- BUND warnt vor Richtungsentscheidung bei Wirtsgesteinen
- Asse-Beteiligungsprozess ist Anti-Blaupause
- Parteien-Konsens zur transparenten und wissenschaftsbasierten Atommülllagersuche bröckelt
Zum 10-jährigen Bestehen des Standortauswahlgesetzes (StandAG) erklärt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in einem aktuellen Sorgenbericht zum Suchverfahren seine zunehmende Skepsis gegenüber der Verfahrensführung. Mit dem StandAG wurde die Suche nach einem Ort für den deutschen hochradioaktiven Atommüll 2013 neu begonnen. Vorfestlegungen der Betreiberin Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) drohen jetzt den guten Ansatz der vergleichenden Betrachtung aller Gesteinsarten zu torpedieren. Der desaströs gescheiterte Asse-Begleitprozess zeigt, wie schnell Betreiberin und Behörde einen solchen Prozess vor die Wand fahren können.
Juliane Dickel, Leiterin Atom- und Energiepolitik: „Leider müssen wir feststellen, dass die zuständige BGE im stillen Kämmerlein schon weitreichende Vorfestlegungen trifft, ohne die Öffentlichkeit transparent zu beteiligen. Pauschale Annahmen der Betreiberin, die bereits in ihre laufende Arbeit einfließen, können dazu führen, dass unbemerkt und rigoros Ton- und Kristallingebiete von der angeblich ergebnisoffenen Suche ausgeschlossen werden. Sollte dies eine Richtungsentscheidung dahingehend sein, dass wieder allein Salzgestein in den Fokus rückt, hätte die BGE der Glaubwürdigkeit des Verfahrens einen Bärendienst erwiesen. Der BUND lehnt eine solche Vorfestlegung ab. Die Suche muss ergebnisoffen erfolgen.“
Beim Beteiligungsprozess um Rückholung und Lagerung radioaktiven Mülls aus dem havarierten Asse Bergwerk sind die zuständigen Stellen gescheitert. Das Bundesumweltministerium hat sich nach und nach aus dem Prozess verabschiedet, die Betreiberin BGE hat ungeachtet der Öffentlichkeit und des laufenden Beteiligungsverfahrens eigenmächtig Entscheidungen getroffen.
Dickel: „Der Asse-Prozess zeigt eindrücklich, was passiert, wenn Wissenschaftlichkeit, Transparenz und Partizipation von den Zuständigen missachtet werden. Es ist eine Anti-Blaupause des Suchverfahrens für die hochradioaktiven Abfälle.“
Lernendes Verfahren greift bisher nicht
Der BUND hat in der sogenannten Endlagerkommission, die 2014 bis 2016 über das Gesetz beriet, als einziges Kommissionsmitglied den Abschlussbericht abgelehnt. Zu viele wichtige Fragen blieben damals wie heute offen. Allerdings bietet das geltende Standortauswahlgesetz, nicht zuletzt durch das Mitwirken des BUND in der Kommission, schon jetzt einen großen Handlungsspielraum, der bei weitem nicht ausgenutzt wird.
Dickel: „Das Auswahlgesetz bietet die Möglichkeit, Interessierte früh zu beteiligen. Der BUND begrüßt, dass die BGE angekündigt hat, zeitnah und kontinuierlich Zwischenstände zu veröffentlichen. Transparent und verständlich aufbereitet kann dies ein erster Schritt zu mehr Glaubwürdigkeit und Akzeptanz sein, der von der zuständigen Behörde BASE nicht verhindert werden darf. Gleichzeitig muss durch eine frühzeitige, transparente und nachvollziehbare Dokumentation Menschen zu jeder Zeit ermöglicht werden, in den komplexen Prozess einzusteigen. Das Prinzip eines lernenden Verfahrens, wie es im Gesetz verankert ist, muss nun endlich zur Anwendung kommen. Dazu braucht es auch keine Gesetzesänderung.“
Politische Einflussnahme beim Auswahlprozess, wie zuletzt aus Bayern erkennbar oder die Versuche von Ministerpräsidenten, ein Atommülllager im eigenen Bundesland ungeachtet des politischen Konsenses zu verhindern, tragen nicht zur Akzeptanz in der Bevölkerung bei und werden vom BUND entschieden abgelehnt. Umso mehr irritiert die jüngste Aussage des Präsidenten des Bundesamts BASE einen Zeitpunkt der Standortfestlegung vorzugeben - das Jahr 2046. Damit wird nicht nur die begründete Zeitplanung der BGE missachtet, sondern auch die wissenschaftliche Einschätzung des eigenen Hauses. Es entsteht der Eindruck, dass nicht mehr Sorgfalt vor Eile gilt, sondern dass sich die Verantwortlichen schnellstmöglich des ungeliebten Problems Atommüll entledigen wollen.
Hintergrund
Die Suche nach einem Standort für den hochradioaktiven Abfall in Deutschland wurde nach dem jahrzehntelangen Irrweg Gorleben mit der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes 2013 neu begonnen. Anschließend beriet die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ von 2014 bis 2016 über die Ausgestaltung des Verfahrens und entscheidende Kriterien. Der BUND hat als einziges Mitglied der Kommission den Abschlussbericht nicht mitgetragen. Schon damals waren wichtige Fragen bezüglich Atommüllarten, Klagemöglichkeiten oder Fairness nicht ausreichend geklärt. 2017 wurde das StandAG novelliert und das zuständige Bundesunternehmen BGE hat mit der Suche begonnen. Bereits damals war klar, dass das im Gesetz angestrebte Zieljahr 2031 nicht haltbar ist. Nun hat die BGE einen Abschluss der Suche für die Jahre 2046 bis 2068 abgeschätzt. Anschließend muss das „Endlager“ noch genehmigt und errichtet werden, sodass mit einer Inbetriebnahme nicht vor dem nächsten Jahrhundert gerechnet werden kann.
Mehr Informationen
- Aktueller Sorgenbericht des BUND zum Standortauswahlverfahren
- Juristische Stellungnahme zu den rechtlichen Voraussetzungen der Fortführung der Beteiligung der Öffentlichkeit
Kontakt
- Juliane Dickel, Leiterin Atom- und Energiepolitik beim BUND
Tel.: 030-27586-562
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