Der Begriff Suffizienz leitet sich von dem lateinischen Wort „sufficere“ ab, zu Deutsch „ausreichen“ oder „genügen“. Es geht also um die Frage: „Wie viel ist genug?“ und zielt darauf ab, Energie und Material zu sparen. Im Angesicht der begrenzten natürlichen Ressourcen unseres Planeten, der Klimakrise und des Artenverlustes ist Suffizienz ein entscheidendes Werkzeug für langfristiges gutes Leben auf der Erde.
Suffizienz-Beispiel: Lebensmittelverschwendung
Am Beispiel der Lebensmittelverschwendung kann man gut zeigen, was Suffizienz bedeutet: Jährlich werden in Deutschland etwa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das verschwendet Ressourcen, belastet die Umwelt, verursacht hohe Kosten und verschärft die globale Ernährungskrise. Suffizientes Handeln auf privater Ebene bedeutet beim Beispiel Lebensmittelverschwendung, bewusst mit den eingekauften Lebensmitteln umzugehen: Einkäufe gut zu planen, Lebensmittel richtig lagern und Reste gut verwerten. Zu den Verschwendern gehören aber auch Industrie, Großverbraucher und Handel. Schon bei der Ernte werden etwa 30 Prozent der pflanzlichen Erzeugnisse aussortiert, weil sie in Farbe, Form oder Größe aus der Norm fallen. Hier liegt es an der Politik, dieser Verschwendung entgegensteuern.
Was hat Suffizienz mit Nachhaltigkeit zu tun?
Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet:
- die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden
- dass alle Menschen auf der Erde im Hier und Jetzt ein Leben in Würde führen können – und dies im Rahmen der ökologischen Grenzen unseres Planeten.
Aktuell sind jedoch bereits sechs von neun planetaren Grenzen überschritten. Das zeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Nur mit Suffizienz gelingt es, uns von der Ressourcen-, Energie- und Flächenverschwendung zu lösen.
Suffizienz, Effizienz, Konsistenz: Das goldene Trio
Effizienz
Effizienz ist meist verbunden mit technischen Innovationen. Neue Technik hilft, mit deutlich weniger Aufwand viel mehr Leistung zu erbringen. Der Nutzen soll dabei mindestens gleich bleiben. Oft steigt der Verbrauch unterm Strich jedoch. Der neue Kühlschrank ist viel effizienter, doch doppelt so groß.
Konsistenz
Unter Konsistenz wird der Wechsel zu anderen Energieformen verstanden, wie Sonne und Wind. Doch auch hier stoßen wir an Grenzen: In Solarpanelen und Windrädern werden kostbare Rohstoffe verbaut. Auch Flächen stehen uns nicht unbegrenzt zur Verfügung.
Suffizienz
Suffizienz-Strategien sind also unerlässlich für jede Nachhaltigkeitsstrategie. Um es einfach zu sagen: Jede Kilowattstunde, die wir nicht verbrauchen, muss nicht erzeugt und nicht transportiert werden und verursacht keine CO2-Emissionen.
Politischer Rahmen für ressourcenleichte Lebensstile
Wir kennen es aus unserem Alltag: Bus und Bahn fahren zu selten, das Repair-Café ist schwer erreichbar und hat zu selten geöffnet und selbst der Bioladen bietet das ganze Jahr hindurch Tomaten aus Spanien an. Nachhaltige Routinen sind oft umständlicher und scheinen teurer. Um nachhaltige Routinen einfacher zu machen, müssen Politik, Kommunen, Verwaltung und Unternehmen die nötigen Rahmenbedingungen und Anreize für Verbraucher*innen schaffen.
Vor allem Städte und Gemeinden können einen Rahmen schaffen, der ein gutes Leben einfacher macht: mit einer Stadt der kurzen Wege, einem ausgebauten und sicheren Radwegenetz und mit städtischen Stromspartarifen. Gemeinschaftliche Initiativen für Suffizienz wie beispielsweise Gemeinschafsgärten und Repair-Cafés sind Vorreiter. Nur mit politischer Unterstützung können sie sich verbreiten und unseren Lebensstil spürbar ressourcenleichter gestalten.
Weniger Verbrauch – auch Politik, Verwaltung und Unternehmen sind gefragt
Doch Suffizienz bezieht sich nicht nur die Lebensstile der Bevölkerung und einen nachhaltigen Konsum. Auch die Industrie muss ihren gewaltigen Energie- und Materialverbrauch reduzieren.
Suffizienz: Das sind die Vorteile
Technische Lösungen stecken voller Möglichkeiten für Suffizienz: Wir sparen zum Beispiel Papier, das nicht mehr ausgedruckt werden muss, brauchen dank Carsharing kein eigenes Auto mehr oder teilen Lebensmittel mittels digitaler Apps. Klug genutzt werden Umwelt und Geldbeutel geschont. Zugleich können wir uns durch einen guten und sparsamen Umgang mit unseren kostbaren Ressourcen die weitere Entwicklung manch riskanter Technologien wie CCS sparen.
Suffizienz schafft Lebensqualität – auch ohne materiellen Reichtum. Flohmärkte oder Reparatur-Kreise machen Spaß und sparen Ressourcen. Öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder, Musikschulen oder Naturerlebnisräume tragen zu einer vielseitigen Freizeitgestaltung bei und stärken den lokalen Austausch. Eine ausgewogene Work-Life-Balance ist Teil des Suffizienz-Gedankens. Sie schafft mehr Zeit mit den Liebsten, Hobbies, Entspannung oder bedeutsame Erlebnisse. Kurz: Mehr Lebensqualität.
Unterm Strich ist es bereichernd, den eigenen Lebensstil zu verändern. Auch wenn es manchmal unbequem ist oder verbunden mit Zweifeln an der eigenen Wirksamkeit. Klar ist, dass die Politik zu großen Teilen hauptverantwortlich ist. Doch Einzelne können durchaus zeigen, wie es anders geht und so auch das eigene Umfeld inspirieren. Das schärft auch das Bewusstsein dafür, dass individuelle Schritte tatsächlich nur begrenzt wirken und die Politik helfen muss, suffiziente Lebensstile zu erleichtern. Im Gespräch über wirksame Stellschrauben zu bleiben (wie seltener fliegen), nimmt außerdem den Druck von weniger relevanten Alltagsentscheidungen (wie Kartoffeln statt Reis essen).
Was sind Ihre schönsten Erinnerungen? Fallen Ihnen bedeutende Erlebnisse mit Familie, Freund*innen oder auch alleine ein? War Konsum der zentrale Teil dieser Erinnerungen oder eher das Gefühl der Verbundenheit oder persönliche Erfolge? Ein leckeres Essen aus eigenem Gartengemüse, ein Konzertbesuch mit Freund*innen, ein ausgedehnter Spaziergang, mal im Bett frühstücken oder in Ruhe ein dickes Buch lesen. Genuss ist oft eine Frage der Haltung. Konsum in Maßen statt in Massen spart Geld und ist der Schlüssel, den Fokus von materiellem Besitz auf Erfahrungen zu lenken, die nachhaltig glücklich machen.
Radfahren zur Arbeit tut der körperlichen Fitness gut und sorgt für einen freien Kopf. Essen selbst zubereiten ist meist gesünder und schmeckt besser als Fast-Food oder Tiefkühlkost. Zwar kann beides auch mit Zeitaufwand verbunden sein, doch umgekehrt auch zu einem ausgeglichenen Leben und zur Entschleunigung des Alltags beitragen. Mehr Achtsamkeit und Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse und weniger äußerer Konsumdruck – auch das stärkt die psychische Gesundheit. Manchmal kann Suffizienz auch bequem sein und gleichzeitig helfen, Zeit zu gewinnen: Das Reisen mit der Bahn lässt sich beispielsweise zum Arbeiten oder Entspannen nutzen.
Eine zentrale Frage ist: Welche Freiheiten ermöglicht der Status quo, und welche schränkt er ein? Wessen Interessen gewichtet er wie? Wer beispielsweise mit dem Auto fährt, wo es einen gut funktionierenden ÖPNV gibt, vergisst die Anwohner*innen, die dadurch gesundheitlich geschädigt werden. Fliegen schränkt die Freiheit der Menschen ein, die jetzt schon oder in Zukunft von der Klimakrise betroffen sind beziehungsweise sein werden.
Suffizienz schafft einen Rahmen für verschiedene Lebensentwürfe und ermöglicht so mehr Freiheit und Selbstbestimmung für alle Gesellschaftsgruppen statt nur für einige Privilegierte: mehr finanzielle Freiheit durch bewussten Konsum, Bewegungsfreiheit unabhängig vom Auto oder eine freiere Zeitgestaltung durch Arbeit in Teilzeit.
Es gibt kein Recht auf Billigflüge, auf Fast Fashion oder auf Lebensmittel zu Dumping-Preisen. All dies gibt es nur zulasten anderer Menschen und der Umwelt. Zwar scheinen Dinge zunächst teurer zu werden, wenn Arbeitsschutz und faire Löhne gesichert sind. Doch wenn die Preise den tatsächlichen Umweltschaden eines Produkts widerspiegeln, steigen die Kosten für umweltschädliche Produkte, während umweltfreundliche Alternativen erschwinglicher werden. Ein nachhaltiger Lebensstil wird so attraktiver.
Unsere Ressourcen sind begrenzt. Über den Zugang und die Verteilung müssen wir demokratisch und transparent diskutieren und entscheiden. Dabei sollten möglichst viele Freiheiten gewahrt bleiben. Die politischen Maßnahmen reichen von Kennzeichnungen über finanzielle Anreize wie Subventionen bis hin zu Verboten etwa von gefährlichen Stoffen oder Pestiziden.
Unser aktuelles Wirtschaftssystem ist auf Konsum ausgelegt. Wenn viele Menschen bewusster konsumieren, wenn Produkte länger halten, wenn Müll vermieden wird, stellt das ein Problem für das Wachstum dar. Aber wenn durch diesen Wachstumszwang immer mehr konsumiert wird, und das weltweit, werden die Umweltprobleme immer größer und damit auch soziale Ungleichheiten.
Überraschung: Es geht auch anders! Wir können uns von der Abhängigkeit vom Wachstum befreien. Suffizienz trägt dazu bei, Wohlstand auch ohne Wachstum zu ermöglichen. Das Stichwort ist „Postwachstum“: Damit können wir dazu beitragen, die Ausbeutung von Mensch und Natur zu stoppen und eine Welt gestalten, die ein gutes Leben für alle ermöglicht!
Weitere Webseiten zum Thema Suffizienz
Publikationen zum Thema Suffizienz
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- Digital die Welt retten !? – Handbuch für eine ökologische, digitale & gerechte Zukunft
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