Wohin mit dem Atommüll?

27. März 2017 | Thorben Becker, Frankfurter Rundschau

Die Suche nach einem Endlager für den Atommüll ist extrem schwierig. Für das kommende Suchverfahren fehlt das Vertrauen.

Thorben Becker BUND-Atomexperte Thorben Becker  (Sebastian Hennigs)

Der lang angekündigte Neustart in der Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll in Deutschland steht unmittelbar bevor. Der Bundestag hat schon – und der Bundesrat soll am kommenden Freitag das neue Standortauswahlgesetz beschließen. Es wird Rahmenbedingungen für eine deutschlandweit vergleichende Suche in allen für ein Endlager geeigneten Gesteinsarten setzen. Gegenüber dem bisherigen ist das neue Gesetz zwar deutlich verbessert worden, hat aber nach wie vor gravierende Mängel.

Suchverfahren wird erschwert

Ein lückenhaftes Exportverbot, das Festhalten am ungeeigneten Standort Gorleben und nicht ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten belasten das Suchverfahren. Dringend erforderlich wäre außerdem eine verbindliche Zahl von Erkundungen in verschiedenen geologischen Formationen wie Granit, Ton und Salz. Nur so kann sichergestellt werden, dass es trotz der jahrzehntelangen Bevorzugung von Salz zu einem fairen Vergleich von Standorten mit unterschiedlichen Gesteinsarten kommt.

Wenig hilfreich aktuell ist, wie sich ausgerechnet CDU- und CSU-geführte Regierungen in Sachsen und Bayern verhalten. Beide Länder wollen dem Gesetz für die Endlagersuche noch Steine in den Weg legen. Vor der geplanten Verabschiedung im Bundesrat am Freitag reichten sie Anträge ein, die eine Gleichbehandlung von kristallinem Gestein, das in beiden Ländern vorkommt, als mögliche unterirdische Endlagerstätte infrage stellen. Positiv hingegen ist, dass das neue Gesetz allein das Auswahlverfahren für einen Lagerstandort für hochradioaktiven Müll regelt. Dies hatte der BUND lange gefordert. Für nicht hochradioaktive Abfälle wie den Asse-Müll und den Müll aus der Urananreicherung in Gronau muss nun ein separates Standortsuchverfahren gestartet werden.

Export von Atommüll ausschließen

Wichtig für ein solides Vertrauen in die Atommülllagersuche bleibt, dass zentrale Grundsätze wie die Lagerung im Inland nicht ausgehebelt werden, wenn es schwierig wird. Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang, dass kein wirksames Exportverbot für den Atommüll im Gesetz verankert wurde. Dieses müsste zudem auch für den Müll aus dem sogenannten Forschungsreaktors (AVR) in Jülich gelten. Hier geht es um 152 Castor-Behälter, deren Lagerung in Jülich derzeit nur geduldet wird, denn das dortige Zwischenlager hat schon seit 2013 keine Genehmigung mehr. Statt jedoch ein neues Zwischenlager zu bauen, will das für Jülich zuständige Bundesforschungsministerium die Option eines Exports in die USA beibehalten.

Es wäre ein fatales Signal für das Endlagersuchverfahren, wenn das Ziel, allen hochradioaktiven Müll in Deutschland zu lagern, ausgehebelt wird, noch bevor die Suche beginnt. Erschwerend hinzu kommen Probleme, die aus Fehlern in der Vergangenheit und aus dem aktuellen Umgang mit Atommüll in Deutschland herrühren. So wurde der alte Standort Gorleben nicht aus dem neuen Suchverfahren ausgeschlossen, dies stellt eine große Belastung für das kommende Suchverfahren dar. Es ist vorprogrammiert, dass die alten Konflikte um Gorleben wieder aufflammen. Dies zeigte sich bereits, als die Atommüllkommission die Kriterien für das Suchverfahren aufstellte.

Gorleben als Vergleich

Im Hintergrund stand immer die Frage, was dies für den einzig bislang bekannten und höchst umstrittenen Standort im Wendland bedeuten würde. Eine wissenschaftsbasierte Kriterienentwicklung, wie sie vom Gesetz zu Recht gefordert wird, war so nur schwer möglich. Die Erfahrungen aus einer über zwei Jahre dauernden Mitarbeit in der Atommüllkommission lassen für uns nur den Schluss zu: Ein sauberes Suchverfahren unter Einbeziehung von Gorleben bleibt schwierig. Alle Beteiligten im Verfahren können und werden jeden Schritt und jede Maßnahme an diesem bereits bekannten Standort messen.

Hinzu kommt: Die Art und Weise, wie generell mit Atommüll in Deutschland umgegangen wird, stützt nicht gerade die Glaubwürdigkeit der Zusagen eines neuen, transparenten und partizipativen Verfahrens. Glaubhaft wären diese nur, wenn sich die betroffenen Menschen vor Ort bei bereits laufenden Verfahren auf Transparenz und Mitbestimmungsrechte verlassen könnten, dies auch beim Rückbau der Atomkraftwerke und bei Fragen der Sicherheit vorhandener Zwischenlager.

Ohne Transparenz kein Vertrauen

Die Realität sieht anders aus, das zeigt sich an den 16 Standorten in Deutschland, wo hochradioaktiver Atommüll in Castor-Behältern lagert. Die Genehmigungen für die dortigen Zwischenlager enden nach 40 Jahren und es ist absehbar, dass es dann immer noch keine endgültige Lagerstätte für hochradioaktiven Atommüll geben wird. Der strahlende Abfall wird also für weitere Jahrzehnte in oberirdischen Lagern verbleiben. Diese sind nur unzureichend vor Risiken wie beispielsweise Flugzeugabstürzen oder Terrorangriffen gesichert. Werden demnächst die Atomkraftwerke rückgebaut, fehlen Möglichkeiten zur Reparatur von Castor-Behältern.

Die zeigt sich am Beispiel des Zwischenlagers am AKW Brunsbüttel, das inzwischen keine Genehmigung mehr hat. Nun muss in einem öffentlichen Verfahren diskutiert werden, welche Nachrüstungen hier erforderlich sind und, ob Neubauten die alten Lager ersetzen sollten. Bisher wird eine offene und transparente Debatte über die Sicherheit der Zwischenlager von den Behörden und Politikern verweigert. Aber nur, wenn beim Umgang mit hochradioaktivem Atommüll die Grundsätze von Transparenz und Beteiligung eingehalten und fortentwickelt werden, kann Vertrauen in ein neues Suchverfahren für ein Atommülllager in Deutschland wachsen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.fr.de

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