die Landesvorsitzende beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Niedersachsen, Susanne Gerstner, im Gespräch mit BUND-Redakteur Noah Wankner über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausbau der A20.

Anmoderationsvorschlag:

Die Verlängerung der Küstenautobahn A20 soll einmal von Westerstede in Niedersachsen bis Weede in Schleswig-Holstein führen. Das ist eine Strecke von 214 Kilometern. Ursprünglich waren 3,7 Milliarden Euro für den Bau eingeplant. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die tatsächlichen Kosten wohl mindestens doppelt so hoch werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - kurz BUND - hat daraufhin beim Bundesverwaltungsgericht Klage eingereicht. Heute war die Urteilsverkündung. Aus Sicht des BUND ein Grund zur Freude. Denn es wurde entschieden, dass die A20 erstmal nicht wie geplant ausgebaut werden darf. Ich spreche mit Susanne Gerstner, neue Landesvorsitzende beim BUND Niedersachsen über die Entscheidung.

Sprecher: Frau Gerstner, was genau wurde heute entschieden und wie bewerten Sie diese Entscheidung?

O-Ton 1 (Susanne Gerstner, 28 Sek.): "Wir bewerten die Entscheidung sehr, sehr positiv. Denn heute wurde der erste geplante Abschnitt der A20 in Niedersachsen für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Das heißt, unserer Klage wurde in Teilen stattgegeben. Das ist für uns natürlich als BUND ein Riesenerfolg. Aber auch für all die Initiativen gegen die A20, die uns in den ganzen letzten Jahren im Rahmen der Klage unterstützt haben."

Sprecher: Was bedeutet "nur in Teilen stattgegeben"?

O-Ton 2 (Susanne Gerstner, 35 Sek.): "'Wurde in Teilen stattgegeben' heißt, dass bestimmte für uns natürlich auch sehr wichtige Aspekte, wie Klimaschutz und die Frage des Bedarfs, tatsächlich vom Gericht nicht berücksichtigt wurden. Das ist aus unserer Sicht mehr als bedauerlich und es ist natürlich auch gerade ein Schlag ins Gesicht der jungen Generation, weil wir alle wissen: Die A20 ist das klimaschädlichste Vorhaben im gesamten Bundesverkehrswegeplan. Und hier hat das Gericht tatsächlich nicht in unserem Sinne entschieden, sondern hat diese Frage zurückgespielt an die Politik."

Sprecher: Was würde das für Klima und Umwelt bedeuten, sollte die A20 wie geplant gebaut werden?

O-Ton 3 (Susanne Gerstner, 32 Sek.): "Der zentrale Punkt ist, dass mehr als die Hälfte der geplanten A20, also der 200 Kilometer, tatsächlich durch Moor und Marschland laufen. Alleine für die ersten zwei Abschnitte müsste man fast 2 Millionen Kubikmeter Torf ausheben und durch den Bau und den Betrieb und die Wartung der A20 hätte man über 90.000 Tonnen mehr CO2 Ausstoß im Jahr. Das heißt, das ist ein massiv klimaschädliches Vorhaben, das da umgesetzt würde."

Sprecher: Können Sie die Argumente der Gegenseite trotzdem auch ein Stück weit verstehen? Was sagen sie den Menschen, für die die schnellere Verbindung und gerade auch die Anbindung der Häfen tatsächlich eine Erleichterung darstellt?

O-Ton 4 (Susanne Gerstner, 56 Sek.): "Wir haben von Anfang an, also seit vielen, vielen Jahren, immer Alternativen aufgezeigt. Umwelt- und naturverträgliche, klimaverträgliche Alternativen und konnten die ganzen Argumente sehr gut ausräumen. Also beispielsweise: Wir brauchen keine weitere parallele Verbindung zu bestehenden Autobahnen. Das ist eine weitere West-Ost-Verbindung, die es bereits gibt. Alle Seehäfen, die die A20 tangieren würde, sind bereits durch Autobahnen angeschlossen. Wir brauchen Mobilität, auch auf dem Lande, das ist gar keine Frage.

Aber wir brauchen eben eine klima- und naturverträgliche Mobilität. Das heißt, wir brauchen mehr auf der Schiene, wir brauchen auch Güterverkehr, der auf der Schiene transportiert wird. Wir brauchen eine Reaktivierung von alten Bahntrassen. Das ist das, was wir brauchen, um den Menschen auch vor Ort mehr Mobilität zu gewährleisten."

Sprecher: Der Bundesverkehrswegeplan sieht den Neu- und Ausbau von 1360 Fernstraßen vor, davon allein 850 Autobahnkilometer. Was ist von einer solchen Verkehrspolitik zu halten?

O-Ton 5 (Susanne Gerstner, 42 Sek.): "Gar nichts. Die Verkehrspolitik ist von gestern oder von vorgestern, das muss man ganz klar sagen. 2016 ist der Bundesverkehrswegeplan so beschlossen worden. Inzwischen gibt es ein Klimagesetz, es gibt das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichtes. Wir wissen, es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern viertel nach zwölf, was den Klimaschutz auch global betrifft. Und daran müssen sich künftige Vorhaben ausrichten. Das heißt, wir brauchen jetzt sofort und dringend eine Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans. Und ich bin mir sicher, dass da als erstes die A20 rausfliegt, weil die A20 eines der oder das klimaschädlichste Vorhaben im gesamten Bundesverkehrswegeplan ist."

Sprecher: Wie geht es nach diesem Urteil mit dem Projekt A20 weiter?

O-Ton 6 (Susanne Gerstner, 54 Sek.): "Zum einen werden wir natürlich auf die ausführliche Urteilsbegründung warten. Wir werden die sorgfältig auswerten und werden dann überlegen, wie wir juristisch weiter vorgehen. Fakt ist, das ist ja der erste von zwölf Abschnitten in Niedersachsen. Und bei künftigen Abschnitten wird natürlich das Klimaschutzgesetz und auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil greifen. Also juristische Möglichkeiten sind auf jeden Fall da. Was aber heute noch mal deutlich wurde: Wir können bestimmte Dinge nicht auf juristischer Ebene lösen, sondern die müssen politisch gelöst werden. Und deswegen müssen wir die nächste Zeit und das nächste Jahr intensiv dafür nutzen, weiter auf die Straße zu gehen, weiter öffentlich Druck zu machen, aber eben auch weiter politisch Druck zu machen. Dass dieser unsägliche Bundesverkehrswegeplan neu überarbeitet wird."

Abmoderationsvorschlag:

Das war die Vorsitzende des BUND-Landesverbandes Niedersachsen, Susanne Gerstner, zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den geplanten Ausbau der Autobahn A20. Vielen Dank Frau Gerstner für das Gespräch.

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