Ausbauplan für Stromnetz ist überdimensioniert – Experten fordern Trendwende für Dezentralität und Flexibilität

18. Juni 2020 | Energiewende, Kohle, Klimawandel

Berlin. Trotz Kohleausstiegs und Energiewende schreitet der Bau großer Stromtrassen voran. Mit Blick auf die kommenden Beratungen des Bundesbedarfsplans für die Stromnetzentwicklung bis 2030 im Bundestag, kritisieren der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Netzplanung als überdimensioniert. Für solch ein Netz gibt es keinen Bedarf: Das Vorhaben sprengt hinsichtlich der Streckenlänge, der Art der Leitungen, der Kosten und der Umwelteingriffe den Rahmen.

Die Alternative zu der Förderung von überkommenen Strom-Autobahnen ist ein deutlich stärkerer dezentraler Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Das wäre sowohl kostengünstiger als auch umweltfreundlicher und könnte sich dadurch positiv auf die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung auswirken. Doch der Bedarfsplan zieht die Möglichkeiten zur Regionalisierung und den Ausgleich von Stromerzeugung und -bedarf auf Verteilnetzebene in Zellen oder durch Strommarktzonen nicht ausreichend in Betracht.

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: "Ein regionaler flexibler Stromausgleich macht überdimensionierte Stromtrassen überflüssig, ist kostengünstiger und naturverträglicher. Doch die Bundesnetzagentur betrachtet ein solches Szenario nicht ausreichend und plant die Stromtrassen in Deutschland auf einer unvollständigen Grundlage. Statt auf mehr Strom-Autobahnen zu setzen, müsste der Netzausbau viel stärker als bisher auf die dezentralen Stromerzeuger und Bedarfe ausgerichtet werden. Der Bundesbedarfsplan 2030 muss überarbeitet werden, bevor er beschlossen wird." 

Nicht nur aus ökologischen Gründen ist ein dezentraler Netzausbau ein sinnvoller Weg. Aus einer aktuellen Studie des Wirtschafts­wissenschaftlers Lorenz Jarass, die unter anderem im Auftrag des Initiativkreises Netzentwicklung 2030, des BUND Naturschutz in Bayern sowie mehreren Bürgerinitiativen und Kommunen erstellt wurde, geht hervor, dass der derzeitige Netzausbau auch ökonomisch nicht der beste Weg ist, um die Energieversorgung zu sichern. Die künftig extrem steigenden Netzentgelte werden nicht in Relation zu preisgünstigeren Optionen gestellt. Kosteneffizientere Netzplanung ist auch ökologische Netzplanung.

Die Kritik des BUND am Bedarfsplan, die auch Bundestagsabgeordneten vorliegt, wird von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Umwelt- und Erneuerbaren-Verbänden geteilt und bestärkt. Sie fordern gemeinsam eine neue Netzplanung, die sich an den Zielen der Dezentralität orientiert. Die Infrastrukturkosten müssen bei der Netzplanung berücksichtigt werden. Die Erzeugung von Wind- und Solarstrom muss stärker regionalisiert werden, hinzukommen muss systemdienliche Flexibilität und die Integration von Speichern. Statt auf der Grundlage des Netzplans eine überdimensionierte "Kupferplatte Deutschland" zu bauen, könnte auf diesem Wege über eine gleichmäßigere Verteilung von regionaler Wertschöpfung und Beschäftigung auch für mehr Akzeptanz und Resilienz gesorgt werden.

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